Diese Präsenz ist einfach einzigartig. Was für eine Intensität, was für eine Stimme. Volltönend und trotzdem erdig, eindringlich und ehrlich. Es ist Blues in Reinform, den Big Daddy Wilson da in die Harmonie entlässt, feine Zwölftakter voller Inbrunst und Leidenschaft und jener ganz besonderen Wehmut, die die Essenz dieser Musik bildet. Sie klingen, als hätte er nie etwas anderes gesungen – dabei hat Wilson den Blues erst spät kennengelernt und in der Fremde, hier in Deutschland, während seiner Zeit bei der US Army. „Ich wusste vorher gar nicht, was das war“, sagt er gerne. „In meiner Jugend habe ich Musik nur aus der Kirche und aus dem lokalen Country-Radio-Sender gekannt. Und dann war ich auf einem Konzert. Dort habe ich einen Teil von mir gefunden, der viel zu lange verloren war.“
Veränderung ist schädlich. Weiß doch jeder. Der Mensch ist nun einmal ein Gewohnheitstier und verlässt sich im Leben lieber auf Bewährtes als auf Unbekanntes. Für Urban Priol ist das ein paradoxer Vorteil, immerhin kann er sich gerade deswegen seit nunmehr 35 Jahren auf der Bühne darüber aufregen, dass sich nichts ändert und immer noch die selbe Bräsigkeit die Politik regiert wie 1982. Damals hat er angefangen, zusammen mit Helmut Kohl, dessen Bequemlichkeit und dessen Sitzfleisch ein Eigenleben in Form von Angela Merkel entwickelt hat. Auf beide hat Priol sich eingeschossen, sie sind seine Feindbilder, der Dicke und die Mutti. Anlässlich seines Bühnenjubiläums rechnet er kurzerhand mit beiden ab – unter anderem auch im Haus der Springmaus.
Die Stimmung im Pantheon ist auf dem Siedepunkt. Alle tanzen, singen, jubeln. Deutsche, Türken und Griechen feiern gemeinsam, ebenso wie Menschen anderer Nationalitäten, die ins Pantheon zum Konzert von Imam Baildi gekommen sind. „Over the Border“ in Reinform, so wie es sich das gleichnamige Festival immer auf die Fahnen geschrieben hat. Die Band aus Athen überwindet mühelos Grenzen und bringt alle zusammen, indem sie Hip-Hop, Reggae, Rock und jenen Rembetiko vermischt, der sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus der Verbindung der griechischen Volksmusik und der osmanischen Musiktradition bildete. Und auch wenn Imam Baildi es mitunter ein wenig mit dem großen Gestus übertreibt und dem Pathos verpflichtet scheint (insbesondere Sängerin Rena Morfi mimt mit exaltierten Armbewegungen und volltönendem Organ die Diva), trifft ihr druckvolles Spiel doch mitten ins Herz. „Lasst uns die bösen Schwingungen mit Liebe, Leidenschaft und Energie vertreiben“, ruft MC Yinka irgendwann ins Publikum. Es ist eine der leichtesten Übungen des Abends.
Eigentlich muss Anna Depenbusch nur am Klavier sitzen und warten. Warten auf die Lieder, die bereits vollständig auskomponiert im Kosmos herumschwirren und nur nach jemandem suchen, dem sie sich anbieten können. Ist ganz einfach. Doch der „kreative Bereitschaftsdienst“ alleine bietet keine Erklärung für den Zauber, den die zarte, intensive Singer-Songwriterin zu weben versteht, wenn sie von Cowboys und Astronauten, Tim und Tina und Ron und Ronja singt und dabei ihr Publikum so mühelos in ihren Bann zieht, wie sie es jetzt im Pantheon getan hat, ganz alleine und in schwarz-weiß. Sie könnte auch das Telefonbuch vortragen, oder das Alphabet, und jeder würde ihr zu Füßen liegen. Letzteres tut sie sogar – und es funktioniert, weil ihre Musik eben nicht aus dem Kosmos kommt. Sondern aus Anna Depenbusch.
Das „Over the Border“-Festival hat in diesem Jahr schon so einige herausragende Künstler nach Bonn gebracht: phänomenale Techno-Marching-Bands, überragende Klezmer-Größen, meditative Saiten-Virtuosen und explosive palästinensische Hip-Hop-Genies mit perfektem Flow. Doch selten war ein Abend derart politisch und gesellschaftskritisch aufgeladen wie das Doppelkonzert von Gato Preto und BSMG in der Harmonie. Denn hinter Rave-tauglicher angolanischer Tanzmusik und minimalistischen Afrotrap-Beats verbergen sich Botschaften, die wie MG-Salven in Richtung Publikum jagen und das Augenmerk auf Diskriminierungen und Geschichtsverzerrungen legen wollen. Disco-Feeling und Protest müssen sich eben nicht zwangsläufig ausschließen. Zumindest nicht mehr.
Tücher wirbeln durch die Luft, Hände und die dazugehörigen Menschen tanzen ausgelassen, haben Spaß an der ungewöhnlichen, abgedrehten, herrlichen Fusion aus elektronischem Hip Hop und der traditionellen Musik des orientalischen Tanzes Dabke, angereichert mit Rock, Reggae und jeder Menge Energie. Die Harmonie tobt, angefeuert von einer Band, die Lebensfreude verbreitet und dabei zugleich das Sprachrohr einer ganzen Generation junger Menschen mit arabischen Wurzeln ist: 47Soul. Das palästinensische Quartett ist im Rahmen des „Over the Border“-Weltmusikfestivals nach Bonn gekommen, um ihren modernen Shamstep zu zelebrieren und ihre Botschaft zu vermitteln: „Jedes Land ist ein heiliges Land“, sagen sie, hoffen auf eine friedliche Lösung im Nahen Osten und auf ein freies Palästina, ohne Apartheid und Rassismus. Und ohne Grenzen.
Die schönsten Geschichten sammelt Patrick Salmen in der Bahn. Oder in Cafés. Wenn sich Geschäftsmänner über Kinder im Kita-Modus aufregen und dafür selbst umso lauter in die Tasten hauen, wenn die Soja-Milch flockt und Senioren mit trockenem Humor Food-Bloggern angebissene Mettbrötchen für Instagram zur Verfügung stellen, dann ist der 32-Jährige in seinem Element. Er liebt die Absurditäten des Alltags, vor allem die Schlagfertigkeit ganz normaler Leute, die sich oft unerwartet zu Wort melden und eine skurrile Situation derart schnodderig kommentieren, dass selbst Salmen mitunter sprachlos ist. Eine Auswahl dieser realen, übertriebenen und zum Teil auch fiktiven Erlebnisse hat der Poetry-Slammer jetzt unter dem Titel „Treffen sich zwei Träume. Beide platzen“ im Pantheon vorgestellt – und sie so ganz nebenbei noch um zahlreiche Anekdoten ergänzt.
Musik kennt keine Grenzen – dieser Satz ist gerade im Zusammenhang mit dem „Over the Border“-Festival schon häufiger gefallen. Eine Phrase, ja, aber eine, die ebenso wahr wie wahrhaftig sein kann, wenn die richtigen Künstler sie Wirklichkeit werden lassen. So wie im Kammermusiksaal des Beethovenhauses, wo das Publikum in den vergangenen zwei Tagen Musiker aus vier verschiedenen Ländern erleben konnten, die ihre unterschiedlichen Kulturen pflegten und aus dem Dialog heraus zugleich etwas Neues entstehen ließen. Das Konzert von Les 3Mas und Debashish Bhattacharya war mit Sicherheit das bislang fremdartigste Klangerlebnis der letzten Tage und Wochen, eines, für das man sich am weitesten aus der eigenen Wohlfühlzone herauswagen musste. Doch wer sich traute, wurde nicht enttäuscht.
Trompeten schmettern durch das Telekom Forum, gefolgt von Posaunen und Saxofonen. Die Luft vibriert, bebt, tanzt, ebenso wie die rund 1000 Besucher des Telekom Forums, die an diesem Abend vor allem eins wollen: Eine wilde Party. Was dank genug Blech (und Holz) auf der Bühne überhaupt kein Problem ist. Immerhin sind drei ebenso herausragende wie abwechslungsreiche Brass-Bands aus ganz Deutschland zu diesem Gipfeltreffen im Rahmen des „Over the Border“-Weltmusikfestivals gekommen, drei Formationen, die alle auf ihre jeweils ganz eigene Weise für Lebensfreude stehen und mit ihren furiosen Auftritten einfach nur gute Laune verbreiten. Und so geben Meute, Dicht & Ergreifend sowie die Lokalmatadore von Querbeat kurzerhand Vollgas, pumpen fette Beats in die Menge und sorgen für eine unglaubliche Stimmung.
Eigentlich will er doch nur erzählen. Egal in welcher Form. Parabeln und Fabeln, Grotesken und Kommentare, Traumsequenzen und dem Alltag entnommene Geschichten, sie alle gehören zum Repertoire von Heinz Rudolf Kunze, dem Rock-Poeten und modernen Lieddichter, dessen literarische Qualitäten seine musikalischen weit übertreffen. Und das will schon etwas heißen. Im komplett ausv erkauften Pantheon hat Kunze nun mit seinem Solo-Programm sein gesamtes Schaffen Revue passieren lassen, hat Hits und Raritäten aus fast 40 Jahren zum Besten gegeben und bewiesen, dass er zu Recht zu den ganz großen Singer-Songwritern der Bundesrepublik gezählt wird.
Als sich die Wise Guys im Sommer vergangenen Jahres auflösten, konnten viele Vocal-Pop-Fans es kaum glauben. 27 Jahre lang waren die fünf Kölner die Platzhirsche der deutschen a-cappella-Szene, die in ihren Hochzeiten bis zu 75.000 Menschen beglückten. Und das sollte jetzt alles vorbei sein? Ja. Und nein. Denn während Eddi Hüneke inzwischen auf Solo-Pfaden wandert, wollten Daniel „Dän“ Dickopf, Nils Olfert und Björn Sterzenbach als Gruppe weitermachen. Zusammen mit dem iNtrmzzo-Vokalclown Clemens Schmuck und dem zuvor vor allem als Keyboard in Erscheinung getretenen Ingo Wolfgarten sind sie nun als Alte Bekannte unterwegs – und obwohl sie kompositorisch genau an jenem Punkt anknüpfen, wo die Wise Guys aufgehört hatten, bringen sie doch neue Energie mit. Und jede Menge neuer Lieder.
Manche Städte sind nur einen Klang entfernt. Frankfurt zum Beispiel, oder das ägyptische Alexandria, oder die chilenische Hafenstadt Valparaiso. Es sind Orte, deren besondere Atmosphäre tiefe Spuren in den Köpfen und Herzen des Quartetts Inspire um die Harfenistin Evelyn Huber hinterlassen hat – Eindrücke, die die Musiker mit ihrem Publikum in der Brotfabrik teilen möchten. Und so lassen sie ihre Instrumente erzählen und holen kurzerhand die besagten Städte nach Bonn, evozieren den Sonnenuntergang am Main, farbenfrohe Häuser vor einem pazifischen Hügel-Panorama und die Erinnerung an gleich zwei antike Weltwunder. Eine Erfahrung, die ihresgleichen sucht.
Vocal Line ist eine Wucht. Der a-cappella-Chor aus dem dänischen Aarhus hat Weltruhm erlangt, hat mit Bobby McFerrin und den Rolling Stones die Bühne geteilt und am Fuß der Christus-Statue in Rio de Janeiro mit einem Fernseh-Konzert 180 Millionen Zuschauer erreicht. Auf Einladung von BonnVoice ist das 30-köpfige Ensemble jetzt ins Pantheon gekommen – und hat gezeigt, warum es völlig zu Recht in der Champions League spielt. Und eben nicht in der Landesliga.
Hypnotisch mischen sich die Klänge von Kora und Gitarre, von Balafon und Cello. In dem vielschichtigen Klangkosmos, das der Wachtberger Weltmusiker Nils Kercher und seine Band im Brückenforum erschaffen, harmoniert alles, gehen westliche und afrikanische Instrumente ineinander über und lassen etwas Einzigartiges entstehen. Es ist ein versöhnliches Konzert, sowohl für die Musik als auch für das Publikum, das zuvor lange im Foyer und im Treppenaufgang darauf hatte warten müssen, dass sich die Türen des Saals öffneten. Ärgerlich, zumal Kercher eine Erklärung schuldig blieb. Aber gut, nach den ersten Tönen war dies eh weitgehend vergessen. Zufriedenheit nimmt den Platz der Verstimmung ein; den feinen, filigranen Melodien und den pulsierenden Trommelrhythmen, die den Zuhörer in eine andere Welt entführen, kann und will man sich einfach nicht entziehen.
Akustische House-Beats und minimalistischer Hip Hop treffen auf Balkan Brass, Electro-Swing und Klezmer: Schon der Auftakt zum „Over the Border“-Festival 2018 hat am Wochenende gezeigt, wie vielseitig die Weltmusik-Szene sein kann, wie bunt – und wie hip. Nicht umsonst wirkt das Programm, das Veranstalter Manuel Banha im nunmehr dritten Jahr auf die Beine gestellt hat, überaus jung, setzt auf Blechbläser-Formationen mit Techno-Affinität (Meute, eine der drei Bands beim so genannten Gipfeltreffen der deutschen Brass-Bands) oder Rapper aus Berlin-Moabit (Megaloh, der am Sonntag noch brav Heine gelesen hat, bevor er in der kommenden Woche mit zwei Kollegen die Harmonie aufwühlen will). Und auch das Eröffnungs-Konzert im Brückenforum schlägt in diese Kerbe.
Eigentlich ist alles ganz einfach. Das Leben, die Liebe, die Gesellschaft, alles folgt einem Kreislauf. Kompliziert wird es nur, wenn man darin nach einem Sinn sucht. Doch El Juana Banda bietet eine Lösung: Singen. Und die Musik genießen. Eine typische Flamenco-Einstellung, die Sänger Juan Ruiz Salces bei dem Konzert des Quartetts in der Brotfabrik transportiert. Aber eine, die funktioniert. Denn die virtuose Mischung aus traditioneller spanischer Stilistik, Jazz, Rock und südamerikanischem Folk, die er und seine Bandkollegen präsentieren, geht direkt ins Herz – ob man den Inhalt nun versteht oder nicht.
Die Ur-Angst hat Fritz Eckenga fest im Griff. Jetzt ja nicht versagen, hier auf der Bühne des Pantheons. Nur nicht den Bühnentod sterben oder, noch schlimmer, das Publikum langweilen. Immerhin braucht er als Kabarettist es mehr als dieses ihn. Angesichts der drohenden Amazonisierung der Kleinkunstszene, dank derer immer mehr unzufriedene Gäste ihr Geld zurückverlangen und dafür auch noch schlechte Bewertungen im Internet hinterlassen, ist Eckenga auf glückliche Gesichter und herzhaftes Gelächter angewiesen. Dafür ist er bereit, alles zu tun. Selbst wenn das bedeutet, in ein Gorillakostüm zu steigen oder den prolligen Bademeister Teddy wieder aus der Versenkung aufsteigen zu lassen. Alles für ein paar Likes. Oder?
Die gemütliche Lounge des Pantheon Theaters, bewacht von einem Zirkuselefanten und ausgestattet mit einer Vielzahl bequemer Sofas, ist der ideale Ort, um sich fallenzulassen. Einfach entspannen und genießen, während eine charmante Singer-Songwriterin zuerst mit ihrer Loopstation und später mit ihrer Band Magie erzeugt. Anika Auweiler kann man eigentlich immer zuhören, egal was sie macht. Mit ihrer warmen, wandlungsfähigen Stimme singt sie Lieder, die sich zu 60 Prozent um Liebe und zu 40 Prozent um andere Emotionen drehen, aber mit 200 Prozent Leidenschaft gewürzt sind. Dabei strahlt die Ex-Bonnerin immer dann am hellsten, wenn sie ihre Musik reduziert – oder wenn sie gute Musiker im Rücken hat.
Das Mars-Symbol strahlt in die Lanxess Arena hinein. Groß und prall steht es am Bühnenrand, die drei Venusspiegel vor den Background-Sängerinnen überragend und dominierend – ein permanenter Bezugspunkt für Brandon Flowers, der dieses leuchtende Zeichen der Männlichkeit ein wenig ungelenk umtanzt. Warum auch immer. Der Sänger der Pop-Rock-Band The Killers bleibt eine Antwort schuldig, kommentiert die zumindest optisch omnipräsente Gender-Thematik außer im von rosa Konfetti überschütteten Song „The Man“ nicht weiter, lässt die Symbolik ins Leere laufen und macht stattdessen das, was das Publikum von ihm erwartet. Nämlich Party. Was sich als schwerer erweist als gedacht.
Luft und Liebe, mehr braucht es für Romeo und Julia nicht. Die beiden Teenager, die als tragisches Paar die Literaturgeschichte prägen wie kaum ein anderes, verzehren sich nacheinander und können doch zusammen nicht kommen. Dieser Konflikt bildet das Zentrum von Shakespeares legendärem Drama, ihn gilt es bei jeder Inszenierung herauszuarbeiten – und genau daran scheiterte jetzt die American Drama Group Europe, die in den Kammerspielen Bad Godesberg mit ihrem TNT Theatre Britain zwei Vorstellungen in englisch gaben. Die barocke Inszenierung von Regisseur Paul Stebbings ließ die großen Emotionen vermissen und weder ergreifender Tragik noch verklärter Romantik den notwendigen Raum zum Atmen.
Weniger Fett, weniger Alkohol, weniger Müll – das wollen die meisten gerne erreichen. Ein bisschen Verzicht hat schließlich noch niemandem geschadet. Und Martin Zingsheim könnte die Liste noch beliebig verlängern. Promi-Klatsch und Rechtspopulisten, Kondome mit Erdbeergeschmack und Karnevalsrufe von „Hulla Hulla“ bis „Wutz Wutz“ braucht der Kölner Kabarettist eigentlich nicht und wird dennoch ständig damit konfrontiert. Das schreit geradezu nach einer intellektuellen Askese. Doch will man das wirklich? Ist „Alles mit ohne“ wirklich die Lösung? Oder braucht es nicht vielmehr eine Balance, um wieder mit der Welt klarzukommen? Im Pantheon versucht Zingsheim nun, selbige zu finden – und verheddert sich dabei mitunter im Netz seiner eigenen Ideen.
Wer sich ernst nimmt, hat verloren – und wer ihn ernst nimmt erst recht. So scheint zumindest die Einstellung von Chris Tall zu lauten, und angesichts der üblicherweise ausverkauften großen Hallen und Arenen, die der 26-jährige Komiker seit einigen Jahren zu füllen versteht, kommt dieser Wunsch nach ein bisschen mehr Lässigkeit beim Publikum sehr gut an. Bei Chris Tall kriegt einfach jeder sein Fett weg, ist jeder ein potentielles Ziel. Aber nie ein Opfer. Nur wenige Tage vor der offiziellen Premiere seines dritten Programms „Und jetzt ist Papa dran“ hat Chris Tall nun im Pantheon noch einmal auf offener Bühne Hand angelegt und den Pointen den letzten Feinschliff gegeben, sehr zur Begeisterung der johlenden Menge, die sich angesichts der sexuellen Ausführungen des „kleinen Dicken“ herrlich amüsiert.
Finnen haben Feuer. Vor allem auf der Bühne. In der Harmonie haben nun gleich zwei Künstlerinnen aus dem hohen Norden den Beweis dafür angetreten: Auf der einen Seite die junge Soul-Entdeckung Ina Forsman mit gezähmter, im Bann des Rhythmus wabernder Leidenschaft, auf der anderen Seite Bluesrockröhre Erja Lyytinen, wild und explosiv wie ein Steppenbrand. In beiden Fällen sprang der Funke über, zumal die Damen wirklich meisterhaft agierten und mit starken Stimmen immer wieder Akzente setzten. Doch während Lyytinen sofort damit begann, das Publikum an den Siedepunkt zu führen, nahm sich Forsman Zeit – und musste mitunter um Zustimmung kämpfen.
Matthias Reuter liebt Sätze. Starke Sätze, die das Leben entweder einfacher oder schöner machen können. „Wir haben eine Haftpflichtversicherung“ gehört ohne Frage in die erste Kategorie, „Bütz mich, ich bin eine verwunschene Prinzessin“ potenziell in die zweite. Es sei denn, man ist gerade auf dem Weg ins Ruhrgebiet und wird im Zug von einer den Aperol-Spritz-Zenit längst überschrittenen Frosch-Matrone mit diesen Worten konfrontiert. Dann jubelt der Satzsammler in Reuter, während sich der Karnevalsflüchtling schaudernd abwendet. Im Haus der Springmaus präsentiert er nun seine Schätze, die er zum Teil in eine musikalische Form geschliffen hat, erzählt herrlich absurde Geschichten und zeigt, dass selbst die Sprache jugendlicher Prolls eine gewisse Ästhetik haben kann.
Irgendwann läuft sich jede Pointe tot. Selbst jene über Köln-Sülz, den Prenzlauer Berg des Rheinlands mit seinen Latte-Macchiato-Müttern und den FAZ-gewickelten Klugscheißer-Babys, den Brokkoli werfenden Hardcore-Veganern und den Dinkelweckmännern mit Migrationshintergrund. Hat man alles schon bis zum Erbrechen gehört. Doch Barbara Ruscher stört das nicht. So lange die Gags nicht zu müffeln beginnen und das Publikum noch pflichtschuldig lacht, trägt die 49-Jährige die alten Geschichten eben auf, selbst wenn diese schon deutlich länger bestehen als das aktuelle Programm namens „Ekstase ist nur eine Phase“. So jetzt auch im Pantheon, wo Ruscher in den vergangenen fünf Jahren bereits unzählige Male die Geburt der frühgeförderten Mia gefeiert und über Sören Wotan gelästert hat, um mittels des Umwegs über die Kinder auch ja alle Hipster-Klischees bedienen zu können.
Größe ist oftmals zweitrangig. Zugegeben, ein Quartett ist zunächst einmal die wahrscheinlich kompakteste Form des Global Music Orchestras von Jazz-Pianist Mike Herting – aber auch in dieser Besetzung lassen sich afrikanische und europäische Klänge hervorragend miteinander verbinden und bemerkenswerte Momente schaffen. Zumindest so lange die Künstler Gas geben. Und genau das tun sie in der Harmonie, wo wilde Rhythmen und noch wildere Tanzeinlagen für einen außergewöhnlichen Abend sorgen.
An – aus. An – aus. An. An. Aus. Immer wieder versuchen die Leuchtstoffröhren, Licht ins Dunkel und Klang in die Leere zu bringen, flackernd und knisternd, knackend und disruptiv. Eine Geräuschinstallation liegt den Erhellungsversuchen zugrunde – ein ebenso anstrengender wie kreativer Ansatz von Dawid Liftinger, mit dem das Konzert des Ensembles Elecotric ID mit dem Titel „Inside Exiles“ in der Bundeskunsthalle beginnt. Aber auch einer, der sich letztlich wie ein roter Faden durch das gesamte Programm zieht. Denn einfacher, klarer, strahlender werden die dargebotenen Stücke nicht. Sie bleiben verstörend, wehren sich getreu der Ansichten der Neuen Musik gegen die gewohnten Ton- und Melodiekonzepte und versuchen vielmehr, den Musikbegriff zu erweitern. Was immer dann gelingt, wenn jemand als Übersetzer fungiert. Zum Glück übernimmt an diesem Abend Klaus Kauker diese Aufgabe, der mit einer großartigen weil völlig untypischen Moderation Information, Humor und Intermedialität miteinander verbindet und beim Verständnis der abstrakten Werke hilft.
Die Nachfolge-Christi-Kirche tanzt. Und zwar auf schottische Art. Die Highlands sind auf die Schäl Sick gekommen und haben ihre Musik mitgebracht, die jetzt die Gemeinde von den Bänken scheucht. Jigs und Reels hallen durch den Altarraum, Fiddel und Concertina jagen in atemberaubenden Tempo einander, eine Gitarre gibt den immer schneller werdenden Rhythmus vor und eine klare Stimme kündet von grünen Tälern inmitten einer rauen Landschaft. Es ist traditioneller Folk auf hohem Niveau, der Limperich energetisiert, dargeboten von den letzten drei Gewinnern des BBC Young Scots Trad Awards, die derzeit auf Deutschland-Tour sind und zeigen, dass die Klänge ihrer Heimat immer wieder aufs Neue die Menschen bezaubern können.
Der Antichrist ist die Gier. Und sie ist überall. Davon ist der Messias nach drei Jahren auf der Erde felsenfest überzeugt. Nach drei Jahren, in denen er mühsam aus dem Heiligen Land nach Deutschland gekommen ist, dort in ein Flüchtlingsheim gesteckt, wegen seiner Predigten abgeschoben und von den USA in Guantanamo inhaftiert wurde. „Was ist da los“, fragt er ratlos. Wo sind Gerechtigkeit und Nächstenliebe, die er im Auftrag seines Vaters in die Welt gebracht hat? Eine gute Frage. Eine, die auch Aydin Isik nicht beantworten kann, der die Zweifel Jesu in seinem aktuellen Solo-Programm wie einen roten Faden inszeniert und zwischendurch über das Missverhältnis von Gott und der Welt, den Umgang mit Flüchtlingen, arabische Handelstricks und das letzte Abendmahl mit rein weiblicher Besetzung nachdenkt. Nicht immer geht diese Mischung auf, wie sich jetzt im Haus der Springmaus zeigt – wenn aber doch, muss das Publikum schlucken. Und nachdenken.
Streng genommen gehören sie alle abgewatscht: Horst Seehofer, Markus Söder, Joachim Herrmann und der Rest der komplett zerstoiberten CSU-Bagage, die Parodist Wolfgang Krebs mit ins Pantheon gebracht hat. Was für eine Chaos-Truppe. Entweder zerlegt sie sich selbst oder lästert über jene, die an diesem Abend nicht ihre Aufwartung machen (darunter Ilse Aigner und Alexander Dobrindt, dessen Aufruf zur konservativen Revolution konsequent dekonstruiert wird). Ernst nehmen kann man diese seltsamen Gestalten auf jeden Fall nicht. Zumindest nicht im Rheinland. Und vielleicht ist das auch der Grund, warum das Gala-Publikum letztlich keinem dieser Politiker den offiziellen Watschnbaum verleiht, auch wenn sich alle sehr darum bemüht haben. Stattdessen geht der Negativ-Preis an AfD-Frontkämpferin Beatrix von Storch und US-Präsident Donald Trump. Nicht unerwartet. Denn selbst Krebs kann seinen Figuren nicht so viel Mist in den Mund legen, damit sie gegen diese rechten Schreckgespenster anstinken könnten.
Normalerweise haben Männer bei einem Mädelsabend nichts verloren. Ganz im Gegensatz zu Sektflaschen, Chipstüten und Lästermäulern. Aber bei Mirja Regensburg ist alles anderes. Na gut, zumindest einiges. Immerhin hat die Comedienne bei ihrem ersten Solo-Programm tatsächlich beide Geschlechter eingeladen, und auch wenn nur wenige Männer (und deutlich mehr Frauen) der Aufforderung gefolgt und ins Haus der Springmaus sind, werden sie doch umso enthusiastischer begrüßt. Einer darf bei ihr sogar den „Teig“ oberhalb der Muffin-Jeans küssen, die ungeliebten Fettpölsterchen, mit denen sich die 42-Jährige ohne Scheu auseinandersetzt. „Wir sind ja unter uns“, sagt sie. Da ist alles erlaubt. Wenn auch nicht alles gelungen.
Sein Name ist Bond. Tom Bond. Ein Agent mit der Lizenz zum Swingen. Und diese Chance reizt Tom Gaebel bei seinem Konzert in der Bonner Oper nur allzu gern aus. Der leidenschaftliche Crooner mit dem Timbre von Frank Sinatra und der Vorliebe für Pathos hat in seinem neuen Programm „Licence to Swing“ die Titelsongs der großen 007-Filme in den Mittelpunkt gestellt und erweist sich dabei als Geheimwaffe der Bigband-Cover-Welt. Mühelos meistert er jedes noch so anspruchsvolle Lied, hängt sich sogar zweimal die imaginäre Stola Shirley Basseys um, wird zum „Man With The Golden Voice“ und wickelt mit seinem Sonnyboy-Charme das Publikum um seinen kleinen Finger. Zusammen mit seinem „Orchestra“ präsentiert er eine schmissige, schwungvolle und um weitere berühmte Film- und Fernseh-Melodien erweiterte Show, in der es nur einen Helden geben darf. Und der heißt dann eben doch nicht Bond. Sondern Gaebel.
Das Hofprotokoll ist eine Tortur. Zumindest für die freiheitsliebende Sissi, ihres Zeichens Kaiserin von Österreich – und damit Sklavin eines jahrhundertealten Konstrukts aus Erwartungen und Verpflichtungen. Jede Minute ist vorherbestimmt, jede Tätigkeit festgelegt. Schließlich geht es hier nicht um eine Ehefrau und Mutter, sondern um ein Symbol der Herrschaft. Um ein Objekt. Daran leidet der Wildfang Sissi, dem Schauspielerin Chris Pichler in ihrem selbst geschriebenen Ein-Personen-Stück „Elisabeth – Kaiserin der Herzen“ ein eindrucksvolles Denkmal setzt. Bei der Uraufführung im Kleinen Theater Bad Godesberg eröffnet sich dem Publikum nun ein Einblick in eine geradezu legendäre Gestalt, die weit vielschichtiger ist, als es die berühmten Verfilmungen aus den 50er Jahren erahnen lassen.
Elektro-Klänge wabern durch den Raum, verdichtet durch rhythmische Klopfgeräusche auf Tonnen und Trommeln. Darüber eine Stimme, die Sprachspuren folgt, mal assoziativ und dann wieder deskriptiv Alltagsgegenstände und philosophische Reflektionen aufnimmt und diese geschickt in Worte kleidet. Es entsteht ein verbaler Sog, ein lexikalischer Strudel mit bemerkenswerter Kraft, den Schauspielerin Bettina Marugg bei ihrer Spoken-Word-Performance „Female Alphabet“ im Theater im Ballsaal zu lenken versteht. Unterteilt durch die alphabetischen Reihungen der Schweizer Komponistin Annette Schmucki und ausgehend von Auszügen aus Getrude Steins „Tender Buttons“ nimmt sie sich Gedichte und Rap-Beiträge zeitgenössischer schweizerischer und englischsprachiger Künstlerinnen zur Brust und sorgt zusammen mit Elektro-Künstlerin Annie Rüfenacht und Perkussionist Christoph Brunner für eine ungewöhnliche Erfahrung.
Ohne Fred Kellner würde es den Soul nicht geben. Zumindest nicht in der Form, in der ihn sein Publikum liebt und schätzt. Immerhin hat Kellner der Legende nach einst sämtliche Super-Hits der 50er, 60er und 70er Jahre persönlich geschrieben, bevor er sie für einen Hungerlohn an diverse Gruppen und Solo-Künstler verkaufen musste. Doch wie jeder Musikliebhaber weiß, ist das Original einfach unschlagbar. Und das seit nunmehr 30 Jahren. In der Harmonie hat Fred Kellner nun mit Fred Kellner, Fred Kellner, Fred Kellner, Fred Kellner, den Horny Horny Horny Horns, den SuperSonic Silver Strings und natürlich der atemberaubenden Soulsister Susanne Geburtstag gefeiert – und einmal mehr die Menge in Ekstase versetzt.
Unten der Stuhl, oben der obligatorische Cordhut – und dazwischen die Wahrheit. Oder zumindest Schnipsel derselben, die in der Bonner Oper nur so aus dem Mund von Erwin Pelzig purzeln. Denn was ist schon die Wahrheit, gerade im postfaktischen Zeitalter, in dem man auch schon mal das Publikum fragen sollte, ob es noch mehrheitlich an die Schwerkraft glaubt? Ist doch ohnehin alles Ansichtssache beziehungsweise eine Glaubensfrage. Mag ja sein. Andererseits versteht es der Franke, der vielen noch aus „Neues aus der Anstalt“ ein Begriff sein müsste, derart eloquent und tiefsinnig die gesellschaftspolitischen Probleme zu diskutieren, dass man ihm einfach nur zustimmen kann. Ihm, dem Träumer, der sich durchaus noch eine bessere Welt vorzustellen vermag, zugleich aber mit der Realität konfrontiert wird und sich als einer ihrer besten Kritiker entpuppt.
Ein bisschen mehr Glitzer und Glamour wären aus Sicht von Konrad Beikircher schon schön gewesen. Wenn man schon ein 500-Jahr-Jubiläum wie das der Geburtsstunde der Reformation durch Martin Luthers Thesenanschlag feiert, dann aber bitte richtig. Andererseits, was kann man von den Protestanten schon erwarten? Die haben ja keinen Spaß! Sagt zumindest Beikircher, seines Zeichens (zugezogener) Vorzeige-Rheinländer und zugleich Experte in allen Belangen des „falschen“ und „normalen“ Glaubens. Also rechnet er im Haus der Springmaus genüsslich mit der evangelischen Kirche ab – und deckt so ganz nebenbei unter dem Deckmäntelchen der charmanten Anekdoten einige unbequeme Wahrheiten über die katholische Geschichte auf.
Ein Sturm tobt über Wuthering Heights. Ein Orkan aus Emotionen, dunkel und kaum zu bändigen. Hasserfüllte Winde jagen über die Hochmoore, zerren am Hause Earnshaw, wollen es in Stücke reißen, es endgültig auszulöschen. All das nur wegen einer unerfüllten Begierde. All das nur wegen Heathcliff. Das Findelkind, das sich nach seiner Stiefschwester Catherine verzehrt, seiner Seelenverwandten, die ihn ebenso liebt und ihn doch immer wieder zu Gunsten des Gutsbesitzers Edgar Linton zurückstößt, bis für Heathcliff nur noch die Rache übrigbleibt. Und zwar eine, die sich über zwei Generationen und sogar über den Tod hinaus erstreckt.
Die Erwartungen an die 99. Ausgabe des WDR Kabarettfests im Bonner Pantheon sind hoch. Klar, bei den Gästen. Urgestein Matthias Deutschmann, der junge Wilde Moritz Neumeier, das scharfsinnige Karacho-Duo Onkel Fisch sowie Chef-Vorleser Frank Goosen sind in der Regel Garanten für brillantes Kabarett auf hohem Niveau, politisch, gesellschaftskritisch und wortgewandt. Beste Voraussetzungen also für einen spannenden Abend. Doch aus irgendeinem Grund wird alles ein bisschen anders. Nicht schlecht, keineswegs, aber auch nicht so, wie es hätte sein können. Es fehlt jener ominöse Funke, jener Impuls, mit dem der Künstler sein Publikum vollständig in seinen Bann zieht.
Eigentlich will Parzival Pech (Matthias Breitenbach) nur helfen. Einfach nur ein kleiner Funke der Freundlichkeit und Menschlichkeit in einer immer egoistischeren Welt sein. Er ist der gute Geist der Nachbarschaft, der immer einen Stabmixer zur Hand hat, rechtzeitig vor der Fußball-Übertragung das Internet reparieren kann und alle in seiner Umgebung mit selbst gebackenem Brot und Kuchen versorgt. Eine treue Seele, die sich gerne ausnutzen lässt und genau deswegen auch geduldet wird. Bis er auf Irma Pfeifer (Lydia Stäubli) trifft. Das Jugendamt hat der jungen Mutter ihre Tochter weggenommen, angeblich weil sie nicht oft genug warm gekocht hat. Ein Skandal, meint Pech, stürzt sich in den Kampf gegen diese Ungerechtigkeit – und bringt damit nicht nur seine Nachbarn gegen sich auf.
Im Jenseits sind sich alle einig: Die Geisteswissenschaften an der Universität Bonn müssen erhalten bleiben. Eine Streichung zu Gunsten eines Zentrums für Künstliche Intelligenz, wie aus der Welt der Lebenden kolportiert wird? Undenkbar! Ein Skandal! Nein, an der Philosophischen Fakultät will wirklich keiner der Teilnehmer dieser Krisenkonferenz im Jenseits rütteln. Die ehrwürdigen Alumni der Universität, die in diesem Jahr immerhin ihren 200. Geburtstag feiert, lassen keinen Zweifel daran, dass sie das nicht ohne Gegenwehr akzeptieren würden. Ein Aufstand großer Geister droht. Und auch wenn es sowohl über den richtigen Lösungsweg als auch über den Fortbestand der ebenfalls betroffenen theologischen Fakultäten Dissens gibt – nicht zuletzt aufgrund der Anwesenheit von Karl Marx und Friedrich Nietzsche –, gehen die verschiedenen Plädoyers doch letztlich alle in die selbe Richtung.
Drei Künstler, eine Mission: seit mehr als einem Jahrzehnt schickt das Plattenlabel Ruf Records regelmäßig Blues-Musiker auf Tour, die die Liebe für den Zwölftakter leben und verbreiten wollen. Für junge, aufstrebende Talente ist die Blues Caravan eine ideale Gelegenheit, um auf sich aufmerksam zu machen und neue Fans zu gewinnen. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Denn neben der elektrisierenden Vanja Sky, die in ihrer Heimat Kroatien bereits ein Star ist und nun auch im restlichen Europa durchstarten möchte, stehen mit Mike Zito und Bernard Allison zwei etablierte Saiten-Magier auf der Bühne, die mit ihren eigenen Bands immer wieder Clubs wie die Bonner Harmonie füllen. Umso bemerkenswerter ist es, sie nun gemeinsam auf der Bühne zu erleben – zumal der kollektive Blues-Erguss mehr ist als die Summe der einzelnen Teile.
Zwei, drei, Cha Cha Cha, zwei, drei, Cha Cha Cha. Eigentlich ganz einfach. Noch ein bisschen Schwung, schon tanzt sich Luigi Boccherinis G-Dur-Menuett von ganz alleine. Warum auch nicht? Man muss nur verbinden, was historisch gesehen nicht zusammengehört, aber hervorragend zusammenpasst. Und das kann niemand so gut wie Klazz Brothers & Cuba Percussion. Das Quintett hat in der Philharmonie Köln soeben erfolgreich eine kleine Tanzstunde für alle Crossover-Liebhaber gegeben, hat Latin-Rhythmen und barocke Musik kombiniert und sogar ein paar Zuschauer gefunden, die die Schrittfolgen auf der Bühne oder auch in den Gängen umzusetzen versuchen. Inzwischen ist es schon wieder woanders, nimmt sich des Tangos an, der auf einmal eine ganz unerwartete Färbung aufweist – und den man, ebenso wie die Klassik, durch das Spiel der Klazz Brothers tatsächlich neu erlebt.
Verklärte Bilder? Findet Wiebke Eymess toll. Süße Tiere in einer Landlust-Idylle, ein gemütliches Haus mit großem Garten und natürlich einem Apfelbaum, fertig ist das Paradies. Genau das Richtige also für die verträumte Öko-Kabarettistin und ihren Partner Friedolin Müller, die andere Hälfte des zuletzt im Pantheon auftretenden Duos „Das Geld liegt auf der Fensterbank, Marie“. Dort, wo höfliche Spinnen anklopfen und sich einer Größenkontrolle unterziehen, bevor sie ins Haus kommen, und wo Stubentiger auf Dosenfutter und Katzenstreu verzichten können und somit eine bessere CO2-Bilanz aufweisen als in der Stadt, ist die Welt eben noch in Ordnung. Oder? Wenn es doch nur so einfach wäre. Friedolin ist auf jeden Fall nicht überzeugt – und versucht, seiner Wiebke in neckischen Diskussionen immer wieder Contra zu geben. Was nur selten klappt. Aber immer amüsant ist.
Überall Baustellen und kein Ergebnis: So langsam reicht es dem Papperlapapp-Ensemble. Seit nunmehr neun Jahren versucht Bonns kreativste und populärste Kinderkarnevalssitzung, die in der stolzen Tradition des Pink Punk Pantheon steht und dieser hinsichtlich Pointen und Dramaturgie mitunter durchaus das Wasser reichen kann, die Pänz an die Macht zu bringen. Irgendwer muss ja schließlich das Chaos aufräumen, das in der Bundesstadt herrscht, und wer wäre besser dafür geeignet als die zukünftigen Generationen? Wenn man denen schon den globalen Klimawandel überlässt (auch wenn sie beim Weltklimagipfel nicht mitreden durften), sollte man ihnen auch zutrauen, etwas gegen marode Schulen und einen zunehmenden Abbau der Kulturlandschaft zu unternehmen. Die Papperlapappen wären auf jeden Fall willig – aber sie dürfen nicht. Von diesem Missstand haben sie die Nase voll, tauchen ab und gehen in den Endenicher Untergrund.
Hinterm Zirkuszelt ist Schluss mit lustig. Zumindest wenn es nach Direktor Hamilton Gomez (Michele Chen) geht, einem lauten, cholerischen Sklaventreiber, der direkt aus einem Fellini-Film entsprungen sein könnte. Dumm nur, dass Artisten im Allgemeinen und das Ensemble der GOP-Show „La Luna“ im Besonderen neben harter Arbeit auch ein bisschen Spaß haben wollen. Zumal die Truppe ohnehin aus ziemlich seltsamen Vögeln besteht, die mit normalen Regeln ohnehin nicht viel anfangen können. Chaos ist somit vorprogrammiert – und verspricht jetzt auch in der Bonner Dependance des großen Varieté-Theaters einige unterhaltsame Abende.
Gegen Ende des Abends ist das Publikum klatschnass. Eine Wasserflasche nach der anderen hat Schauspieler Kiryl Masheka gerade über den Besuchern der Harmonie entleert, eine provokante, aufgezwungene Taufe zur Aufnahme in die Armee der Pussy Riots. Das Punk-Kollektiv, das 2012 die Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale stürmte und durch ihren Protest gegen die Verstrickung zwischen dem russischen Klerus und Präsident Wladimir Putin weltweit berühmt wurde, kann einfach nicht anders. Protest braucht Aufmerksamkeit, und die erlangt man nun einmal am ehesten mit extremen, überraschenden, verstörenden Aktionen. Auch wenn die mitunter Konsequenzen haben, wie Pussy Riot nur zu gut weiß.
Die Gangsterkatzen waren der letzte Beweis. „Ich bin deutscher, als ich dachte“, gesteht Pu rückblickend und erinnert sich im Haus der Springmaus an jenen Tag in Teheran, als ein Rudel Straßentiger ihm dreist eines seiner drei Baguettes stahlen, die den Comedian über den Mangel an gutem Kornbrot hinwegtrösten sollten. Emotional essentielle Ware – und dann lässt Pu sich derart abziehen. Kein Iraner hätte das mit sich machen lassen. Und auch kein Kanake. Nur eine Kartoffel.
Zugfahrten, Warp-Träume und Katzen bestimmen den Abend. Und klingende Saiten. Die des Flügels, der im Kammermusiksaal des Beethovenhauses schon von vielen Musikern gespielt wurde und jetzt unter Rainer Böhms Fingern zum Leben erwacht, und die von Norbert Schollys Gitarre. Das Jazz-Duo, das im Rahmen der Reihe „Aspekte“ in dem Halbrund zu Gast ist, wartet tatsächlich mit einer eher ungewöhnlichen Besetzung auf, besteht doch oft die Gefahr, dass eines der beiden Instrumente nicht zu seinem Recht kommt. Doch bei diesen beiden Virtuosen ist das kein Problem: Kraftvoll greift Scholly in die Saiten, geschickt setzt Böhm dem sein eigenes Spiel entgegen, und schon entsteht ein Dialog der besonderen Art, einer, der mehr ist als die Summe der einzelnen Teile.
Eigentlich gibt es derzeit keine bessere politische Kabarettistin als Anny Hartmann. Ihre Programme bestechen durch Tiefgang und sorgfältige Analysen, geprägt von genauem Hinschauen statt von oberflächlichen Stammtischparolen. Umso erstaunlicher ist es, dass die 47-Jährige ausgerechnet beim Jahresrückblick schwächelt, jener Paradedisziplin, in der endlich mal mit allem abgerechnet werden kann, was man in zwölf Monaten einfach nicht angemessen kommentieren konnte. AfD, Trump und Erdogan, Fake News und #metoo, G20-Ausschreitungen, Staatstrojaner und der Niedergang der SPD – so viele Themen und so wenig Zeit. Und natürlich kann Hartmann sich zu allem äußern, mitunter sogar einige vermeintliche Wahrheiten dekonstruieren. Dennoch ist sie zumindest im restlos ausverkauften Pantheon nicht so recht in Form: Sie zwingt dem Publikum ihre Pointen förmlich auf, statt einfach auf ihre Wirkung zu vertrauen, setzt auf gekünstelte Gags statt natürlicher Bissigkeit, polemisiert mitunter sogar und wirkt immer wieder fahrig statt konzentriert. Inhaltlich gut, keine Frage. Doch in der B-Note gibt es dafür Abzüge.
Ohne die Nasenflöte geht an diesem Abend nichts. Das Lieblingsinstrument von Pasquale Aleardi, nach eigener Aussage „das beste Mittel gegen Anti-Depressionen“, ist gewissermaßen das Maskottchen des unglaublich charmanten Konzerts, das der beliebte Schauspieler (bekannt unter anderem als Kommissar Dupin) zusammen mit seinen beiden Phonauten Jörg „Spike“ Hamers und Marc „Mary“ Leymann in der Harmonie gibt. Immer wieder wird es herausgeholt, auch gerne im Publikum verteilt, damit es die Freuden des gemeinsamen Musizierens hautnah miterleben kann, die Aleardi und seine Kollegen auf der Bühne in vollen Zügen genießen. Ein bisschen Spaß muss eben sein. Und der ist dank des sympathischen Trios garantiert.
Mathias Bommes macht alles kaputt. Mal wieder. Dabei will der unschuldige Chaot, der Gutes will und stets den Schrecken schafft, doch nur seinem großen Idol Andy Roth nah sein, diesem Schlagersänger mit der Rock-Attitüde, dessen großer Hit „Ketten der Liebe“ für Bommes und den von ihm geleiteten Hardcore-Fanclub wichtiger ist als „Atemlos“ für all die modernen Fischer-Chöre. Immerhin ist das die Musik zum Pulsschlag ihrer Leben. Also versucht die liebenswert-debile Nervensäge, seinem Star all dies zurückzugeben. Ob der will oder nicht. Was dazu führt, dass die Managerin und heimliche Geliebte angesichts einer unfreiwillig offenbarten Affäre Roths mit einer Minderjährigen das Handtuch schmeißt, dieser sich plötzlich mit Handschellen an die junge Jessy gefesselt sieht, sich sowohl deren eifersüchtigen Freundes als auch einer neugierigen Reporterin erwehren muss – und so ganz nebenbei auch noch Bommes am Hals hat.