Natürlich geht’s ums Geld. Geht es doch immer. In Zeiten maroder Staaten und Städte muss überall gespart werden. Im Olymp, wo Finanzmonster Schäuble die Donnerkeile des Zeus durch Taschenlampenblitze ersetzt und auch vor der Hydra nicht halt macht (neun Köpfe für eine Schlange – manche mögen das effizient nennen, der teutonische Vollstrecker spricht dagegen von Verschwendung), in Kino und Theater, wo die Geschichten von Jesus und Ben Hur kurzerhand parallel von ein paar Reinigungsfachkräften inszeniert werden, und bei vielen weiteren Nummern des Pink Punk Pantheon.
Immer wieder diese hypnotisierenden, treibenden, pulsierenden Schamanen-Toms. Massig im Klang, drängend, beschwörend, bindend. Der neue Herzschlag von New Model Army dröhnt beim traditionellen Kölner Weihnachtskonzert durch das Palladium, zieht das Publikum in seinen Bann, lässt die Jünger in den wilderen Momenten ekstatisch auf und ab springen und bringt sie dann wieder zur Ruhe, um den kryptisch-poetischen Worten ihres Independent-Propheten zu lauschen. Lohnt sich: Justin Sullivan, Gründer, Frontmann und Seele der Army, hat nichts von seinem Charisma eingebüßt, ist das stimmliche Äquivalent zu den Trommeln.
Die Schönheit dieser Welt ist vielfach nur Fassade, Schmerz, Leid und Pein liegt unterm Sonnenschein. Und Hannes Wader singt dazu die Lieder, lässt bittere Texte scheinbar harmlos sein. Im nahezu ausverkauften Brückenforum zeigt sich der alte Barde nun so scharfzüngig wie schon lange nicht mehr, klimpert zwar, allzeit wohlgemut, heitere Melodien auf seiner Gitarre, setzt aber inhaltlich oftmals den Kontrapunkt. Das Mittelmeer mit seinen weißen Touristenstränden wird da für manchen zum Alptraum, hinter der Fassade des urigen Gutshofs lauern Nazis und Kinderschänder. Die Idylle wird zur Bedrohung – und Wader einmal mehr zum sanft singenden Mahner, der musikalisch eben jene Illusion schafft, die er dann mit seinen Versen elegant dekonstruiert.
Vielfalt macht Eindruck: 150 Jahre umspannte das Programm, dass das Baltic Sea Youth Philharmonic (BSYP) unter der Leitung von Kristjan Järvi am vergangenen Freitag im Rahmen des Beethovenfests präsentierte, fünf der an die Ostsee angrenzenden Länder waren vertreten und ebenso viele musikalische Formen. Ein eindrucksvolles Statement eines jungen Orchesters, das sich als neue Stimme des Nordens versteht und dessen Instrumentalisten jedes Jahr neu ausgewählt werden. Dabei setzten zwei Einzelpersonen in der Beethovenhalle starke Akzente: Pianist Jan Lisiecki, der in Edvard Griegs Klavierkonzert in a-Moll mit meisterhafter Brillanz überzeugte, und Kristjan Järvi, sowohl optisch als auch kinetisch der John Travolta des Dirigentenpults, der seine Zöglinge leidenschaftlich zu immer neuen Höhenflügen motivierte.
Schatten sind faszinierend. Sie sind da, ohne zu sein, Illusion und Projektion, dabei aber nicht statisch, sondern immer formbar. Aus dem Abbild eines Menschen können so Palmen, Frösche, Autos oder andere Figuren werden – zumindest wenn die Körperkünstler des Schattentheaters „Die Mobilés“ sich ihrer annehmen. Auf Einladung des Hauses der Springmaus zeigten sie in der Bonner Oper Wandelbarkeit in Perfektion. Ihr Programm: Ein Flickenteppich aus szenischen Fragmenten, eine Schlagwortsammlung voller Fantasie und Witz, kreativ und meisterhaft umgesetzt. Nur leider ohne einen durchgehenden roten Faden. Und ohne Magie.
Die erste bedrohlich wirkende Gewitterfront, die mit ihrer Ufo-Form ein wenig an „Independence Day“ erinnert, kommt heran, wirbelt Wind und Wolken auf und bleibt doch letztlich folgenlos. Göttliche Intervention oder vielleicht einfach nur Glück für die gut 20.000 Fans, die sich auf den von Fressbuden gesäumten Vorwiesen des Rhein-Energie-Stadions versammelt haben, um Pop-Prediger Xavier Naidoo zu huldigen – immerhin läuft das Konzert gerade einmal eine Viertelstunde, trotz einiger erster Hits wird der bekannteste Sohn Mannheims erst so langsam warm. Das Publikum auch: Nico Suave, der im Vorprogramm ein paar Stücke zum Besten gab, war trotz der Unterstützung von Flo Mega bei seinem Lied „Du bist ein Gedicht“ als Anheizer gescheitert, konnte mit schwachen Texten in schwachem, zum Beat nicht passenden Rap kaum Stimmung aufbauen, musste die für Hip Hop typischen auf und ab wippenden Hände immer wieder mühevoll einfordern und brachte die Menge eben nicht, wie er such eigentlich gewünscht hatte, zum Durchdrehen. Das schafft nur Xavier. Warum auch immer.
Fröhliche, aufmunternde Schlager von Liebe und Gelassenheit bestimmen das Bild, das TiCorn in der Brotfabrik von Haiti zeichnet. Die Sängerin, in ihrer Heimat eine der beliebtesten Interpretinnen kreolischer Folksongs, setzt auf Sonnenschein, Hochzeiten und Pilgerfahrten, lässt Kolibris schwirren und Eselshufe in idyllischen „Plakatap“ über die Straßen klappern. Klingt paradiesisch, auch wenn TiCorn extra den Unterschied zwischen der Karibik-Insel und dem polynesischen Tahiti betont. Doch schwere Zeiten spielen an diesem Abend lediglich eine untergeordnete Rolle.
Gegensätze ziehen sich an – nach diesem Motto veranstaltet der WDR in der Harmonie seit Jahren das Crossroads Festival als Nachfolger des legendären Rockpalasts. Möglichst unterschiedliche Bands treten in vier Doppelkonzerten auf, mal direkt aufeinanderprallend, mal in Personalunion ein Kontrastprogramm zu den anderen Tagen aufbauend. So auch wieder in der vergangenen Woche: Da trafen manisch depressive Noir-Americana-Gitarristen mit monotoner Nick-Cave-Attitüde (New Desert Blues) auf Gute-Laune-Punkpop-Formationen aus Düsseldorf (Angelika Express), ergänzten sich niederländische Neo-Folker im kreativ-atmosphärischen Klanggewand im Stil der Fleet Foxes (Mister & Mississippi) und Songwriter mit schmückendem Beiwerk (Honig), trafen Akustik-Country-Punker (Tim Vantol) auf Hardcore-Verwüster (John Coffey). Eine an sich reizvolle Mischung. Doch erst am dritten Abend kam der gewohnte Crossroads-Applaus auf, die enthusiastischen, nicht enden wollenden Zugabe-Rufe. Dank Tim Vantol.