Im Alter wird man ruhiger, heißt es. Ein Vorurteil, wie viele altgediente Rockmusiker täglich beweisen, die auch mit 60 oder 70 noch herrlich Gas geben und virtuos über die Saiten oder die Tasten jagen können. Wenn sie das denn wollen. Doch Klaus Heuser hat dazu derzeit offenbar keine allzu große Lust. Der „Major“, der selbst zwei Jahrzehnte nach seinem Ausstieg noch immer zuerst als Ex-BAP-Gitarrist vorgestellt wird und dabei so viel mehr zu bieten hat, lässt es mit seinem aktuellen Album „And Now?!“ deutlich entspannter angehen, ruhiger, wandert eher im Pop als im Rock und sorgt doch bei seinem, Konzert in der Harmonie für einen bemerkenswerten Abend. Denn nur weil er das Tempo reduziert, heißt das nicht, dass die Musik dadurch eintönig wird. Zumindest nicht, wenn des Majors Band zu improvisieren beginnt.
An diesem Abend sind negative Gedanken unerwünscht. All die Sorgen soll das Publikum einfach zu einem Bündel zusammenschnüren und hinter sich werfen, um voller Freude in die Weihnachtstage starten zu können. Und wer dazu noch einen zusätzlichen Ansporn braucht, dem helfen die Slapstickers nur zu gerne weiter. Zum zehnten Mal in Folge ist die Band aus Brühl im Dezember in der Harmonie, um auf ihre ganz eigene Weise auf das Fest der Liebe einzustimmen – also mit fetzigen Grooves, Energie für eine ganze Horde von Duracell-Häschen und natürlich jeder Menge Ska.
Kubanische Musik? Da denken die meisten Deutschen wahrscheinlich zuerst an den Buena Vista Social Club, jenes inzwischen legendäre Projekt des amerikanischen Gitarristen Ry Cooder und diverser Altmeister der Insel. Doch auch die jüngeren Generationen führen diese Musik inzwischen fort und setzen dabei eigene Akzente, wie jetzt Sängerin Olvido Ruiz Castellanos und Pianistin Lazara Cachao López bei einem schönen Abend in der Harmonie unter Beweis gestellt haben. Die Tochter der „Grande Dame de Son“ und die Erbin von Social-Club-Gründer und Bassist Orlando „Cachaíto“ López brachten die Danzóns und Cha Cha Chas ihrer Heimat mit viel Gefühl und dem nötigen Feuer auf die Bühne, die Lebendigkeit der Straßen Havannas und die Leidenschaft für die Musik, die dort allgegenwärtig zu sein scheint.
Das Losglück ist dem Publikum hold, an diesem besonderen Abend in der Harmonie. Gleich zu Beginn „Halt dich an meiner Liebe fest“ und „Mrs Robinson“, das muss man erst einmal ziehen. Immerhin befinden sich angeblich rund 120 Titel in dem Stoffbeutel, den Jan Plewka immer wieder in die Menge trägt, 120 aus insgesamt 372 Songs im Repertoire des Selig-Frontmanns und seines langjährigen Weggefährten Marco Schmedtje. Und dann schon am Anfang zwei Hits zum Mitsingen – das kann ja ein lustiger Abend werden. Wird es. Ein Fest für die Ohren, angefüllt mit Simon & Garfunkel, Ton Steine Scherben, Rio Reiser und Stücken aus Plewkas eigener Feder. Fast zweieinhalb Stunden Genuss, dank zweier exzellenter Musiker. Und einem Saal voller Glücksfeen.
Wenn Kölner Gute-Laune-Musik auf Alpen-Techno trifft und Trompeten, Posaunen und Tuba jenseits aller Bierzelt-Seligkeit für Stimmung sorgen, kann dies nur eins bedeuten: Querbeat trifft auf LaBrassBanda. Womit eigentlich alles gesagt wäre. Denn dass bei dieser Kombination eine Party der Extraklasse entsteht, dürfte jedem klar sein, der schon einmal eine oder gar beide Formationen aus nächster Nähe erleben durfte. Auf dem KunstRasen haben sich die beiden Brass-Pop-Formationen an diesem Samstagnachmittag nun zu einem Doppelkonzert im Sonnenschein verabredet und gut 8000 Menschen das Wochenende versüßt. Hochgeschwindigkeits-Blasmusik, Funk, Gypsy, Samba, Ska, Pop und eine guten Dosis Tschingderassabum lassen einfach niemanden kalt. Dafür macht die Mischung viel zu viel Spaß.
Was für ein Kontrast: Einen Abend zuvor stand mit Tom Jones ein altgedienter Superstar auf der Bühne des KunstRasens, einer, der schon alles erreicht hat – und jetzt, dank einer 20-minütigen Verspätung knapp 23 Stunden später, stürmt eine 20-jährige Blondine mit jeder Menge Glitter im Gepäck ins Rampenlicht und begeistert ein Publikum, das ungefähr doppelt so groß, fünfmal jünger und sicherlich zehnmal lauter ist. Zugegeben, ein nicht unerheblicher Teil der gut 4000 Besucher besteht aus Eltern, die verzweifelt versuchen, ihre frenetisch jubelnden Kinder vor einem frühen Herzanfall zu bewahren, doch selbst diese wippen bei den Jugendpop-Songs von Lina Larissa Strahl unweigerlich mit.
Diese Präsenz ist einfach einzigartig. Was für eine Intensität, was für eine Stimme. Volltönend und trotzdem erdig, eindringlich und ehrlich. Es ist Blues in Reinform, den Big Daddy Wilson da in die Harmonie entlässt, feine Zwölftakter voller Inbrunst und Leidenschaft und jener ganz besonderen Wehmut, die die Essenz dieser Musik bildet. Sie klingen, als hätte er nie etwas anderes gesungen – dabei hat Wilson den Blues erst spät kennengelernt und in der Fremde, hier in Deutschland, während seiner Zeit bei der US Army. „Ich wusste vorher gar nicht, was das war“, sagt er gerne. „In meiner Jugend habe ich Musik nur aus der Kirche und aus dem lokalen Country-Radio-Sender gekannt. Und dann war ich auf einem Konzert. Dort habe ich einen Teil von mir gefunden, der viel zu lange verloren war.“
Veränderung ist schädlich. Weiß doch jeder. Der Mensch ist nun einmal ein Gewohnheitstier und verlässt sich im Leben lieber auf Bewährtes als auf Unbekanntes. Für Urban Priol ist das ein paradoxer Vorteil, immerhin kann er sich gerade deswegen seit nunmehr 35 Jahren auf der Bühne darüber aufregen, dass sich nichts ändert und immer noch die selbe Bräsigkeit die Politik regiert wie 1982. Damals hat er angefangen, zusammen mit Helmut Kohl, dessen Bequemlichkeit und dessen Sitzfleisch ein Eigenleben in Form von Angela Merkel entwickelt hat. Auf beide hat Priol sich eingeschossen, sie sind seine Feindbilder, der Dicke und die Mutti. Anlässlich seines Bühnenjubiläums rechnet er kurzerhand mit beiden ab – unter anderem auch im Haus der Springmaus.