Fröhliche, aufmunternde Schlager von Liebe und Gelassenheit bestimmen das Bild, das TiCorn in der Brotfabrik von Haiti zeichnet. Die Sängerin, in ihrer Heimat eine der beliebtesten Interpretinnen kreolischer Folksongs, setzt auf Sonnenschein, Hochzeiten und Pilgerfahrten, lässt Kolibris schwirren und Eselshufe in idyllischen „Plakatap“ über die Straßen klappern. Klingt paradiesisch, auch wenn TiCorn extra den Unterschied zwischen der Karibik-Insel und dem polynesischen Tahiti betont. Doch schwere Zeiten spielen an diesem Abend lediglich eine untergeordnete Rolle.
Gegensätze ziehen sich an – nach diesem Motto veranstaltet der WDR in der Harmonie seit Jahren das Crossroads Festival als Nachfolger des legendären Rockpalasts. Möglichst unterschiedliche Bands treten in vier Doppelkonzerten auf, mal direkt aufeinanderprallend, mal in Personalunion ein Kontrastprogramm zu den anderen Tagen aufbauend. So auch wieder in der vergangenen Woche: Da trafen manisch depressive Noir-Americana-Gitarristen mit monotoner Nick-Cave-Attitüde (New Desert Blues) auf Gute-Laune-Punkpop-Formationen aus Düsseldorf (Angelika Express), ergänzten sich niederländische Neo-Folker im kreativ-atmosphärischen Klanggewand im Stil der Fleet Foxes (Mister & Mississippi) und Songwriter mit schmückendem Beiwerk (Honig), trafen Akustik-Country-Punker (Tim Vantol) auf Hardcore-Verwüster (John Coffey). Eine an sich reizvolle Mischung. Doch erst am dritten Abend kam der gewohnte Crossroads-Applaus auf, die enthusiastischen, nicht enden wollenden Zugabe-Rufe. Dank Tim Vantol.
War der erste Abend des WDR Crossroads-Festivals in der Harmonie noch von einem starken Kontrastprogramm geprägt, zeigt sich der zweite ausschließlich von einer experimentellen, aber grundsätzlich ruhigen Seite. Sowohl Mister & Mississippi als auch Honig setzen auf Balladen mit Extras, auf Neo-Folk im Stil der Fleet Foxes, auf gemächliche, atmosphärische Songs, die ohne weiteres akustisch funktionieren würden, durch effektvolle E-Gitarren, Synthi-Sounds und ähnliches aber noch einmal aufgepeppt werden.
Selten waren Licht und Schatten beim WDR Crossroads-Festival in der Harmonie so klar verteilt wie am vergangenen Mittwoch: Auf der einen Seite der düster-melancholische, unerbittlich monotone Indie-Noir-Rock von New Desert Blues, auf der anderen der gute-Laune-Punkrock der Düsseldorfer Formation Angelika Express. Tiefes Schwarz gegen grelles Neongelb, viel mehr Kontrast geht kaum. Und Neongelb gewinnt. Zum Glück.
Ja, der Hastenrath, der kennt sich aus. Ist ein echter Kosmopolit. Der war schon in Leverkusen, Köln und Bonn (zuletzt sogar im Haus der Springmaus), besucht gerne Museen (allerdings lieber von außen als von innen), hat sich mit Buddhismus und Hinduismus beschäftigt... Ein Mann von Welt, der Hastenraths Will. Und doch bodenständig geblieben. Der letzte echte Landwirt in seiner Gemeinde, mit ner ganz engen Beziehung zu seinen Tieren. So was sympathisches...
Steine scheinen ein Faible von Gunzi Heil zu sein. So wie Moose, Stofftiere, Tierleichenmassen, Theater, Märchen und vieles mehr. Zu allem kann der schlaksige Badener mit der weißblonden Mähne, der jetzt im Pantheon Casino aufgetreten ist, etwas sagen, sollte das aber vielleicht nicht immer tun. Denn auch wenn es die neun Musen sind, die ihm ständig etwas ins Ohr flüstern, zeugen ihre Worte noch nicht von Qualität – zwischen einigen brillanten Texten finden sich vielmehr zahlreiche mehr oder minder ausbaufähige Fragmente, maue Gags und fahle Assoziationsketten.
Die Heimat des Pop liegt in Polen. Um genau zu sein in einer Plattenbausiedlung in Zabrze, wo Opa Popolski alle 128.000 Top-Ten-Hits selbst geschrieben und dann an windige Geschäftemacher verloren oder an aufstrebende Gruppen verschenkt hat, die wiederum die großartigen Pop-Polkas „nach der Strich und nach der Faden“ verhunzten. Doch keiner würde diese Wahrheit kennen, wenn seine Familie nicht seit gut zehn Jahren durch die Lande ziehen und die Menschen aufklären würde. Ein Ziel, das nun als erreicht gilt. Deshalb sind die Popolskis derzeit mit einem „Der Beste von der Beste“-Programm auf Abschiedstour. So auch im Bonner Brückenforum.
Es ist brechend voll in der Harmonie, als Henrik Freischlader die Bühne betritt. Er, der als einer der besten Blues-Gitarristen Deutschlands (und teilweise darüber hinaus) gilt und schon mit B.B. King, Johnny Winter und zuletzt Joe Bonamassa auf der Bühne stand, soll für einen großartigen Abend sorgen, soll ein gefühlvolles Solo nach dem anderen spielen, sich austoben und das Publikum mit hineinziehen in diesen Wirbel aus Blues und Rock, den der 31-Jährige inzwischen pflegt. Ein schöner Plan. Der aus verschiedenen Gründen nur bedingt aufgeht.
Sven hat ein Problem. Nun gut, eigentlich mehrere: Einen Schädel, der dröhnt wie eine Kathedrale, keine Erinnerung an die Feier zu seinem 40. Geburtstag, keine Kleider an seinem Blätterbett hinter dem Vorgarten-Busch – sowie eine zickige Madame, die ihren Lebenspartner ausgesperrt hat und mit Schweigen straft. Klingt wie die Ausgangssituation zu „Caveman“, dem am längsten aufgeführten Ein-Personen-Stück in der Geschichte des Broadway. Nur dass in diesem Fall besagte Madame den Namen Bruno trägt und Sven-Darsteller Nik Breidenbach weniger die Vorurteile zwischen den Geschlechtern analysiert als vielmehr die gegen Homosexuelle. Was ihm im Rahmen von „Cavequeen“, das nun erstmals im Pantheon zu sehen war, erstaunlich gut gelingt.
Es ist schmerzhaft für Lloyd Cole, seine Songs zu spielen. Weil sie Geschichten erzählen, die ihn selbst zum Teil schon lange beschäftigen. Aber auch, weil seine Finger noch ganz zart sind, wie er jetzt in der Harmonie gesteht. Also muss er leiden. Und das offenbar ganz bewusst. „Wenn meine Haut wieder wie Leder ist, kann ich keine Gitarre mehr ansehen. Dann mache ich Pause und gehe erst wieder auf Tour, wenn die Finger erneut weich geworden sind“, gesteht er. Konzerte als Selbstkasteiung also. „Aber macht euch keine Sorgen“, fügt er hinzu, „Ich bin ein harter Kerl“. Klingt vielversprechend.
Die Lässigkeit des Reggae traf auf die Virtuosität der französischen Musette – und das Publikum in der gut gefüllten Harmonie jubelte. Zu Recht: Winston McAnuff, der jamaikanische Roots-Veteran, und Fixi, der jeden Stil absorbierende Tastenzauberer, haben am vergangenen Sonntag zahlreichen Fans von Weltmusik und Ethno-Jazz mehr als nur ein bisschen Sonne geschenkt, Gelassenheit und Freude. Für die beiden Musiker ging das wie im Rausch: McAnuff tanzte immer wieder wie ein weiser Schamane über die Bühne, um dann wieder am Mikrophon mit rauer, kraftvoller, von Leidenschaft getränkter Stimme Beschwörungen zu singen, die Rasta-Locken fliegen zu lassen und gleich zu Anfang in gespielter Erschöpfung zu Boden zu sinken; und Fixi gab vor allem in seinen Soli richtig Gas, seine Finger auf dem Akkordeon zu Mini-Derwischen mutierend.
Endlich: Die Krönungsmesse von Queen Bey hat begonnen. Fette Beats dröhender Bässe, knapp bekleidete Tänzerinnen, ein ausrastendes Publikum, alles also, was man von einem Zweistunden-Konzert des Megastars Beyoncé erwarten kann. Für das erstes von nur zwei Deutschland-Konzerten der „Mrs. Carter Show World Tour“ Mk II in der Lanxess-Arena Köln haben besonders hartnäckige Fans schon seit 9 Uhr vor dem Eingang campiert, um ja möglichst weit vorne stehen zu können. Andere setzten auf ihr Glück, spendeten drei Euro für die Chance, kurz vor dem Auftritt der Hohepriesterin des modernen R&B noch direkt an den Bühnenrand geführt zu werden.
Lacher lassen sich mit Mythen und hinlänglich bekannten Klischees leichter erreichen als mit fundierten Fakten: Unter dieser Prämisse hat Sebastian Schnoy im Rahmen der Reihe „Neunmalklug“ im Haus der Springmaus zu einem wilden Ritt durch die europäische Geschichte eingeladen, zu einer Reise zu genialen Griechen, eitlen Römern, strohdummen Briten und nackten Germanen. Vor allem letztere zieht er als Vorgänger der Deutschen immer wieder heran, um bestimmte völkische Wesenszüge zu erklären, die Treue zu Führungspersönlichkeiten etwa oder die Angst vor der Burka, die einem anstürmenden Nudisten jeden Schrecken nehmen würde – was zur Landesverteidigung gegen angreifende Legionen früher jedoch unabdingbar gewesen sei.
Robotertänze, Zukunftsvisionen und Diskurse über Künstlichkeit und Menschlichkeit: Science-Fiction-Klassiker erfreuen sich derzeit am Theater Bonn großer Beliebtheit. Nach einer exquisiten Umsetzung von Fritz Langs „Metropolis“ hat in der Schauspielhalle in Beuel nun eine Bühnenfassung von Rainer Werner Fassbinders Film-Zweiteiler „Welt am Draht“ Premiere gefeiert, die die Realität – oder das, was wir als solche wahrnehmen – in Frage stellt. Beziehungsweise zu stellen versucht. Denn inmitten der teils verstörenden, teils grotesken Inszenierung des Regie-Duos Mirja Biel und Joerg Zboralski bleibt für ein Eintauchen in die philosophischen Aspekte dieser modernen Variante von Platons Höhlengleichnis kaum Zeit. Stattdessen liegt der Fokus auf der zunehmenden Verzweiflung des Protagonisten Fred Stiller, der beim Versuch der Unterscheidung zwischen Simulation und Wirklichkeit in einer immer hektischer und abstruser werdenden Welt an den Rand des Wahnsinns gelangt. Und sich schließlich nicht einmal über sich selbst im Klaren ist.
Teilweise bissig und teilweise billig: So könnte der Auftritt des Kabaretts „Leipziger Pfeffermühle“ im Haus der Springmaus umschrieben werden. Denn auf scharfzüngige Problemanalysen und bitterböses (leider etwas zu exzessives) Banken-Bashing folgte fast unweigerlich irgendein Kalauer oder ein überzogener Sketch über sächselnde Politessen, himmlische Hobby-Heimwerker oder die abnehmende Spermienqualität – schwache Momente in einem Programm, das diese eigentlich gar nicht nötig hätte. Zumindest wenn es sich selbst etwas ernster nehmen würde. Andererseits sind Engel auch nur Menschen. Mit Profilierungs- und Kaffeesucht.
So viele Songs und so wenig Zeit: Das scheinen sich die Produzenten der „Nacht der Musicals“ gedacht haben, die jetzt in der Beethovenhalle Bonn zu sehen war. Denn vor allem in der ersten Hälfte des Konzerts ratterten die Hits aus „Les Miserables“, „Phantom der Oper“, „Tarzan“ oder „Mamma Mia“ nur so vorbei, über 20 Titel in 50 Minuten. Gehetzte Fließbandarbeit. Und genau diesen Charme verströmte die Veranstaltung denn auch an einigen Stellen. An echtem Gefühl, an überzeugendem Spiel und Gesang mangelte es dagegen, nur einige Stücke konnten wirklich überzeugen – vor allem jene, bei denen sich die Sänger Zeit nehmen und überhaupt mal einen Spannungsbogen erzeugen konnten. Doch nach der Pause wurde es deutlich besser. Nicht zuletzt dank eines transsexuellen Transvestiten aus Transsylvanien.
Frieden und Ruhe gibt es nur unter Wasser. Keine Absurditäten, kein Klamauk gelangt auf den Meeresgrund, zu dem drei der vier Charaktere aus Juli Zehs Roman „Nullzeit“ in der Inszenierung des Theaters Bonn immer wieder hinabtauchen. Momente der Erholung in einer ansonsten sehr kontrastreichen 100-Minuten-Fassung, die am vergangenen Samstag unter den Augen der Autorin ihre Welturaufführung erlebte – eine wilde Mischung aus Psychodrama und Trash, aus tiefsinnigen Analysen und oberflächlichen Späßen. Ein gewagter Zug, der der sonst doch recht ernst erzählten Vorlage an manchen Stellen durchaus dienlich ist, sie allerdings auch der Lächerlichkeit preiszugeben droht. Denn während die Figuren des Stücks gerade durch diesen Kontrast an Fallhöhe gewinnen, setzen Regisseur Sebastian Kreyer und Bühnenautor Bernhard Studlar doch auf etwas zu viel Irrsinn. Lachgas pur in der Nullzeit. Hat Hypoxie zur Folge.
Gefangen in einer Traumwelt, gefesselt von Sehnsüchten und Familientreue, dem Wahn verfallen und der Hilflosigkeit ergeben, vegetieren sie dahin, die Hermanns aus Anne Leppers hochgelobter Groteske, die nun im Euro Theater Central unter der Regie von Konstanze Kappenstein auf die Bühne gebracht worden ist. Mutter Käthe, die Titelfigur des Stücks, sieht sich immer noch als große Ballerina und Vorbild einer ganzen Nation; der verkrüppelte Sohn Martin spricht andauernd von sich als heldenhaftem Beschützer Rocco; und Tochter Irmi wartet auf ihr offenbar nach einer Vergewaltigung empfangenes und dann ausgesetztes Kind, das irgendwann als Retter in der Not zu ihr zurückkehren werde.
Da liegt er, der arme reiche Jedermann, weinselig in seinem Rausch schlafend, während Gott und Tod links und rechts neben ihm sitzen, ihn für zu schwer befinden – und sein Leben zu einem Traum machen. Oder seinen Traum zu seinem Leben. Denn in der „Jedermann“-Inszenierung von Christoph Pfeiffer, die am vergangenen Mittwoch im Mini-Theater „Die Pathologie“ Premiere feierte, mutiert das Mysterienstück Hugo von Hofmannsthals zu einem grotesken Nachtmahr, in dem der namensgebende Großgrundbesitzer und Mammon-Jünger von mephistophelisch-calibanesken Mächten geplagt und beinahe um den Verstand gebracht wird. Ein reizvoller Ansatz, der sowohl die gekünstelte, mittelhochdeutsch gefärbte Sprache mit ihren bemüht gereimten Knittelversen als auch so manche Überzeichnung verzeiht.
Für einen Schlagzeuger ist alles ein Instrument. Fässer, Rohre, Leitern, Körperteile, sogar der Boden, alles hat einen individuellen Klang und legitimiert damit zum Draufschlagen. Das deutsche Quintett „Power Percussion“ hat diese von Pete York so geliebte Spielart perfektioniert – in der ausverkauften Bonner Oper haben sie nun ein Feuerwerk aus Licht und Rhythmus abgebrannt, das seinesgleichen sucht, ein wildes Zusammentreffen von Fleisch, Metall, Plastik und Holz, eine Performance im Stil von Stomp gemischt mit viel Witz und Leidenschaft.
Mein Freund, die Krake: So in etwa scharwenzelt Bernhard Hoëcker um Facebook herum, jenes „Instrument der Informationsgerechtigkeit“, das in der ehemaligen DDR wohl als Honeckers Poesie-Album gegolten hätte – und jetzt eben zu Hoëckers wird. Im Haus der Springmaus lässt sich der Bonner Comedian auf jeden Fall ausgiebig über das Thema aus, erklärt dem ahnungslosen Publikum das Konzept, demonstriert den Bau einer Seite, fordert dann den nun aufgeklärten Saal auf, sich im auf dieser auszutoben und merkt überhaupt nicht, dass diese erste halbe Stunde den Charme einer mäßigen Power-Point-Präsentation versprüht.
„Ich will doch nur die Wahrheit wissen“, schreit Dan. Aber klar. Selbstkasteiung nennt sich so etwas, geboren aus Misstrauen und Eifersucht. Denn natürlich bedeutet die Wahrheit auch zugleich den Zusammenbruch. Zumindest in Patrick Marbers Kammerspiel „Closer“, das die Bonn University Shakespeare Company (BUSC) am vergangenen Freitag erstmals in der Brotfabrik aufgeführt hat. Das emotional aufwühlende Bäumchen-Wechsel-Dich-Spiel zwischen dem Schriftsteller Dan (Tamer Afifi), der Stripperin Alice (Esther Takats), der Fotografin Anna (Beate Linnenkamp) und dem Dermatologen Larry (Chris Karpenchuk) lebt von der auf Täuschungen und Illusionen basierenden Liebe und deckt diese doch immer wieder schmerzhaft auf, Beziehungen zerreißend und die Figuren an den Rand des Abgrunds führend.
„Im 24. Jahrhundert gib es kein Geld. Der Erwerb von Reichtum ist nicht mehr die treibende Kraft in unserem Leben.“ Ein schöner Satz, mit dem Enterprise-Captain Jean-Luc Picard einer Besucherin aus dem 21. Jahrhundert die Föderation beschreibt, jenes Planeten-Kollektiv, das im Star-Trek-Universum für das Gute steht. Und eine Utopie, die unwahrscheinlicher kaum sein kann, wie die Convention „Destination Star Trek“ in der Messe Frankfurt am vergangenen Wochenende gezeigt hat. Denn während andere Treffen dieser Art auch immer das Eintauchen in fremde Welten ermöglichen, einen Zauber generieren, der so manche Geschäftemacherei mit der Leidenschaft der Fans zu übertünchen vermag, wurde bei dieser desaströs organisierten und konzipierten neuen Veranstaltung die Geldgier als treibende Kraft offenbar. Trekkies als Goldesel. Was für ein Spaß.
Eine Band ist mehr als die Summe der einzelnen Teile. Oder sollte es zumindest sein. Gut abgemischte Instrumente können sich ergänzen, können miteinander im Dialog stehen und so einen Klang erschaffen, der weit über die bloße technische Brillanz eines jeden einzelnen Bandmitglieds hinausgeht. Gelingt dies aber nicht, kann ein Konzert wie das von Lake in der Harmonie das Ergebnis sein. Die Gitarre blechern, der Bass zu leise, der Gesang oftmals bemüht: Vom einstigen Glanz der 1970er Jahre war der Auftritt der Band, die sich früher gerne mal mit Steely Dan vergleichen ließ, weit entfernt. Es fehlte an Druck, Leidenschaft, Authentizität – und einer ordentlichen Arbeit am Mischpult. Denn alles nur auf die Soli von Gitarrist Alex Conti abzustimmen, dient vielleicht diesem, nicht aber Lake.
Er war eine der strahlendsten Figuren des Modern Dance: Choreograph und Tänzer José Limón, zeitweilig ein Kollege der legendären Martha Graham an der Juilliard School, ein Ausnahmetalent mit einer ganz eigenen Formensprache, in der sich moderner Ausdruckstanz mit klassischen Ballett-Elementen verband. Die seinen Namen tragende Dance Company aus New York hat nun ihrem vor mehr als vier Jahrzehnten verstorbenen Meister gehuldigt und am vergangenen Mittwoch in der Bonner Oper vier Choreographien aufgeführt, die teils von Limón selbst erarbeitet wurden, teils von seinen Schülern. Eine bemerkenswerte, elegante, erzählende Würdigung.
Dass Piet Klocke etwas verwirrt wirkt, vieles an- und nichts zu Ende bringt, ist essentieller Bestandteil seiner chaotischen Bühnenfigur Professor Schmitt-Hindemith. Dass dies nun aber in die Realität ausstrahlt, ist neu – und eine ziemliche Frechheit obendrein. Denn das angekündigte „neue Programm“ des Komikers entpuppt sich im Bonner Pantheon als eine nur rudimentär polierte Kopie seines seit 2009 laufenden „Das Leben ist schön – gefälligst!“, bei der die wirklichen Innovationen an einer Hand abgezählt werden können.
Fernsehen kann dem Niveau also doch helfen. Zumindest wenn man dem Niewo-Meter glauben darf, das seit gestern Mittag auf der Bühne der Harmonie steht, aufgestellt von einem staatlich geprüften Experten (Lennart Kusch). Dieser will mit allen Mitteln (also auch mit TV-Unterstützung) verhindern, dass die Kinderstunksitzung „Papperlapapp“ in ihrer fünften Spielzeit in die Mittelmäßigkeit abrutscht. Soll ja bei Karnevalsveranstaltungen schon einmal vorkommen. Doch fast drei Stunden nach der erstmaligen Aktivierung des hochkomplexen Messgeräts dürfte feststehen: Mission erfolgreich. Mit Tusch und Sternchen!
Immer wieder scheint es, als gehören die beiden nicht zusammen: Während Pianist Bojan Zulfikarpašić (alias Bojan Z) sich in virtuosen Läufen auslässt, geht Star-Posaunist Nils Wogram eigene Wege, völlig losgelöst von den Tastenphantasien seines Duo-Partners, sowohl rhythmisch als auch harmonisch. Und doch – irgendwie sind die beiden Musiker, die hier im Kammermusiksaal des Beethovenhauses in ihrer eigenen Welt versunken scheinen, miteinander verbunden, sind sich nicht völlig fremd, kommen beide, wenn auch auf teils unterschiedlichen Routen, zum gesetzten Ziel. Ein faszinierendes Spiel, dass Wogram und Z im Rahmen der Reihe „Aspekte“ zelebrieren. Eines voller neuer Entdeckungen auf der an sich gut kartographierten Karte des Jazz.
„Don't you forget about me“ singt Jim Kerr. Es soll wohl eine Mahnung sein, seine „Simple Minds“ nicht einfach zum alten Eisen zu zählen. Hallo, wir sind auch noch da – diese unterschwellige Botschaft senden die Schotten schon seit einigen Jahren aus, zuerst mit ihrer 5x5- und jetzt eben mit ihrer Celebrate-Tour. Best-of-Programme, die es aber immer noch in sich haben, wie die Minds am vergangenen Freitag im Palladium in Köln unter Beweis stellen konnten. Die Mischung aus New Wave und Rock, mit fetten Synthi-Klängen über E-Gitarren-Riffs, kommt in der übervollen Halle hervorragend zur Geltung. Das Publikum ist gut drauf, Frontmann Kerr auch. „Ihr seid wunderbar, fantastisch, superkrass“, sagt er. Und verspricht: „We play everything – everything possible“.
Was kann man nicht alles auf dem Kopf balancieren: Schüsseln, Vasen, sogar riesige Bierbank-Konstrukte. Für die Mitglieder des Chinesischen Nationalcircus kein Problem. Im Reich der Mitte sind sie Stars, die Schlangenmenschen, Jongleure und Akrobaten, die regelmäßig durch Deutschland touren und das Publikum mit spektakulärer Körperbeherrschung faszinieren. In ihrer neuen Show „Shanghai Nights“ verschlägt es das Ensemble nun in eine Spelunke in jener Hafen-Metropole, in der in den 30er und 40er Jahren Ost und West aufeinanderprallten. An sich ein spannendes Konzept. Wenn nur die Dramaturgie zünden würde.
Das Leben ist ein Traum. Es muss ein Traum sein. Und zwar oft genug einer von der schlimmen Sorte. Anders ist dieser Wahnsinn nicht zu erklären, der vor allem in Deutschland herrscht: Überall Gesetze, Verordnungen und Einschränkungen, die dermaßen übertrieben sind, dass sie jeglichen Spaß am Leben nehmen. Das hat Dieter Nuhr, der am vergangenen Mittwochabend auf Einladung des Hauses der Springmaus mit seinem neuen Programm „Nuhr ein Traum“ in der Beethovenhalle gastierte, immer wieder offen gelegt, zur Freude der Zuschauer.
Was für eine Besetzung! Zum zehnjährigen Jubiläum der „Blues Caravan“ hat Organisator Thomas Ruf drei bemerkenswert unterschiedliche Künstler nach Deutschland geholt: Einen Duracell-Rock-'n'-Roll-Gitarristen auf Speed, einen Jüngling, der ohne Mühe Johnny Lang beerben kann, und eine blonde Walküre mit wahrhaft orgiastischem Spiel. Nun hat das Trio in der Bonner Harmonie ihren Tour-Abschluss in dieser Besetzung gefeiert – und bei der Gelegenheit gleich noch eine DVD aufgezeichnet.
Es gibt Bands, die fast auf Werbung verzichten können. Nicht aber auf Schützenhilfe. Dazu gehört auch die Bonner „Blow Up Reunion“: Ihr Harmonie-Konzert am vergangenen Freitag war schon seit Monaten ausverkauft, die Menge von vornherein begeistert, so dass das Quartett ausreichend motiviert einen Cover-Song nach dem nächsten zum Besten geben konnte. „Wir werden eine schöne Veranstaltung haben. Und wir werden uns auch ein bisschen Mühe geben“, versprach Gitarrist Rüdiger Funke augenzwinkernd zu Beginn des Konzerts. Was beides irgendwie zutraf. Auf dem Programm standen diverse Klassiker aus den 60er, 70er und 80er Jahren, ein wilder stilistischer Mischmasch aus Beatles, Clapton, Credence Clearwater Revival und Van Morrison, bei dem sich sowohl die Stärken als auch die Schwächen der spielfreudigen Amateure schnell offenbarten.
Die Beethovenhalle als Großraum-Disco: Diese Metamorphose dauerhaft aufrecht zu erhalten, das gelingt auch nur den Bee Gees. Beziehungsweise ihren italienischen Äquivalenten, die das Publikum beinahe ebenso erfolgreich von den Sitzen zu fegen verstanden wie es einst die Originale taten. In der fälschlicherweise als Musical bezeichneten Multimedia-Show „Massachusetts“ haben Pasquale, Walter und Davide Egiziano die legendären Gibb-Brüder würdig vertreten und einen biographischen Abriss der erfolgreichsten Familienband aller Zeiten präsentiert, von den frühen Hits wie „Spicks and Specks“ über die Disco-Ära mit „Saturday Night Fever“ und „Staying Alive“ (samt Unterstützung durch das Tanzhaus Bonn) bis hin zu „You win again“ (die fünf letzten Studioalben bleiben außen vor). Ein Feuerwerk der engen Harmonien, musikalisch brillant – allerdings auch mit einigen Längen, nicht zuletzt dank eines übertrieben agierenden Moderators.
Weltmusik: Für uns Europäer entsteht das dann, wenn einer aus dem Westen mit Künstlern aus dem Osten oder vom afrikanischen Kontinent ein Projekt startet, bei dem wir uns auf den dazugehörigen Konzerten als Globetrotter fühlen können, ohne die Stadt verlassen zu müssen. Die Welt zu Gast im heimischen Wohnzimmer, mit auditiven Kosmopoliten als Publikum. Dieses hat Jasper van't Hof, der begnadete holländische Jazz-Pianist, jahrelang mit seiner Formation Pili Pili beglückt, deren Kompositionen dank des feurigen, afrikanischen Grooves und der Improvisationsfreude der beteiligten Musiker sowohl in Jazzclubs als auch in Diskotheken gespielt wurden.
„Weißt du wie viel Sternlein stehen“ fragt ein altes Kinderlied. Paul Hombach kennt die Antwort. 70 Trilliarden (eine 7 mit 22 Nullen) sollen es sein, erklärt der Hobby-Astronom, der im Rahmen der Reihe „NeunMalKlug“, einem Kooperationsprojekt mit der Universität Bonn, im Haus der Springmaus auftritt. Wobei auch diese Zahl, so unvorstellbar groß sie auch ist, nur die bislang beobachteten Sterne einbezieht und daher als Antwort auf die gesungene Frage nur näherungsweise taugt. Für einen Einblick in kosmische Größenordnungen reicht sie aber allemal.
Das Publikum tobt. Mehr. Mehr. Mehr. Auch als das Saal-Licht angeht, hört der eine weitere Zugabe fordernde Applaus nicht auf. Kein Wunder: Knapp zwei Stunden lang ist die Menge in der Harmonie aufgeputscht worden, elektrifiziert von hartem, unbändigen Bluesrock mit nicht zu vernachlässigenden Metal-Einflüssen. Ach so, mag jetzt mancher sagen – kennt man ja, diese Art von Musik klingt doch eh immer gleich. Krachend, knüppelnd, undifferenziert. Doch wie das australische Power-Trio Vdelli jetzt eindrucksvoll bewies, geht es auch anders.
Diese Stimme ist wahrlich einzigartig: Rau, charismatisch, facettenreich. Und tief. Sehr tief. Noch ein Stückchen tiefer. In dieser sonst den Männern vorbehaltenen Bass-Domäne hat Marla Glen schon in den 90er Jahren fasziniert, mit der ihr eigenen Mischung aus Blues, Soul, Funk und Rock, in der sie grooven, grummeln und röhren konnte. Jetzt, nach einigen persönlichen und beruflichen Rückschlägen, versucht die 54-Jährige einen Neuanfang, ist mit jeder Menge neuen Materials ins Bonner Pantheon gekommen – und beweist, dass sie noch immer für ein Feuerwerk gut ist.
Natürlich geht es um Alkohol in allen Variantionen: Bier, Whiskey, Wein, all das hat seinen festen Platz in den Texten Charles Bukowskis. Ebenso wie Prostituierte, Obdachlose und andere Menschen auf der Schattenseite des „American Way of Life“. Die Faszination des Dunklen, Schmuddeligen in absurder, oft satirischer Überzeichnung, eingefasst in eine harte, klare Sprache: Im Pantheon-Casino war dies nun hautnah zu erleben. Maximilian Hilbrand, Frontsänger der Frank-Zappa-Coverband „The Grandsheiks“, hatte anlässlich des bald anstehenden 20. Todestags des Kult-Autors zusammen mit dem Gitarristen Thomas Wegner und dem Bassisten Reza Askari eine Mischung aus Lesung und Liederabend zusammengestellt, der dem Mythos Bukowski huldigte und einen Einblick in das Werk des in Andernach geborenen US-Amerikaners gewährte.
„Ich habe nie geglaubt, dass Frau Merkel Kanzlerin ist. Die Frau mag es geben, aber als Kanzlerin? Wie soll denn das passiert sein?“ Eine gute Frage, auf die es viele denkbare Antworten gibt. Auch einige absurde. Und genau an dieser Stelle setzt Richard Rogler an, der bekennende Pataphysiker, der jetzt im Pantheon mit seinem Programm „Das müssen Sie mal sagen“ zu Gast war. Denn laut der Wissenschaft der imaginären Lösungen ist Merkel unter anderem die finale Rache Erich Honeckers am Westen, die langsam zentrale Positionen der CDU zersetzt, Wehrpflicht und Kernkraftwerke abschafft, den Mindestlohn einführt und am Ende mit einer 80-Prozent-Koalition DDR-Verhältnisse wieder herstellt. Ganz ohne Mauer. Klingt völlig verrückt. Ist es wahrscheinlich auch. Aber nicht unmöglich.
Die Banken sind schuld. Die Politiker natürlich erst recht, ob grün, schwarz, rot oder gelb. Ach ja, und die Medien. Alles ein gigantisches Menschenkontrollnetzwerk des Kapitalismus, das unweigerlich die unmündigen, von belanglosen Skandalen abgelenkten Bürger ausbluten lässt – und das nur für Zinsen, die ohnehin nur noch fiktiv existieren, nur noch digital, aus ganz vielen Nullen bestehend. Ein perverses System, findet Volker Pispers. Wie schon seit 32 Jahren. Geändert habe sich nichts, gesteht der Kabarettist. Ein Grund mehr, um in bester Don-Quijote-Manier weiterzukämpfen. Und so war 56-Jährige einmal mehr im Rahmen von „Quatsch keine Oper“ in Bonn, um dem Volk die Haken und Fallen im ökonomischen und politischen Deutschland aufzuzeigen, implantierte Stacheldrähte aus gleichgeschalteten Gehirnen zu ziehen und gegen die Märkte sowie für einen demokratischen Sozialismus einzutreten.
An diese Bühne hat Carl Carlton ganz besondere Erinnerungen: Hier in der Harmonie kollabierte der Gitarrist 18 Minuten nach Beginn seines Auftritts beim ersten Bonner WDR-Crossroads-Festival im Jahr 2003 vor laufender Kamera. Nur wenige Minuten später hätte sein Freund Robert Palmer („Addicted to love“) zu ihm stoßen sollen. Es wäre das letzte Deutschland-Konzert des Briten gewesen, der zwei Wochen später in einem Pariser Hotel starb. Ein harter Schlag für Carlton, damals, vor fast elf Jahren. Nun spielt er erstmals wieder in der Harmonie – und blickt zurück auf das Leben eines anderen kürzlich verstorbenen Freund und Mentors. Levon Helm, Sänger und Drummer von „The Band“, steht im Mittelpunkt von Carltons ausgiebigem Storytelling. Dabei soll es laut Programmtitel doch um den „Spirit of Woodstock“ gehen. „Aber Levon ist doch Woodstock“, ruft Carlton aus. Und holt weit aus.
Für sie ist die Show eine einzige große Liebeserklärung, an Gott, die Welt und die Menschheit: Queen Esther Marrow ist zusammen mit ihren Harlem Gospel Singers in die Beethovenhalle gekommen, um jene Botschaft zu verbreiten, die sie schon zusammen mit Martin Luther King vertrat. „Love can build a bridge“, singt sie – und reicht dem Publikum die Hände. Jeder kann nach vorne kommen, Queen Esther einmal hautnah erleben, diese 73-jährige Ikone des Gospel berühren, deren unverwechselbare, kraftvolle Stimme noch immer in einem Atemzug mit Ella Fitzgerald, Aretha Franklin und Mahalia Jackson genannt werden kann und die ihren Auftritt Nelson Mandela, Mahatma Gandhi und natürlich Martin Luther King gewidmet hat. Doch nur wenige wagen den Gang an den Bühnenrand, die meisten scheinen zu bequem oder zu distanziert, belassen es bei einem Winken. Schade – denn die Show zum 50-jährigen Bühnenjubiläum von Queen Esther hätte mehr verdient. Viel mehr.
Der eigentliche Star des Abends ist der Flügel. Dieses arme Ding, was muss es im Pantheon alles mitmachen: Es wird malträtiert und bestiegen, hoch-, quer- und flachgelegt, als Pferd und Wippenhaltepunkt missbraucht – und gebiert sogar, nach einem wilden Ritt, auf offener Bühne ein Baby-Piano. Und zwei Zwergstühle. Als Geburtshelfer agieren in dieser Situation zwei, die sowohl Peiniger als auch Liebhaber des großen Instruments sind: Tenor Tiny van den Eijnden alias Stenzel und sein Begleiter Wilbert Kivits.
Da kauern sie, im Hort der deutschen Kulturgeschichte, zwischen Gemälden, Statuen und jeder Menge unnützem Tand, bekränzt von der Reichstagskuppel, und arbeiten auf ihre eigene Vernichtung hin. Auf einer vollgerümpelten, überladenen Bühne hat Regisseur Thorleifur Örn Arnarsson in den Kammerspielen Bad Godesberg seine Vorstellung von Hebbels „Die Nibelungen“ inszeniert und die Figuren dieses urgermanischen Stoffes in einen komplexen Mahlstrom von Ideen und Interpretationen gepackt, der viele Schichten offenlegt – und dabei ab und an einfach zu viel will.
Nachdunkeln, das ist das Ziel. Weg mit der fahlen Hautfarbe – lasst den Afrikaner raus. Denn nur mit dem „African Way of Life“ lassen sich die Probleme der dauerdepressiven Deutschen weglachen. Sagt zumindest Voodoo-Meister und Kloputzer Motombo Umbokko alias Dave Davis. Und der gilt als Experte, spätestens seit er beim Prix Pantheon 2009 gleich zweimal abräumen konnte. Nun ist der Comedian zum ersten Mal bei der Reihe „Quatsch keine Oper“ dabei, sorgt aber mit seiner Lebenshilfe für die Albinoäffchenhorde (also für das Publikum) sofort für ein ausverkauftes Haus. Ein guter Start.
Da röhrt sie wieder, die „Scottish Queen of Rock“! Kratzig, kantig, kernig. Mit ihrem markanten Organ komplettiert die ehemalige „Stone the Crows“-Frontfrau Maggie Bell endlich die Hamburg Blues Band, die zu ihrem alljährlichen Konzert in die Bonner Harmonie gekommen ist. Jetzt kommt Butter bei die Fischköpfe. Und Abwechslung. Denn im Gegensatz zur ersten, von exquisiten Gitarren-Soli geprägten Hälfte decken die nordisch-schottischen Bluesrocker Um Gert Lange und Woodstock-Veteran Miller Anderson (ehemals Keef Hartley Band) nun eine größere Bandbreite ab.
Elegant gleiten die Tänzer über die riesige Eisplatte, die das St. Petersburger Staatsballett on Ice auf der Bühne der Beethovenhalle platziert hat. Kufen statt Spitzenschuhen: Das hatte sich Pjotr Iljitsch Tschaikowski sicher nicht vorgestellt, als er vor 125 Jahren das beliebte Märchen „Dornröschen“ in ein Ballett umwandelte. Funktioniert aber hervorragend. Vor prächtig gemalter Kulisse ziehen die Russen ihre Kreise, kombinieren klassischen Tanz mit Eiskunstlauf, dabei Kostüme tragend, die ohne weiteres aus „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ stammen könnten: Vor allem die Hofschranzen in ihren bunten Wämsern und prächtigen Kleidern, die zu Beginn des Stücks ausgiebig die Geburt von Prinzessin Aurora feiern, machen den Pomp des Königshofes deutlich.
Das vergangene Jahr lässt sich in 60 Sekunden zusammenfassen. Ein paar Stich- und Schlagworte, um die entsprechenden Themen in Erinnerung zu rufen, den Rest erledigt hoffentlich das Gedächtnis. Doch wirkt dies irgendwie unbefriedigend, für das Publikum in der Beethovenhalle ebenso wie für Urban Priol. „Wenn ich jetzt ginge, würde mir mein Therapeut das nie verzeihen“, gesteht der Kabarettist und ehemalige „Anstalts“-Insasse, den das Haus der Springmaus zum „Tilt“-Jahresrückblick nach Bonn eingeladen hat. Also holt er aus – und zieht auf die ihm eigene Weise Bilanz.
Eigentlich hat Matthias Richling die Nase voll von Deutschland. Alle wollen was verbieten, selbst die Grünen, da bleibt doch nur die Auswanderung. Kommen ja ohnehin genug nach. Doch warum ausgerechnet Richling sich beschwert, der selbst Pressefotografen aus seiner Show „Deutschland to go“ in der Bonner Oper verbannt (wahrscheinlich damit einzig jene Bilder verwendet werden, die ihn im für ihn rechten Licht darstellen) und mit dem Gedanken spielt, alle Parteien vom Verbraucherschutz wegen Deklarationsmängeln aus dem Verkehr ziehen zu lassen...
Wer heutzutage noch glaubt, Gruppen wie Gregorian hätten auch nur ansatzweise etwas mit im Kloster lebenden Mönchen zu tun, die alte Liturgien im Stil des 13. Jahrhunderts zu Gehör bringen, scheint in den vergangenen 15 Jahren der Massenware Pop gänzlich entsagt zu haben. Zu beliebt ist die pompöse Kreuzung von gregorianischem Gesangsstil und modernen Hits, zu präsent das ein Millionenpublikum ansprechende Projekt. Dennoch zeigten sich auch in der Beethovenhalle, in der Gregorian nun auf ihrer „Epic Chant“-Tour Station gemacht haben, einige Besucher enttäuscht über das völlige Fehlen sakraler Melodien.
Was für ein beachtliches Durchhaltevermögen: Seit nunmehr 65 Jahren steht Chris Barber an der Spitze seiner Bigbands, zelebriert traditionellen Swing und Dixie und zeigt sich dabei erstaunlich gut in Form. Gut, sein Gang ist nicht mehr ganz so sicher wie früher, ebenso wie seine mittlerweile beinahe unverständlichen Anmoderationen – aber sobald der 83-Jährige zu seiner Posaune greift, wirkt er gleich um gut zwei Jahrzehnte jünger. So auch in der Stadthalle Bad Godesberg, wo der Brite am vergangenen Mittwoch mit seiner Big Chris Barber Band auftrat.
Es war ein Abend voller Nostalgie, eine Rückbesinnung an jene heute gerne verklärte Zeit, als die heimlichen Pärchen nachmittags beim Tanztee schwoften, sich zu jenen Schlagern und Gassenhauern vergnügend, die heutzutage nur noch wenige zu präsentieren wissen. Einer davon war jetzt im Rahmen der Reihe „Quatsch keine Oper“ in Bonn: Ulrich Tukur, der nicht nur als einer der besten deutschen Schauspieler gilt, sondern auch als exzellenter Musiker. Zusammen mit seinen Rhythmus Boys kramte er alte Schätzchen aus den 20er bis 50er Jahren hervor, dabei weitgehend auf die altbekannten populären Klassiker verzichtend und eher auf Raritäten von Willi Kollo, Peter Kreuder und Friedrich Hollaender setzend.
Mögen sich auch alle demokratischen Staaten aus Angst vor den USA zieren: Der Pink Punk Pantheon zeigt der Welt, was eine Harke ist, und gibt bei der Premiere des 31. Sessionsprogramms demonstrativ Edward Snowdon Asyl. Das ist für das Ensemble selbstverständlich, ist schließlich Ausdruck des rheinischen Lebensgefühls. Hier sind alle willkommen: Whistleblower, Wissenschaftler, ehemalige Außenminister. Selbst Beueler. Nur die NSA, die könnte ruhig draußen bleiben. Und wenn nicht, auch egal – lediglich die wichtigsten Informationen (wie etwa der Rechenschaftsbericht des FKK Rhenania) werden besonders geschützt, ansonsten halten sich die mitteilungsfreudigen Mitglieder der kabarettistischen Karnevalsrevue nicht zurück, reihen eine mal mehr, mal weniger gelungene Satire an die nächste. Globale Themen treffen auf lokale, Veggie Day und Olympia-Vergaben auf die Folgen der Bonner Haushaltssperre und den Antrag, den rheinischen Karneval als immaterielles Weltkulturerbe der Unesco anzuerkennen. Ein bunter Abend.