„Nacht der Musicals“: Smash-Hits im Schnelldurchlauf

So viele Songs und so wenig Zeit: Das scheinen sich die Produzenten der „Nacht der Musicals“ gedacht haben, die jetzt in der Beethovenhalle Bonn zu sehen war. Denn vor allem in der ersten Hälfte des Konzerts ratterten die Hits aus „Les Miserables“, „Phantom der Oper“, „Tarzan“ oder „Mamma Mia“ nur so vorbei, über 20 Titel in 50 Minuten. Gehetzte Fließbandarbeit. Und genau diesen Charme verströmte die Veranstaltung denn auch an einigen Stellen. An echtem Gefühl, an überzeugendem Spiel und Gesang mangelte es dagegen, nur einige Stücke konnten wirklich überzeugen – vor allem jene, bei denen sich die Sänger Zeit nehmen und überhaupt mal einen Spannungsbogen erzeugen konnten. Doch nach der Pause wurde es deutlich besser. Nicht zuletzt dank eines transsexuellen Transvestiten aus Transsylvanien.

Das darstellerische (und streng genommen auch das musikalische) Highlight des Abends war tatsächlich nicht das Pop-Gejodel von Tarzan oder die Wehmuts-Hymne Evitas, sondern der Auftritt von Dr. Frank N Furter, dem verrückten Wissenschaftler der „Rocky Horror Picture Show“. Stefan Poslovski, der mit seiner charismatischen Stimme schon zuvor in Auszügen aus „Rock of Ages“ eine exzellente Figur gemacht hatte, setzte nun noch einen drauf, lebte die Rolle des Korsett und Strapse tragenden Exzentrikers, statt sie nur abzuarbeiten – und ließ sich schließlich gar ins Publikum heben, setzte sich auf Männerschöße, übte einen ordnungsgemäßen Beifall ein, war kurzum jener Anheizer, der in der ersten Hälfte völlig gefehlt hatte. Zusammen mit der erfreulichen Entschleunigung im Programm, dank derer Stücke nun zunehmend zu Ende gesungen werden konnten, hob dies die Stimmung in beträchtlichem Maße. Hätte man schon vorher haben können. Alles eine Frage der Dramaturgie eines derartigen Abends – doch wer die Queen-Hymnen aus „We will rock you“ in die Mitte eines Konzertblocks setzt und auf sie ausgerechnet „Cabaret“ folgen lässt, scheint mit diesem Begriff ohnehin so seine Probleme zu haben.

Die anderen Sänger zeigten sich ähnlich wandlungsfähig wie Poslovski, konnten dabei allerdings nicht immer das hohe Niveau halten. Alexander Kerbst blieb ausgerechnet in seiner Paraderolle als Falco hinter den Erwartungen zurück: In einem mäßig arrangierten Medley (Stichwort: Dramaturgie) zog sich sein Gesang stellenweise wie Kaugummi. Die weiblichen Allzweckwaffen Elvira Kalev Cattaneo und Adrienn Szegoe erwiesen sich derweil als wechselhaft, konnten teils begeistern (erstere etwa als Sissi aus „Elisabeth“, letztere vor allem mit einem großartigen „Schattentanz“ aus dem allein schon durch die Kostüme lohnenswerten „König der Löwen“ und dem Smash-Hit „Somebody to love“ von Queen), teils nur bedingt überzeugen. Grundsätzliches Problem: Immer wieder sangen sie gegen den Rhythmus des Instrumental-Playbacks an, setzten suboptimale Akzente und Betonungen oder ließen es schlichtweg an vorwärts drängender Energie fehlen. Wie das geht, machte Poslovski vor – ebenso wie sein Kollege Janos Hodacs, der sowohl als Dr. Jekyll als auch als Phantom der Oper eine grandiose Leistung ablieferte. Diese Qualität wäre durchgehend zu erwarten gewesen.

Insgesamt sorgte die „Nacht der Musicals“ aber für ein zufriedenes Publikum, das sich am Ende sogar von der sonst herrschenden Mitmach-Bequemlichkeit verabschiedete und zum kollektiven „Time Warp“-Tanz aufstand. Geht doch. Mit dieser Stimmung zurück an den Anfang – das wär's gewesen. 

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