Seit Israel sich als Reaktion auf den Terror der Hamas offiziell im Kriegszustand befindet, sind etliche Kulturveranstaltungen mit einem jüdischen Bezug abgesagt worden. Nicht so im Theater im Bauturm: Dort fand jetzt die Premiere der musikalischen Revue „Warschau – New York – Tel Aviv“ von und mit der Mezzosopranistin Dalia Schaechter und dem Pianisten und Sänger Boaz Krauzer statt, die einen Querschnitt durch die Lieder der jüdischen Diaspora in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts präsentierte. Wiegenlieder, Chansons und Jazz-Standards standen auf dem Programm, Werke von Mordechai Gebirtig, George Gershwin, Irving Berlin und Mordechai Zeira auf Hebräisch, Jiddisch und Deutsch, oft traurig und melancholisch, mitunter aber auch das Leben und die Liebe feiernd. Ein spannender, unterhaltsamer, berührender Abend, dank starker Sänger – und einer exzellenten Band.
Die Zukunft ist immer ungewiss. Wer weiß schon, was morgen sein wird. Und doch, alleine die Tatsache, dass Menschen sich Gedanken über die Zukunft machen und für sie planen, unterscheidet sie von den Tieren. „Es ist unsere größte Gabe und die größte Schwäche“, sagt Kabarettist Jürgen Becker, der sich in seinem aktuellen Programm „Die Ursache liegt in der Zukunft“ intensiv mit dem beschäftigt hat, was da kommen mag. Und das ist nicht gerade schön, wie er im Pantheon auflistet. Auf der einen Seite sind zahlreiche vermeintliche Sicherheiten ins Wanken geraten, auf die wir uns bislang verlassen haben, und auf der anderen Seite fehlt es an neuen Visionen und Utopien. Jetzt versucht Becker, die Probleme zu analysieren. Und ein neues Narrativ zu finden.
Eigentlich muss man das nicht explizit erwähnen, aber so einen Mann wie Simon Stäblein findet man nicht alle Tage: Einen, der nicht nur waschen, kochen und spülen kann, sondern diese Tätigkeiten auch noch liebt. Dazu dann noch dieser Humor, und schon weiß jeder, was nur Stäblein auszusprechen mag: „Ich habe keine Fehler.“ Perfekt also. Und so lästert der 35-Jährige, der derzeit aus einem unerfindlichen Grund mit seinem Alter zu kämpfen hat, in seinem aktuellen Programm „Pfauenquote“ lieber über andere, insbesondere über seinen Göttergatten, der in allen genannten Punkten das totale Gegenteil zu dem Stand-Up-Comedian ist und sich gerade deshalb hervorragend für so manche Anekdote eignet. Im Haus der Springmaus plaudert Stäblein nun aus dem Nähkästchen – und bedient damit augenzwinkernd zahlreiche Stereotypen.
Ein Saxofon mit Sythi-Sound und eine Gitarre mit Marimba-Anwandlungen: Das finale Konzert der Jazz-Matinee-Reihe im Post Tower, die wie jedes Jahr im Rahmen des Beethovenfests stattgefunden hat, ist mit einem ungewöhnlichen Konzert zu Ende gegangen, einem, das die sonst üblichen Hörgewohnheiten ad absurdum führte und für die ein oder andere Irritation sorgte. Grund dafür ist die Batterie an Pedalen, Verzerrern und Delays, die Christoph Möckel (Saxofon und Bassklarinette) auf der Suche nach neuen Klangfarben zusammengetragen hat und mit der er sowie seine Trio-Kollegen Oliver Lutz (Gitarre) und der die akustische Minderheit repräsentierende Tilo Weber (Drums) in Bonn versuchen, mit ihrer Musik in sonst unerreichbare Sphären aufzusteigen. Was ihnen auch gelingt – auch wenn das nicht immer die beste Entscheidung ist.
Die Themen sind an diesem Abend auf der Werkstattbühne breit gestreut: Es geht um Glaube und Hoffnung, Ehe und Humor, Geld, Eigentum und das Verhältnis zur Natur. Und um Menschlichkeit. Wer allerdings auf klare Positionen hofft, auf konkrete Aussagen zur Welt und zur Gesellschaft, der wird enttäuscht. Antworten gibt es in Max Frischs „Was fehlt uns zum Glück?“ nicht, Fragen dafür umso mehr. 350, um genau zu sein. Zehn Bögen mit je 25 Fragen hat Frisch in seinem zweiten literarischen Tagebuch über die Jahre 1966 bis 1971 niedergeschrieben, vier weitere wurden auf Anraten des Verlags gestrichen und erst 2019 veröffentlicht. Jetzt haben Regisseurin Katrin Plötner und Dramaturgin Sarah Tzscheppan dieses Material in eine Bühnenfassung umgearbeitet und auf der Werkstattbühne des Theater Bonn zur Uraufführung gebracht. Aber 90 Minuten nur mit Fragen – kann das gutgehen?
Berlin in den 20er Jahren. Glitter, Gold und Glamour dominieren in den Bordellen und Clubs der Hauptstadt, verborgene Orte, von denen doch jeder weiß und an denen alles erlaubt ist. Hier tummelt sich auch der junge Germanist Jakob Fabian, ein sarkastischer Melancholiker, der an der Realität verzweifelt und letztlich zerbricht, als mehrere Schicksalsschläge ihn noch weiter nach unten ziehen. Nun hat sich Regisseur Martin Laberenz des Stoffes angenommen und ihn auf die Schauspielhaus-Bühne des Theater Bonn gebracht – in Form einer fast dreistündigen Inszenierung mit zahlreichen anämischen Längen, philosophischen Diskursen und wenig Dramatik.
Es gibt Figuren, die das Potenzial haben, unsterblich zu werden. Die von Manni Neumeier zum Beispiel. In den vergangenen 55 Jahren hat das Mastermind der Krautrock-Band Guru Guru schon so einige Kopfgeburten mitgemacht und eigenwillige Kreaturen zur Welt gebracht. Das Space Baby zum Beispiel, das im gleichnamigen Song alle Waffen auf einmal zerschmettern kann. Oder der Elektrolurch, der in der Lüsterklemme wohnt, wenn er nicht gerade zusammen mit Guru Guru auf die Bühne kriecht und die Fans unter Strom setzt. Doch die liebste Schöpfung Neumeiers ist die besagte Band selbst, geboren 1968 aus der Union von Free Jazz und elektrisch verstärkter Musik a la Jimi Hendrix, zahlreichen Mutationen beziehungsweise Besetzungswechseln unterworfen und noch immer äußerst lebendig. So wie jetzt in der Harmonie, wo Guru Guru ihr Jubiläum feierte – und ein neues Album ankündigte.
Wer lästert, kommt weiter. Und wer verwirrt ist ebenso. Zumindest gilt dies für den Comedy-Contest „Böse Zungen“, der jetzt erstmals in der Lounge des Pantheons abgehalten wurde: Sechs Kandidatinnen und Kandidaten traten in diesem Format in zwei Gruppen gegeneinander an, und die zwei besten, vom Publikum auserkorenen Comedians durften im Finale noch einmal ihr Können in die Waagschale werfen. Was sich in diesem Fall auf einen selbst geschriebenen Porno beschränkte und auf den Versuch, überhaupt mal anzufangen. Was deutlich unterhaltsamer war, als es sich jetzt liest. Zumindest zum Teil.
Wenn die Lerchen zur Party bitten, wird es wild. Zumindest wenn es sich um rumänische Lerchen handelt, genauer gesagt um Fanfare Ciocărlia. Die Roma-Kapelle aus dem 400-Seelen-Dorf Zece Prăjini, die ein deutscher Toningenieur in den 90ern nach einem Sprung aus einem fahrenden Zug entdeckte und die die internationale Balkan-Beats-Szene nachhaltig prägen sollte, ist nun einmal das Paradebeispiel für Hochgeschwindigkeits-Musik beziehungsweise für Turbo-Brass, für ekstatische Blechbläser-Klänge und noch ekstatischere Rhythmen. Jetzt hat die elfköpfige Truppe in der Harmonie aufgespielt – und das Publikum innerhalb von Sekunden auf 180 gebracht.
Rund 600 Lieder hat Franz Schubert in seinem Leben geschrieben, 600 Titel, die zum Standard-Repertoire vieler klassischer Lied-Interpreten gehören – und neuerdings auch zu dem von Gisbert zu Knyphausen. Der Singer-Songwriter, der gerne in einem Atemzug mit Sven Regener genannt wird und der sich wie dieser auch ganz der Melancholie verschrieben hat, ist für das Projekt „Lass irre Hunde heulen“ von dem Pianisten Kai Schumacher angefragt worden, der Schubert neu entdecken und dessen Œuvre von dem artifiziellen Charakter des Kunstliedes befreien wollte. Was im Grunde auch gelang, wie jetzt ein Auftritt im Rahmen des Beethovenfests zeigt: So hat Schubert sicherlich noch nie geklungen, so ungezwungen und authentisch im Gesang – und so ungewöhnlich, so wuchtig und schwer in den modernen Arrangements, die bei aller Experimentierfreudigkeit die besagte Künstlichkeit nur zum Teil negieren. Und sie in anderen Fällen lediglich verschieben.
Was ist eigentlich Burlesque? Diese Frage lässt sich gar nicht so einfach beantworten, dafür ist der Begriff viel zu komplex. Burlesque ist keine Kunstform, sondern eine Einstellung. Es ist Feuer und Leidenschaft, ja klar, aber auch Spaß und Spiel. In ihr verbinden sich sinnliche Erotik und geheimnisvolle Exotik, leises Bettgeflüster und lautes, wirklich sehr lautes Stöhnen, am besten kollektiv, mit allen auf und vor der Bühne. Burlesque ist wild und kokett, verführerisch und augenzwinkernd, Strip und Tease und Glanz, Glitter und Glamour. Es ist ein ständiges Kommen und Bleiben – und so ist es auch kein Wunder, dass die es die Showcompany der Chansonniere Evi Niessner und ihres Gatten Mister Leu erneut ins Pantheon gezogen hat, um an gleich zwei Abenden mit „Let’s Burlesque“ eine fantastische Mischung aus groovendem Jazz, betörendem Tanz und ekstatischem Witz zu präsentieren, die ebenso sehr ein Genuss für die Augen wie auch für die Ohren ist.
Die Welt brennt, und die Dinosaurier sind schuld. So bezeichnen die Jugendlichen in Dawn Kings Dystopie „Das Tribunal“ die Erwachsenen, also die Generationen von heute, die um die Klimakrise wussten und dennoch nichts taten. Oder auf jeden Fall nicht genug. 25 Jahre in der Zukunft hat das die längst prognostizierten Folgen: Ein Extremwetter folgt auf das nächste, Hitzewellen und Flutkatastrophen, Dürren und Unwetter bestimmen den Alltag. Und die „Dinosaurier“ stehen vor Gericht, angeklagt von den 12- bis 17-Jährigen, die darüber entscheiden sollen, ob die Untätigkeit des beziehungsweise der Einzelnen entschuldbar ist oder ob sie schuldig im Sinne der Anklage sind und dafür hingerichtet werden müssen, nicht zuletzt um die kostbaren und knappen Ressourcen zu schonen. Jetzt greift das Junge Theater Bonn (JTB) das Stück auf und skizziert eine Welt, in der Kinder ihre Eltern verurteilen – und dabei selbst jedes Maß vermissen lassen.
Endlich ist er angekommen. Zehn Jahre hat es gedauert, bis Andreas Kümmert mit sich und dem Blues im Einklang ist, zehn nicht immer ganz einfache Jahre für einen, der einst bei „The Voice of Germany“ gewonnen hat und doch mit seichtem Pop vom Reißbrett nichts zu tu haben will. Zehn Jahre, in denen er gegen eine Angststörung kämpfte, gegen die Erwartungen der Öffentlichkeit und mitunter auch gegen sich selbst. Ein langer Zeitraum. Jetzt aber ist Kümmert samt seiner Band in der gut gefüllten Harmonie zu Gast – und explodiert geradezu, den Zwölftakter mühelos meisternd und sich zu eigen machend. Was für ein Konzert. Was für ein Genuss.
Der Deutsche Musikrat kommt aus dem Feiern kaum noch heraus: Gleich sieben Jubiläen stehen und standen in diesem Jahr bei der in Bonn ansässigen Institution auf dem Programm, darunter der eigene 70. Geburtstag ebenso wie 60 Jahre Jugend musiziert, 40 Jahre Deutscher Chorwettbewerb – und 35 Jahre Bundesjazzorchester. Letzteres gilt als die Kaderschmiede des Jazz in Deutschland, die schon Künstlerinnen und Künstler wie Till Brönner, Roger Cicero, Michael Wollny, Nils Wülker und Rebekka Ziegler hervorgebracht hat. In seiner neuesten Inkarnation ist das BuJazzO nun unter der Leitung von Nikki Iles in der Bonner Oper aufgetreten und überzeugte nicht zuletzt mit erfreulich vielen starken Damen.
Björn ist abgehakt. Geschichte. Nur noch im Perfekt relevant. Stattdessen haben Sängerin Maika Küster, Posaunistin Maria Trautmann, Bassistin Caris Hermes und Drummer Lukas Joachim neue Liebeleien entwickelt, denen sie sich als das Jazz-Quartett „Wir hatten was mit Björn“ (der beste Bandname seit den U-Bahnkontrolleuren in tiefgefrorenen Frauenkleidern) kollektiv hingeben. Da verschmelzen Pop-Phrasen mit technoiden Berghain-Beats und Balkan-Grooves, Ambient-Klangflächen mit fast schon arabisch anmutenden Haltetönen und mit skandinavischen Neo-Jazz zu einer Melange, die ebenso eigenwillig wie einzigartig ist. Im Rahmen des Beethovenfests sind die Bochumer nun in die Post Tower Lounge gekommen – und nimmt sich Zeit für mehr als einen Quickie.
Woyzeck ist schon eine arme Sau. Rackert sich Tag und Nacht ab, um seine Freundin Marie und den gemeinsamen Sohn durchzubringen, ist Lohnsklave für seinen Hauptmann und Versuchskaninchen für den Arzt und dennoch – oder gerade deswegen – das Ziel von Demütigung und Spott. Er, der nicht etwa als Mensch sondern allein als Arbeitskraft wahrgenommen und selbst als Mörder nicht ernst genommen wird, ist heute mehr denn je eine aktuelle Gestalt. Nun holt das Euro Theater diese von Georg Büchner erdachte, nach Liebe und Anerkennung hungernde und sowohl psychisch als auch physisch leidende Figur in den eigenen Hinterhof und erzählt seine Geschichte in einer gleichzeitig grotesken wie empfindsamen Inszenierung von Regisseurin Julie Grothgar, die das gesamte Potenzial des Hauses offenbart.
Es war ja nur eine Frage der Zeit, bis der WDR im Pantheon eine neue Ausgabe ihres beliebten Kabarettfests aufzeichnen würde – und am vergangenen Mittwoch war es wieder soweit. Vier Künstlerinnen und Künstler sollten für ein abwechslungsreiches Programm sorgen, mal bitterböse und mal eher harmlos über Gott und die Welt sprechen (oder mit Blick auf Bayern über Markus Söder, was für CSU-Wähler offenbar konzeptionell deckungsgleich zu sein scheint) und für einen unterhaltsamen Abend sorgen. Diese Aufgabe erfüllten alle Gäste mühelos – auch wenn es in der Form durchaus Qualitätsunterschiede gab.
Es ist, wie so oft, eine Frage der Einstellung: Schlagfertigkeit kann man lernen, wenn man mit sich selbst im Einklang ist. Eigentlich ganz einfach. Eigentlich. Doch das nötige Selbstbewusstsein liegt leider nicht auf der Straße, und es aufzubauen, bedarf mitunter vieler kleiner und großer Änderungen im eigenen Verhalten. Hilfe kommt da von Nicole Staudinger. Die „achtfach ausgezeichnete Bestseller-Autorin“ (O-Ton Staudinger) und selbst ernannte „Kwien“ ist zertifizierter Schlagfertigkeits-Coach und Expertin für den Wiederaufbau geschundener Seelen. Kraft zieht sie aus der eigenen Geschichte – immerhin hat die 41-Jährige dank neuer Blickwinkel, eisernem Willen und den Weisheiten ihrer Großmutter ihren Brustkrebs besiegt und zuletzt auch noch 30 Kilo abgenommen. Im Haus der Springmaus gibt sie nun Tipps für ein glücklicheres, selbstbewusstes Leben. Und berührt das Publikum durch ihre eigene Geschichte.
Das Land stirbt. Die Dürre treibt die Menschen vor sich her, allen voran die Feldarbeiter und Tagelöhner, die auf der Suche nach Arbeit vom verdorrten Süden aus in Richtung Norden wandern, um irgendwie über die Runden zu kommen und sich doch einfach nur nach einem Platz sehnen, den sie Heim nennen können. Auch George und der etwas beschränkte Lenny ziehen in John Steinbecks Novelle „Von Mäusen und Menschen“ von einer Farm zur anderen, sich nach einem kleinen Stück Land mit einem Haus und Kaninchenställen sehnend, einem Ort der Zuflucht in einer immer egoistischer und feindseliger werdenden Welt. Dafür, so der Plan, müssen sie nur ein wenig sparen. Und ganz schön viel schuften. Doch Lenny zieht mit seinen unkontrollierbaren Bärenkräften das Unheil quasi an und zerstört ungewollt alles, was er behüten und bewahren will: Eine Maus, einen Welpen, eine Frau. Selbst den Amerikanischen Traum. Nun hat Regisseur Simon Solberg diesen Stoff für das Theater Bonn inszeniert – und die tragische Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft in ein rund 90-minütiges Musical verwandelt.
Am Anfang lässt sich Farruko Zeit. Viel Zeit. Erst 45 Minuten nach dem ursprünglich geplanten Konzertbeginn kommt der 32-jährige Puertoricaner auf die Bühne, lässig, cool, mit dicker Sonnenbrille und Hoodie, die Kapuze auf dem Kopf und die Hände in typischer Hip-Hop-Hab-Acht-Stellung angehoben. Und schon geht es los mit den elektronischen Beats, denen sich keiner entziehen kann. Oder will. Auf diesen Moment haben sie schließlich alle gewartet, die hier dicht gedrängt im Gloria stehen, und so schreien sich die Fans des Reggaeton-Musikers die Seele aus dem Hals, selbst jene, die noch ein bisschen außer Atem sind, weil sie von der Verlegung des Konzerts nichts mitbekommen haben und zunächst zum Carlswerk Viktoria gefahren sind. Ob Farruko extra auf sie gewartet hat oder ob andere Gründe für die Verspätung vorlagen, lässt sich nicht sagen und spielt zumindest für die Fans keine Rolle. Jetzt ist Farruko ja da. Dann kann die Party beginnen.
Die Besetzung änderte sich, der Name aber blieb: Mehr als 25 Jahre lang war Prince, der widerspenstige und wandlungsfähige Thronfolger des Funk, mit seiner New Power Generation (NPG) unterwegs, einer ständig fluktuierenden Live-Band, die sich den Wünschen und Bedürfnissen ihres Bosses unterordnete und doch auf durchgehend hohem Niveau eine unverzichtbare Konstante im Leben des exzentrischen Pop-Stars war. Für zwei einzigartige Konzerte sind nun einige Mitglieder der NPG und andere Weggefährten von Prince ins Pantheon gekommen, wo sie zusammen mit der WDR Big Band unter der Leitung von Vince Mendoza dem legendären Musiker Tribut zollten. Mit Funk vom Feinsten, groovendem Jazz – und ganz viel Energie.
Das Wummern der Bässe geht durch Mark und Bein, die Gitarrenriffs galoppieren übers Trommelfell: An diesem Abend ist es im Club Volta laut. Extrem laut. Zu laut. Mit voll aufgedrehten Verstärkern versuchen das australische Psycho-Gothrock-Duo Earth Tongue und das schwedische Stoner-Rock-Quartett Greenleaf, sich bei ihrem Kölner Doppelkonzert in den Gehirnwindungen des Publikums festzusetzen und die Menge zum Tanzen oder doch zumindest zum Mähneschütteln zu animieren. Was durchaus gelingt – aber mitunter auf Kosten des Sounds geht.
Es ist für eine Band gar nicht so einfach, ihren größten Hits zu entkommen. Sie können noch so innovativ sein, die Fans werden doch immer die selben Stücke hören wollen – und sich diesem Wunsch zu verweigern, ist ein ziemliches Wagnis. Placebo sind dies nun ganz bewusst eingegangen und haben bei ihrem Konzert auf dem Bonner KunstRasen auf etliche Klassiker verzichtet, nicht zuletzt auf „Every You Every Me“, das wohl berühmteste Stück der Band. Vor 25 Jahren erschien das dazugehörige Album „Without You I’m Nothing“, man könnte insofern also von einem Jubiläum sprechen. Aber Molko und sein langjähriger Bühnenpartner Stefan Olsdal wollen offenbar nicht in der Vergangenheit schwelgen, sondern nach vorne blicken. Und so widmen sich Placebo eben in erster Linie der aktuellen Platte „Never Let Me Go“. Pech für die rund 8000 Fans, die extra in die Bundesstadt gekommen sind und die sich zumindest zum Teil auf Klassiker wie „Nancy Boy“ oder „The Bitter End“ gefreut haben. Gut, letzteres wird dann doch noch kommen. Immerhin. Das muss reichen.
Eintönigkeit kann man Michael Patrick Kelly wahrlich nicht vorwerfen. Der 45-Jährige, der einst als Wunderkind und Teenieschwarm der Kelly Family zahlreiche Erfolge bescherte und erst durch einen sechsjährigen Klosteraufenthalt mit sich selbst ins Reine kam, hat sich in den vergangenen zehn Jahren zu einem überaus vielseitigen Solo-Künstler entwickelt, der immer wieder nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten sucht, um seine sozialen und spirituellen Botschaften unters Volk zu bringen. Mit Erfolg, wie jetzt auch das Konzert auf dem KunstRasen zeigt. Rund 3000 Menschen sind an diesem Sonntagabend in die Gronau gekommen, um Paddy zu erleben, der mühelos zwischen Hardrock, Electro-Pop und Lagerfeuer-Songwriting hin- und herwechselt, während er seine vor Bildern, Metaphern und Symbolen überquellenden Lieder in die Menge fliegen lässt. Und auch wenn diese Aufzählung auf dem Papier ein bisschen nach Beliebigkeit klingt: Live wirkt tatsächlich jede einzelne Nummer authentisch. Was alles andere als selbstverständlich ist.
Brings auf dem KunstRasen – damit ist eigentlich schon alles gesagt. Es dürfte niemanden überraschen, dass die Kölschrocker in Bonn fast so eine Art Heimspiel haben. 9000 Besucher sind auf das Gelände in der Gronau gekommen, also 9000 singfreudige Stimmen und 18.000 wedelnde Arme. Und die haben viel zu tun an diesem Abend, an dem – auch das nicht verwunderlich – Brings mit vielen alten und neuen Hits das Leben feiern und ein Glücksgefühl verbreiten. Die „Superjeilezick“ ist schließlich seit jeher und nicht nur während der Karnevals-Session das Motto eines jeden Brings-Konzerts, und die beschwört die Band nun eben zum wiederholten Mal in den Rheinauen. Mühelos, versteht sich. Weil das Publikum mitzieht. Und Brings ihre Lieder nicht einfach nur spielen, sondern für sie brennen.
Auf das Wetter können sich Konzertveranstalter derzeit wirklich nicht verlassen. Auf das Publikum hingegen schon. Beim Green-Juice-Festival, das am vergangenen Donnerstag im Park in Neu-Villich zum inzwischen 15. Mal eröffnet wurde, strömten die Besucher in Scharen auf das Gelände und ließen sich von gelegentlichen Regenschauern nicht aus der Fassung bringen. Gummistiefel an, Plastik-Capes um und weiterfeiern: zu Techno-Pop einer studierten Jazz-Sängerin, zu eigenwilligen Indie-Epen und zu erstklassigem Gute-Laune-Punk. Und das war erst der Anfang. Aber was für einer.
Ein Vulkanausbruch gleich zu Beginn – das ist mal ein mutiges Statement. Normalerweise heben sich Bands ja ihre größten Hits für den Schluss auf, um noch einmal alle Register zu ziehen und die Fans glückselig nach Hause zu schicken, aber bei der Eröffnung der zweiten Hälfte der KunstRasen-Open-Air-Saison drehen Bastille diese Konvention kurzerhand auf links. Die britische Indie-Pop-Band startet direkt mit dem ersten Song ihres Debütalbums „Bad Blood“, dem schwülstigen Sommer-Hit „Pompeii“ mit seinen emblematischen „eh-oh-“Chören, jener Nummer, die seit nunmehr zehn Jahren aus so ziemlich jedem Mainstream-Radio schallen und einen ähnlichen Wiedererkennungswert besitzen wie die von Coldplays „Viva La Vida“.
20.000 Arme in der Luft sind wirklich ein beeindruckendes Bild. Eines von vielen, für das die Broilers bei ihrem Konzert auf dem Bonner KunstRasen sorgen, und mit jedem einzelnen setzen die Düsseldorfer Maßstäbe. Noch nie haben so viele Besucher im Kreis getanzt wie an diesem Samstagabend, und noch nie saßen so viele Menschen auf den Schultern anderer, einfach weil Frontmann Sammy Amara bei „Held in unserer Mitte“ beziehungsweise bei „Wie weit wir gehen“ dazu auffordert. Angesichts von inzwischen elf Open-Air-Saisons mit Weltstars wie Tom Jones oder Santana sagt das schon eine Menge über die Broilers aus. Und über die 10.000 Fans der Punkrock-Band, die enthusiastisch und zugleich friedlich eines der besten Konzerte feiern, das jemals in der Gronau stattgefunden hat.
Jetzt ist es amtlich: Shakespeare ist eine Frau. Und ein Geist. Und im falschen Jahrhundert, was natürlich sogleich eine Destabilisierung der Zeitlinie zur Folge hat. Dumm nur, dass Miss Shakespeare gar nicht daran denkt, die Gegenwart zu verlassen, immerhin gibt es hier so viele Wunder, unter anderem Pizza. Also versteckt sie drei Batterien, mit der ein kauziger Geisterjäger sie nach Hause schicken will, in dreien ihrer Stücke – was übrigens mit der Auflösung von „Multiversum“ gar nichts zu tun hat. Denn die neue Show des GOP Bonn kann zwar einmal mehr mit exzellenten Artisten aufweisen, aber leider auch mit einer der wohl peinlichsten und vor allem inkohärentesten Rahmenhandlungen, die je auf einer Varietébühne inszeniert wurden.
Das Publikum tobt. Noch hat Andrew Hozier-Byrne keinen einzigen Ton gesungen, doch allein seine Anwesenheit versetzt viele Fans im Carlswerk Viktoria in Verzückung. Die Verehrung, die dem irischen Sänger in Köln entgegenschlägt, scheint nahezu grenzenlos zu sein – eine Frau vor der Bühne hebt sogar ein Ikonenbild mit dem Antlitz des 33-Jährigen in die Höhe. Hozier, der Jesus des Folkrock. Angesichts dieser überbordenden Euphorie, die durchaus an die Boyband-Manie der 90er Jahre erinnert, mag man den charmanten Künstler vorschnell für eine Art Posterboy halten, der mit seinen teils tanzbaren, teils dunklen Songs mehr Schein als Sein ist. Doch das wäre ein Fehlurteil. Denn Hozier besticht im Verlauf von gut 90 Minuten sowohl durch musikalischen als auch durch lyrischen Tiefgang. Und durch ganz viel Gefühl.
Gewalt, Drogen und andere krumme Geschäfte bestimmen das Leben in Malfi. Dealer, Schläger und andere Gangster gehen weitgehend unbehelligt ihren Geschäften nach, geschützt von einem geschwisterlichen Triumvirat aus Herzogin, Herzog und Kardinal. Doch dann heiratet erstere heimlich ihren Haushofmeister Antonio – und bringt so ihre eifersüchtigen Brüder gegen sich auf, bis die Straßen von Malfi rot vor Blut sind. So zumindest ist die Inszenierungsidee der Bonn University Shakespeare Company, die das Stück des Shakespare-Zeitgenossen John Webster in der Brotfabrik aufführt. Was allerdings nicht so ganz aufgeht.
Der erste Eindruck täuscht. Nur eine handvoll Leute stehen vor der kleinen Bühne, die der KunstRasen-Verein für sein FolkPicknick auf den Front-of-Stage-Bereich gesetzt hat und auf dem an diesem heißen Samstagnachmittag fünf Bands aus ganz Europa ein kostenloses Konzert geben. So wenig Publikum, und das, obwohl nach dem schweren Regen im vergangenen Jahr nun immerhin die pralle Sonne vom Himmel schien? Doch wie gesagt: Der Eindruck täuscht. Denn tatsächlich sind sehr viel mehr Menschen auf dem Gelände als man zunächst annehmen könnte, allerdings im kühlen Schatten statt mitten auf dem längst zur Wüste mutierten Platz, verborgen unter den Bäumen und zwischen den – weitgehend geschlossenen – Fressbuden und Zelten am Rand. Zwei- der sogar dreihundert dürften es schon sein, die ihren Weg in die Gronau gefunden haben, und auch wenn die Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne diese kaum zu Gesicht bekommen, sind sie doch zumindest bei dem herzlichen, dankbaren Applaus hörbar.
Monotonie kann man Roland Kaiser sicherlich nicht vorwerfen: Bei seinem Auftritt auf dem KunstRasen am vergangenen Freitag hat der Grandseigneur des deutschen Schlagers zumindest musikalisch alle Register gezogen, hat zusätzlich zu seiner wandlungsfähigen Band ein Streichquartett sowie ein Bläser-Trio auf die Bühne geholt und ist damit in gut zweieinhalb Stunden durch zahlreiche Genres mäandert. Eine beeindruckende Leistung des 71-Jährigen, der an diesem Abend bestens gelaunt war. Warum auch nicht? Rund 9000 Menschen waren gekommen, um mit ihm bei traumhaftem Wetter Kaisermania zu feiern und zumindest vorübergehend an eine heile Welt zu glauben. Und die kann nun einmal niemand besser präsentieren als Roland Kaiser.
Wieder geht es nach oben. Weit nach oben. Unerbittlich schraubt sich die Stimme von Ryan Tedder in die Höhe, bis hin in jene Sopranlage, in der der Frontmann von OneRepublic so gerne verweilt. Diese Flugstunden sind einer der zentralen Gründe für den Erfolg der Band aus Colorado, das Händchen für eingängige Melodien ist der andere. Auf dem Bonner KunstRasen reihen der 44-Jährige und seine Kollegen nun einen Hit an den anderen, jeder einzelne aus Tedders Feder – aber nicht alle für OneRepublic.
Das Euro Theater Central tritt derzeit gezwungenermaßen auf der Stelle. Drei Jahre nach dem Umzug in die Budapester Straße ist das neue Haus – nicht zuletzt aufgrund der Corona-Pandemie und fehlender Handwerker – noch immer eine Baustelle, die Räume noch nicht präsentabel, der geplante Theatersaal nur in der Vorstellung vorhanden. Umso wichtiger ist es, Lebenszeichen von sich zu geben, was dank der Außenbühne im Innenhof zumindest ansatzweise möglich ist. Nun hat das Euro Theater mit einer englischsprachigen Adaption von Oscar Wildes einzigem Roman „The Picture of Dorian Grey“ genau dies realisiert und gleichzeitig seine Bereitschaft für Experimente signalisiert. Immerhin sind sowohl die vier Schauspieler als auch die Bühnenbildner und Kostümverantwortlichen zum ersten Mal am Haus tätig, während sich Johannes Neubert zwar schon als Darsteller, nicht aber als Regisseur seine Meriten verdient hat. Angesichts der umjubelten Premiere wird dieses Wagnis durchaus goutiert – auch wenn ein großer Teil des Potenzials von Ensemble und Stück letztlich ungenutzt bleibt.
Die Flammen lodern hoch, wieder und wieder. Dazu kracht und knallt es, während Laser durch die schwefelschwangere Luft flackern und ein treibender Beat jeden aus den Sitzen reißt. Kein Wunder: Immerhin wollen Kiss bei ihrem allerletzten Deutschlandkonzert noch einmal die Bühne abbrennen und zeigen, was Rock in seiner spektakulärsten Form ausmacht. In der Kölner Lanxess-Arena zieht die legendäre Band mit den ikonischen Schminkmasken daher alle Register und zündet ein atemberaubendes Feuerwerk, das keine Wünsche offenlässt – so wie es sich für ein Quartett gehört, das Musikgeschichte geschrieben hat. 50 Jahre lang haben Kiss den Rock geprägt, und schon in den ersten Minuten wird deutlich, dass Paul Stanley, Gene Simmons, Tommy Thayer und Eric Singer selbst bei ihrem Abschied von der Bühne Maßstäbe setzen können. Was für eine Show. Und was für ein Konzert.
Schon bei den ersten Tönen stehen alle auf. Ein Konzert der Pet Shop Boys ist nun einmal keines, das man im Sitzen genießen kann, auch wenn es nun mehr als 30 Jahre her ist, dass die Musik des britischen Elektropop-Duos in den Discos rauf und runter gespielt wurde. Egal: Die Zeiten haben sich gewandelt, die Pet Shop Boys nicht, wie sie nun bei ihrem einzigen Deutschland-Konzert in der Kölner Lanxess-Arena unter Beweis stellen. Ja, Neil Tennant und Chris Lowe sind etwas in die Jahre gekommen, doch fällt das angesichts minimalistischer Bewegungen kaum auf – letzterer hält sich wie schon in den 80er und 90er Jahren ohnehin lieber mit stoischer Miene im Hintergrund, und ersterer steht am liebsten in seinen Gold- und Silberfolienkostümen mit weit ausgebreiteten Armen in der Mitte der Bühne, so als wolle er die Energie des Publikums aufsaugen, um damit die ebenso nüchterne wie effektvolle Lichtshow zu versorgen.