Wieder geht es nach oben. Weit nach oben. Unerbittlich schraubt sich die Stimme von Ryan Tedder in die Höhe, bis hin in jene Sopranlage, in der der Frontmann von OneRepublic so gerne verweilt. Diese Flugstunden sind einer der zentralen Gründe für den Erfolg der Band aus Colorado, das Händchen für eingängige Melodien ist der andere. Auf dem Bonner KunstRasen reihen der 44-Jährige und seine Kollegen nun einen Hit an den anderen, jeder einzelne aus Tedders Feder – aber nicht alle für OneRepublic.
Über zu wenig Erfolg können sich OneRepublic nun wahrlich nicht beschweren. Vor allem zwischen 2007 und 2014 wurden ihre Alben mit Platin und Gold überschüttet, sie selbst mit Preisen und
Nominierungen überhäuft. „Secrets“, „Apologize“, „Counting Stars“, alles Dauerbrenner im Radio, und die Liste ließe sich problemlos verlängern, was das Publikum in rund 90 Minuten auch
einfordert. Dabei spielt es keine große Rolle, dass sich die Lieder weitgehend ähneln und sich sowohl musikalisch als auch lyrisch vor allem durch unzählige Umdrehungen der Phrasendreschmaschine
auszeichnen oder das Botschaften – sofern überhaupt vorhanden – in den ständigen Wiederholungen einzelner Verse und Motive verloren gehen. All das gehört zum Stil von OneRepbulic, und den will
Tedder nicht ändern, wie er an diesem Abend selbst gesteht. Stattdessen sorgt er für Abwechslung, indem er auf Stücke zurückgreift, die er für andere Superstars geschrieben hat. Diese Liste ist
lang. Und beeindruckend. Für Beyoncé hat er „Halo“ geschrieben, für Maroon 5 „Love Somebody“, für Ellie Goulding „Burn“ – und das sind nur die Titel, die der „Undercover King of Pop“ anspielt
(nebenher hat er unter anderem auch für Jennifer Lopez, Chris Cornell, Adele und die Backstreet Boys gearbeitet). „Das macht Spaß, weil es anders ist“, sagt er.
Damit hat er Recht. Tatsächlich erscheint Tedder in diesen Minuten jenseits von OneRepublic entspannter, glücklicher, authentischer. Vom Flügel aus scherzt mit der Menge, will mit allen gemeinsam
Karaoke singen und für ein besonders laut kreischendes Mädchen den Krankenwagen rufen. Ja, dieser Block mit den Hits anderer ist fester Bestandteil der Tour, wird immer und überall gespielt –
aber in Bonn erweitert Tedder das Konzept, indem er nach ein paar weiteren OneRepublic-Songs auf einmal Miley Cyrus, Coldplay und Sam Smith zitiert. Warum? Weil es Spaß macht.
Dabei kann man auch den OneRepublic-Titeln ihr Ohrwurm-Potenzial nicht absprechen. „Runaway“, eine der neuesten Nummern der Band, könnte dank der vergleichsweise hohen Drehzahl und den
Gute-Laune-Vibes durchaus zum Sommerhit 2023 avancieren, so wie im Vorjahr schon „I Ain’t Worried“, und Balladen wie „Life in Color“ setzen sich in ihrer Schlichtheit ebenfalls in den
Gehirnwindungen fest. OneRepublic ziehen aber auch alle Register, lassen mal die E-Gitarren wummern und greifen dann wieder auf Geige und Cello zurück, während sie mit der Dynamik spielen und aus
ein paar einfachen Textzeilen einen Hit nach dem anderen machen. Wie schnell dies allerdings kippen kann, hat schon der Auftakt mit „Stop and Stare“ gezeigt, bei dem Tedders Stimme durchaus
bemüht in die Höhen presst; ähnlich schmerzhaft klingt übrigens auch das Geigen-Intro zu „Apologize“. Das sind aber nur kleine Wermutstropfen, über die das Publikum gerne hinwegsieht.
Enttäuschend ist dagegen, dass der Auftritt der US-Amerikaner schon nach anderthalb Stunden endet und damit in etwa genau so lang ist wie das Vorprogramm mit Mishall Tamer und Tom Gregory. Ein
paar mehr Songs hätten ruhig noch kommen dürfen. Natürlich von OneRepublic. Oder von anderen.
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