Zucchero: Zuckerinfusion mit Schmalz- und Blues-Note

Eigentlich müsste auf dem KunstRasen an diesem Donnerstagabend ein Warnhinweis für Diabetiker stehen: Vorsicht, Zucker in der Luft. Doch das würde in die Irre führen, denn auch wenn Zucchero, der nach dem italienischen Wort für Zucker benannte Rock-Star aus der Romagna, den ein oder anderen extra-süßen Klammerblues a la „Senza una Donna“ im Gepäck hat, so lässt sich die Musik des 68-Jährigen längst nicht nur darauf reduzieren. Seit nunmehr 40 Jahren verknüpft er überschwenglich-expressive Emotionen mit bombastischer Instrumentierung einerseits und der Cantautore-Tradition seiner Heimat andererseits, erweitert um das Zwölftakter-Feeling, das er sich bei den Kollegen aus den USA abgeschaut hat und das gar wunderbar zu seiner markigen, kratzenden Stimme passt. Auf dem Bonner KunstRasen lässt er sich auf jeden Fall nicht lumpen und beschert dem Publikum zusammen mit seiner herausragenden Band einen unvergesslichen Abend.

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Folk!Picknick: Tanz im Matsch

Folk-Fans sind hart im Nehmen. Ein bisschen Regen kann sie nicht verscheuchen, ein bisschen mehr ebenso wenig. Ein Glück für das Folk!Picknick, das am vergangenen Samstag auf dem KunstRasen-Gelände stattfand und von einem heftigen Schauer samt kurzzeitiger offizieller Gewitter- und Sturmwarnung unterbrochen wurde. Das zahlenmäßig leider überschaubare Publikum hielt jedoch aus, machte das Beste aus der Situation und konnte nach einer Viertelstunde im Matsch tanzen. Und hervorragende Musik aus der lokalen und regionalen Szene genießen.

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ZZ Top: Kurz und gut

6500 Besucher des Bonner KunstRasens waren am vergangenen Freitag hin und her gerissen zwischen Kult und Sport: Die Ohren in Richtung Bühne gespitzt und die Augen auf die Smartphones gerichtet, versuchten die Fans von ZZ Top den Spagat zwischen deftigem Bluesrock und dem Viertelfinalspiel Deutschlands bei der Fußball-EM 2024. Keine leichte Aufgabe angesichts eines nervenaufreibenden Spiels auf der einen und einem technisch beeindruckenden Konzert auf der anderen Seite. Frontmann Billy Gibbons, Drummer Frank Beard und der ehemalige Gitarren-Techniker Elwood Francis, der den vor drei Jahren unerwartet verstorbenen Dusty Hill ersetzt hat, machten von der ersten Sekunde an Druck, und das im wahrsten Sinne des Wortes: Mit „Got Me Under Pressure“ hämmerte das Trio gleich einen ihrer größten Hits raus, bei dem der unverwechselbare Sound von Gibbons und das knackige Spiel von Beard bei den Fans für Euphorie sorgte. Doch leider währte das Glück nicht allzu lange, wegen der Spanier natürlich – und wegen eines extrem kurzen Auftritts.

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Greta van Fleet: Zeitgemäßer Retro-Rock

An Greta van Fleet scheiden sich die Geister. Die einen haben das Quartett aus Frankenmuth, Michigan mit dem Erscheinen ihres Debütalbums „Black Smoke Rising“ vor nunmehr sieben Jahren als Epigonen von Led Zeppelin abgestempelt, die anderen ihren Retro-Sound bewundert. Steven Wilson, immerhin das Mastermind hinter Porcupine Tree und einer der spannendsten Vertreter melodischen Progressive Rocks, hat sie 2019 in einem Interview für das Rock-Magazin „eclipsed“ als „armselige, drittklassige Led-Zeppelin-Imitation“ bezeichnet – ein ziemlicher Tiefschlag. Und zumindest heutzutage meilenweit von der Wahrheit entfernt. Denn was die Gretas bei ihrem Auftritt vor rund 7000 Fans auf dem Bonner KunstRasen zeigen, ist eine exzellente, abwechslungsreiche und vielschichtige Rock-Show einer Band, die selbstbewusst auf den Schultern von Riesen steht und zugleich dabei ist, ihren eigenen Weg zu beschreiten. Und der macht durchaus Lust auf mehr.

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Ulrich Tukur: Auf Hamsterjagd im Großstadtdschungel

Ein bisschen irre ist Ulrich Tukur schon. Ein kleines, ein winziges bisschen, und das noch nicht einmal, weil er sich auf der Bühne der Bonner Oper als „James Bonn“ vorstellt und sich ein geradezu biblisches Alter zuschreibt (was er auf seine einstige Arbeit mit fossilisiertem Dinosaurierkot in der Werkstatt von August Oetker zurückführt). Nein, der Wahnsinn ist vielmehr, dass der Schauspieler, Pianist und Sänger inzwischen fast 30 Jahre lang mit seinen „Rhythmus Boys“ die Welt der Schlager und Evergreens wiederbelebt und damit offenbar nicht aufhören kann. Was ein Glücksfall für das Publikum ist. Am vergangenen Sonntag beschloss er auf diese Weise die Spielzeit 2024 der Reihe „Quatsch keine Oper“, mit allerlei Evergreens, Gedichten und Anekdoten irgendwo zwischen Wahrheit und Auslegung. Und mit jeder Menge Spaß.

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Olivia Trummer: Liebe löst alle Probleme

Unmittelbar vor der Sommerpause hat das Team der Dottendorfer Jazznacht um Herbert Kaupert noch einmal für einen Knaller gesorgt: Mit Olivia Trummer ist eine der charmantesten deutschen Jazz-Pianistinnen der Gegenwart erneut ins Ortszentrum Dottendorf gekommen und hat mit ihrer romantischen Ader, ihrem bezaubernden Lächeln und natürlich ihren auf dem Klavier tanzenden Fingern die Herzen des Publikums im Nu erobert. Für manche Männer dürfte es da eine herbe Enttäuschung gewesen sein, dass Miss Trummer inzwischen in festen Händen ist. Vor kurzem hat sie den Bassisten Makar Novikov geheiratet und ihn für ihr aktuelles Trio verpflichtet, das an diesem Abend von Drummer Amir Bresler komplettiert wird. In dieser klassischen Besetzung lässt sich Olivia nun über die Kraft der Liebe aus, die alles (auf)löst, sämtliche Hindernisse überwindet und die Seelen der Menschen auch in dunklen Seiten stärkt.

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The National: Im Taumel durch die Kabelfallen

Einen besseren Auftakt hätten sich die KunstRasen-Macher kaum wünschen können: Es ist warm und trocken, das Gelände ist mit rund 5500 Besucherinnen und Besuchern gut gefüllt, und The National feiern ihre Rückkehr auf die Live-Bühnen mit unbändiger Energie. Alles passt zusammen, selbst der Sound – die Organisatoren haben noch einmal kräftig in Schallschutz investiert, so dass die Musik auf dem Gelände deutlich lauter wirkt, und das bei Einhaltung aller Grenzwerte. Und so kann sich Sänger Matt Berninger mit seiner eigentlich sehr warmen Bariton-Stimme ganz ungeniert die Seele aus dem Leib schreien, während die beiden Brüderpaare Aaron und Bryce Dessner (Gitarren, Keyboards) sowie Bryan und Scott Devendorf (Schlagzeug und Bass) beständig zwischen filigranen, dahinplätschernden Klangteppichen und wuchtigem Arena-Bombast samt unverkennbarer Garage-Rock-Note wechseln. Was durchaus schön sein kann. Zumindest in Maßen.

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Wolfgang Niedecken: Auf des Meisters Spuren

Kein Künstler hat einen größeren Einfluss auf Wolfgang Niedecken ausgeübt als Bob Dylan. Die Begeisterung für den legendären Musiker, der wie kein anderer die Seele der USA in seinen Texten eingefangen hat, durchdringt jede Faser von Niedeckens Körper, und so ist es kein Wunder, dass er im Laufe der Jahre etliche Dylan-Songs nicht nur interpretiert, sondern auch eingekölscht hat. Ein Buch über den „Meister“ hat er ebenfalls geschrieben, für irgendwas musste Corona ja gut gewesen sein. Jetzt hat er in der gut gefüllten Bonner Oper daraus gelesen und zusammen mit dem Pianisten Mike Herting natürlich auch etliche Songs präsentiert, die für Niedecken eine besondere Bedeutung haben – und die man kaum besser hätte interpretieren können.

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„Randale und Freunde“: Blech, Strom und etwas Glück

Aller guten Dinge sind drei: Auch in diesem Jahr hat die Party-Brass-Band Querbeat mit ihrem eintägigen „Randale und Freunde“-Festival in der Bonner Rheinaue gut 20.000 Menschen in die Rheinaue gelockt und damit nach rheinischem Brauch endgültig eine Tradition begründet. Sechs Bands, gute Stimmung und mehr als ein Quäntchen Glück haben dazu beigetragen, dass alle einen ebenso entspannten wie euphorischen Tag verleben konnten, und das trotz der ein oder anderen Schlamm-Inseln auf der Großen Blumenwiese, die nach dem Regen der vergangenen Tage unausweichlich waren, obwohl die Organisatoren mit einigen Wagenladungen Sand und etlichen  Platten das Schlimmste verhindern konnten. Immerhin hatte Petrus noch ein Einsehen und verscheuchte kurz vor Beginn des Konzert-Marathons die dunklen Wolken, so dass die Party pünktlich um 13.30 Uhr beginnen konnte – und nach und nach friedlich und liebevoll eskalierte.

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Tool: Botschaften aus den Schatten

Der pulsierende, hypnotische und trotzdem unglaublich komplexe Polyrhythmus des Schlagzeugs thront über allem: Über den wuchtigen Klangflächen von Gitarrist Adam Jones und Bassist Justin Chancellor, über den wabernden, fast schon fraktalähnlichen Bildsequenzen auf der riesigen LED-Wand, und sogar über dem beschwörenden Gesang von Mastermind Maynard James Keenan. Was Tool-Drummer Danny Carey an diesem Abend in der Lanxess Arena abliefert, ist schlichtweg eine Meisterleistung, auch wenn Menschen, die zu der Musik der Progressive-Metal-Legenden keine Beziehung haben, dies wahrscheinlich erst nach einigen Anpassungsschwierigkeiten wertschätzen dürften. Sobald sich die Ohren aber an die extreme Lautstärke gewöhnt haben, mit der die US-Band auf ihrer Europa-Tournee zu Werke geht, ist die erste Hürde überwunden. Und die Wertschätzung nur noch eine Frage der Zeit.

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Thirty Seconds to Mars: Hohepriester mit Fan-Gesängen

Die Fans kommen bei Thirty Seconds to Mars zuerst. Klingt nach einer Plattitüde, stimmt in diesem Fall aber wirklich. Ja, Sänger und Schauspieler Jared Leto – beziehungsweise seine exzentrische Bühnen-Persona als Frontmann und Gründer der Band – ist fast gleichauf, aber eben nur fast. Das ist wichtig, mehr noch, das ist essentiell für das Phänomen dieser Band, die in mehr als 25 Jahren eine überaus treue Anhängerschaft versammelt hat, die sich gerne auch als Kult versteht, was wiederum gewissen Medien sauer aufstößt. Wie viel davon Inszenierung ist, lässt sich nur schwer sagen, doch angesichts des bombastischen Konzerts, das Thirty Seconds to Mars an diesem Abend in der Kölner Lanxess Arena darbieten und bei dem die Wünsche des Publikums immer wieder Priorität haben, ist zumindest eine Dynamik erkennbar. Und die spricht für Jared Leto. Und nicht gegen ihn.

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Ute Lemper + Rebecca Trescher Tentett: Diva auf Zeitreise

Was für eine Stimme! Kantig und widerspenstig kann sie wirken, mit ungeheurer Energie nach vorne drängend, und dann ist sie wieder ganz zart, gefühlvoll, wohlklingend. Und das große Spektrum zwischen diesen beiden Polen? Beherrscht Ute Lemper selbstverständlich ebenfalls. Die Sängerin, die es wie nur wenige andere deutsche Künstlerinnen zu Weltruhm gebracht hat, kann im Grund alles interpretieren, und bei ihrem Auftritt in der Bonner Oper, wo das Jazzfest Bonn anlässlich seines 15. Geburtstags ein Sonder-Jubiläumskonzert veranstaltet, tut sie genau das. Standards des Great American Songbooks, französische Chansons, jiddische Volkslieder, spanische Gedichtvertonungen und legendäre Musical-Nummern, all das und mehr gehört wie selbstverständlich zu Lempers Repertoire, das im Laufe der Jahre eine charakteristische Patina gewonnen hat. In der nahezu ausverkauften Oper weiß man das zu schätzen und genießt die Zeitreise, zu der Lemper eingeladen hat und mit der sie ihren eigenen Lebensweg nachvollzieht.

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Die Goldfarb-Zwillinge: Spieglein, Spieglein an der Hand

Angeblich besteht zwischen vielen eineiigen Zwillingen eine telepathische Verbindung. Ein Mythos? Vielleicht. Andererseits zeigen die Goldfarb-Zwillinge Laura und Lisa in ihren Kabarett-Theaterprogrammen eindrucksvoll, dass möglicherweise doch ein Körnchen Wahrheit dahinter steckt. Oder unglaublich viel Arbeit. Die perfekte Synchronizität der beiden Schauspielerinnen, die im Pantheon ihr neuestes Programm „Kaffee mit Kafka“ vorgestellt haben, ist auf jeden Fall bemerkenswert: Scheinbar mühelos sprechen sie umfangreiche Textpassagen parallel oder mimen – so wie direkt am Anfang – ihre jeweiligen Spiegelbilder. Doch so ganz einig sind sich die beiden nicht, wie sich im Laufe dieses überaus unterhaltsamen Abends herausstellt, der kafkaesk anfängt und psychoanalytisch endet.

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„Moving Shadows“: Augenzwinkernder Reigen der Zitate

Sie sind alle gekommen: Elvis und Freddy Mercury, Joan Baez und Helene Fischer, Abba und Kraftwerk und die Bee Gees und und und. All diese Künstlerinnen und Künstler tauchen in einem Block des neuen „Moving Shadows“-Programm „Our World“ auf, das die Mobilés auf Einladung der Springmaus in der nahezu ausverkauften Bonner Oper zeigen. Im Grunde ist das keine Überraschung, ein derartiger Reigen der Zitate bildet schließlich seit 25 Jahren den Kern des Kölner Ensembles – und doch ist es immer wieder überraschend, was acht Tänzerinnen und Tänzer mit ihren Körpern und ihren Schatten für Bilder kreieren können. Was für eine Kreativität, was für eine Akrobatik. Und was für eine Magie.

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„Frauen vor Flusslandschaft“: Zum Schweigen gezwungen

Sie haben durchaus etwas zu sagen, die Damen in Heinrich Bölls letztem Roman „Frauen vor Flusslandschaft“. Nur dürfen sie eben nichts ausplaudern, zumindest nicht laut, das fordern zumindest ihre Männer. Die sind bei der Inszenierung von Jens Groß im Schauspielhaus Bad Godesberg zwar nicht vorhanden – das anderthalbstündige Stück ist mit fünf Schauspielerinnen besetzt –, sind aber dennoch omnipräsent, was sowohl Stärke als auch Schwäche dieser Bearbeitung von John von Düffel und Nadja Groß ist. Ersteres, weil die Verschiebung des Fokus Bölls Gesellschaftskritik verstärkt; und letzteres, weil die Leerstellen weder gefüllt noch verarbeitet werden und ohne Kenntnis der entsprechenden Figuren das Verständnis der Handlung massiv behindern. Da können die Damen des Ensembles noch so gut spielen und darüber klagen, dass Alt-Nazis und der Geldadel und ihre Gatten (in manchen Fällen ist dies ein und dasselbe) sie zum Schweigen bringen wollen und sie bei Bedarf einfach in ein Sanatorium verbannen – ohne die physische Präsenz der Antagonisten sind viele Sätze nur Schall und Rauch.

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Bernard Liebermann: Flachwitze in Dauerschleife

Zunächst einmal die gute Nachricht: Die sechs Jahre als Mitglied des Kabaretts „Leipziger Pfeffermühle“ haben Bernard Liebermann aus schauspielerischer Sicht sehr gut getan. Der gebürtige Bonner, der unter dem Namen Bernard Paschke einst Deutschlands jüngster Kabarettist war und schon mit 17 Jahren dem Ensemble beitrat, erfüllt mühelos seine Bühnenfiguren mit Leben und Charakter, wechselt auch sprachlich treffsicher zwischen allen Dialekten und lässt technisch nichts anbrennen. Trotzdem ist der Auftritt des 23-Jährigen im besten Fall mäßig zu nennen, weil auf jede gute ja in der Regel eine schlechte Nachricht folgt – und weil Liebermanns bemühte Wortwitze in etwa die Energie eines toten Gauls aufweisen, die beim Publikum in der Pantheon Lounge einfach nicht verfangen.

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Chris Tall: Lampengeist ohne Filter

Normalerweise spielt Chris Tall nicht mehr in kleinen Hallen – und dazu zählt er auch das Brückenforum, immerhin (noch) der größte Ort für Kulturveranstaltungen aller Art. Der 33-Jährige ist einfach mehr gewohnt, füllt längst Arenen und Stadien. Doch zum Auftakt seiner „Laugh Stories“-Tour macht er eine Ausnahme. Für Bonn. Für seine Fans. Für alle, die ihn mit Leckereien und Kunstwerken versorgen. Und für seinen Adoptivbruder.

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