Trump, Klimawandel, Rechtsruck, eine Katastrophe nach der anderen: Da fragt man sich doch, ob die Erde überhaupt noch zu retten ist. Selbst der Himmel scheint inzwischen skeptisch zu sein, vor allem seit da oben die Bürokraten an der Macht sind und nicht länger die Visionäre. Gott ist nur noch ein Algorithmus und die Menschen kleine Zahlen. Insofern ist es kein Wunder, dass jetzt vier gefallene Engel untersuchen sollen, ob sich eine Aufrechterhaltung des irdischen Betriebs trotz aller Probleme lohnt oder ob man den ganzen Planeten lieber zu Gunsten einer kosmischen Schnellstraße sprengen sollte. Die Endabrechnung ist gekommen, die kabarettistische „Schlachtplatte“ des Jüngsten Gerichts. Doch deren Mitglieder Robert Griess, Dagmar Schönleber, Lisa Catena und Sarah Hakenberg scheinen zumindest im Pantheon vom Sturz noch benebelt zu sein – denn wirklich rund läuft die himmlische Mission nun wirklich nicht.
Ein Trommelfeuer aus Song-Schnipseln lässt das Palladium erbeben. Für große Verzierungen ist keine Zeit – beziehungsweise wäre Zeit, wenn Mando Diao sie denn nutzen wollten. Doch die Schweden haben sich anlässlich ihres 20-jährigen Bestehens offenbar die Reduktion zur neuen Maxime erkoren, setzen knackige Gitarren-Riffs in den Mittelpunkt ihres Schaffens und präsentieren auf der Tour zum aktuellen Album „Bang“ schnörkellose Rock-Stücke mit der Laufzeit früher Beatles-Titel. Drei Minuten müssen reichen, mehr ist Exzess. Weg mit den Synth-Pop-Experimenten aus der „Ælita“-Zeit und her mit dem guten alten, räudigen Straßenköter-Rock. An sich ja eine gute Idee, wenn auch mitunter ein wenig eintönig. Zum Glück haben die Herren um den charismatischen Sänger Björn Dixgård aber auch ein paar längere Klassiker im Gepäck – und so wird ihr Konzert im Kölner Palladium zwar nicht ausufernd, aber immerhin vom Publikum euphorisch gefeiert.
Gemäßigter soll er sein, stromlinienförmiger, mehr dem Mainstream zugewandt. Alles Quatsch. Ja, natürlich klingt Laurence Jones auf seinem aktuellen Album „The Truth“ weitaus eingängiger als früher, hat die rauen Kanten seines Gitarrenspiels einer kleinen Politur unterzogen und den einst dreckigen Sound in den Wassern von Miami gewaschen, um auch im Radio präsent sein zu können – doch zumindest live verfügt der 27-Jährige auch weiterhin über eine beachtliche Kraft, die er nur zu gerne in exquisite Soli gießt. In der Harmonie hat Jones sich nun gereift gezeigt, deshalb aber nicht weniger aufregend als noch zu jener Zeit, als er mit der Blues Caravan unterwegs war. Ganz im Gegenteil: Der Brite streckt zunehmend seine Fühler auch in benachbarte Genres aus, greift beherzt beim Soul zu, holt sich eine Background-Sängerin an seine Seite und kreiert auf diese Weise eine Mischung, an der sich höchstens Hardcore-Blues-Puristen stören könnten.
Der alte weiße Mann ist das größte Feindbild des Feminismus: Die Personifikation des Patriarchats, das Jahrtausende lang Frauen dominiert und unterdrückt hat, eine Figur mit Macht und Einfluss, die an gesellschaftlichen Strukturen von Vorgestern festhält, um die eigene Position nicht zu gefährden. Und ja, es gibt sie, diese alten weißen Männer, vor allem auf Vorstandsposten und in der Politik. Mit einigen von ihnen hat Autorin Sophie Passmann das Gespräch gesucht, hat sie über Gleichberechtigung und Geschlechterklischees reden lassen und über das Narrativ der Dominanz. 15 Interviews hat die 25-Jährige nun zu einem Buch zusammengefasst, aus dem sie im Pantheon mit viel Witz und Ironie vorgetragen hat, sehr zur Freude des vor allem weiblichen Publikums, das die bissigen Ausführungen Passmanns sichtlich genießt.
Einer alleine kann nichts bewirken. Warum sich also bemühen? Warum sein Leben ändern, wenn Milliarden andere Menschen weitermachen wie bisher? Ja, die Welt ist kaputt, und das treibt die Jugend in Scharen auf die Straße, aber persönliche Konsequenzen scheitern oft an Zweifeln, was das denn bringen soll. Im neuesten Stück des Jungen Ensembles des Theater Marabu werden genau diese existenziellen Fragen gestellt, mit großem Spieltrieb in Szene gesetzt – und letztlich auf äußerst eindrucksvolle Weise gelöst. Nicht zuletzt deswegen ist „Die Konferenz der Vögel“ eine der stärksten und intelligentesten Bühnenproduktionen der vergangenen Jahre, die das Publikum packt, es zum Nachdenken bringt. Und letztlich zum Mitmachen.
Manche Verbindungen sind einfach untrennbar. Seit 1972 ist John Fogerty inzwischen solo unterwegs, hat in dieser Zeit etwa ein Dutzend Platten veröffentlicht und mit Songs wie „Rocking All Over The World“ Musikgeschichte geschrieben. Und doch wird er immer als der Gitarrist und Frontmann von Creedence Clearwater Revival bekannt sein, als das Mastermind hinter einer Band, die vor 50 Jahren einer der Headliner des Woodstock-Festivals waren (auch wenn der Auftritt mitten in der Nacht kaum Beachtung fand). Anlässlich dieses Jubiläums schaut Fogerty noch einmal zurück auf jene Ära – und erweckt auf dem Bonner KunstRasen die Songs von CCR erneut zum Leben.
Manchmal, wenn selbst der lauteste Aufschrei verklungen ist und sich dennoch nichts zu ändern scheint, hilft nur noch Zynismus. Und Satire. Wie sonst kann man eine Welt verstehen, in denen Milliarden Menschen jeden Tag süße Katzenbabyvideos anschauen, bei Meldungen über ertrunkene Flüchtlinge im Mittelmeer aber abschalten? Der Postillon kennt die Antwort. Und die Lösung. Wie das wahrscheinlich seriöseste deutschsprachige Nachrichtenmagazin nun vermeldet, packen clevere Schlepper inzwischen auch posierlich schnurrende und kläffende Fellbündel in die Flüchtlingsboote, um so die Chance auf eine Seenotrettung zu erhöhen. Immerhin kann der durchschnittliche Europäer zwar den großen Augen der Hilfsbedürftigen widerstehen, nicht aber den Blicken niedlicher Jungtiere. Klingt bitter? Ist es auch. Aber wahr. Und gerade deshalb die intensivste Form der Satire, die jetzt in der Oper Bonn über 90 Minuten ausgebreitet worden ist.
Immer besser werden, immer erfolgreicher, immer reicher: Sebastian 23 kann es nicht mehr hören. Der Poetry-Slammer hat genug von diesem ständigen Streben nach Selbstoptimierung, betrieben von Menschen mit so viel Oberflächlichkeit, dass eine Seifenblase vor Neid platzen würde. „So wie wir sind reicht nicht mehr aus“, beklagt er. Vor allem die zahlreichen Ratgeber irritieren ihn, all diese Bestseller-Bücher, die die Leser belehren und als der Weisheit letzter Schluss gelten, bis im nächsten Monat der nächste Wälzer im Regal steht. Jedes siebte Buch fällt inzwischen in diese Kategorie, rechnet Sebastian 23 vor. Und schreibt kurzerhand einen Anti-Ratgeber, mit dem man wieder den Rückwärtsgang einlegen und schlechter werden kann. Endlich. Darauf hat die Welt nur gewartet. Mit „Endlich Erfolglos“ ist der 40-Jährige nun auf Lesereise – so auch im Pantheon.
Bewegungen sind mühsam. Der aufrechte Gang ist eine Meisterleistung der Natur, ein Kunststück von unzähligen ineinandergreifenden Muskeln und Sehnen, über das der Mensch gar nicht groß nachdenkt und das doch für jeden Roboter eine enorme Herausforderung darstellt. Und für jeden Zombie. Diese Assoziation ist bei „Yet to be born“ nicht von der Hand zu weisen: In der Performance, die jetzt im Theater im Ballsaal Premiere feierte, verzichten Martina De Dominicis und Alberto Cissello über weite Strecken kategorisch auf natürlich wirkende, fließende Bewegungen und wanken stattdessen zuckend durch den Raum, so als ob sämtliche höheren Hirnfunktionen schon abgestorben sind – oder erst noch geboren werden müssen. Und selbst dieses Taumeln durch Raum und Zeit ist alles andere als selbstverständlich, ist das Produkt eines mühseligen Kampfes mit den Gliedmaßen, dessen einzelne Schritte eher impulsiv denn durchdacht wirken und der gerade dadurch eher ermüdend denn erregend ist.
Frühling, Party und Reggae gehören zwangsläufig zusammen. Ein erwartungsvoller Hauch von Sommer liegt dann in der Luft, gesungene Freiheitshymnen und Liebesschwüre – und ein Möbelsong. Zumindest bei Gentleman, der mit groovenden Rhythmen und coolen Vibes das Telekom Forum aufmischt. Im Rahmen des „Over the Border“-Festivals ist der 44-Jährige nach Bonn gekommen, um sich für Diversität auszusprechen, für Respekt und für Musik ohne Grenzen. Auch in sprachlicher und thematischer Hinsicht. Immerhin arbeitet der wohl erfolgreichste Reggae-Musiker der Bundesrepublik, der als einer der wenigen auch in Jamaika große Erfolge feiern kann, erstmals in seiner 25-jährigen Bühnengeschichte an einem deutschsprachigen Album. In Bonn stellt er nun die ersten Titel vor, die eben auch von Möbeln handeln. Oder von Staubsaugern.
Knackig könnte man den Sound beschreiben, der an diesem Donnerstag in der Harmonie vorherrscht. Knackig, staubtrocken und dennoch permanent nach vorne treibend. Kurzum Rhythm and Blues in Perfektion, schörkellos, druckvoll – und dänisch. Verantwortlich für diese grandiose Musik ist schließlich niemand anderer als Thorbjørn Risager, der mit seiner Band The Black Tornado längst Stammgast in Endenich ist und doch jedes Mal aufs Neue zu begeistern und zu überraschen versteht. Mit einer Wucht irgendwo zwischen Dampflok und Wirbelsturm jagt das Septett seit einigen Jahren durch die Republik, spielt Rock, Blues, Boogie und das alles mit einer Spielfreude, dass es das Publikum ein ums andere Mal aus den Socken haut.
Eigentlich ist er eine Legende: Weltweit gilt Sherlock Holmes als der größte Detektiv der Kriminalliteratur, als Musterbeispiel für den Sieg des Verstandes über das Gefühl und als Großmeister der Logik. Kein Geheimnis war vor ihm sicher, kein Rätsel für ihn zu schwer und kein Komplott zu komplex. Er war alles, nur niemals Mittelmaß. Bis heute. Ausgerechnet „Das Sherlock Musical“ von Alan Wilkinson und Steve Nobles reduziert das Genie zu einer herumstolpernden Randfigur, die höchstens noch ein Schatten ihrer selbst ist. Im Pantheon hat die Produktion des Urania-Theaters um Bettina Montazem nun ihren ersten Auswärtstermin absolviert, nachdem sie im Kölner Stammhaus seit November fast durchgehend ausverkauft war. Warum auch immer. Denn trotz einiger durchaus hörenswerter Songs und einer stimmlich zum Teil sehr starken Cast fehlt dem Musical schlichtweg die Seele und der Geist. Und das rächt sich.