„Yet to be born“: Das große Krabbeln

Bewegungen sind mühsam. Der aufrechte Gang ist eine Meisterleistung der Natur, ein Kunststück von unzähligen ineinandergreifenden Muskeln und Sehnen, über das der Mensch gar nicht groß nachdenkt und das doch für jeden Roboter eine enorme Herausforderung darstellt. Und für jeden Zombie. Diese Assoziation ist bei „Yet to be born“ nicht von der Hand zu weisen: In der Performance, die jetzt im Theater im Ballsaal Premiere feierte, verzichten Martina De Dominicis und Alberto Cissello über weite Strecken kategorisch auf natürlich wirkende, fließende Bewegungen und wanken stattdessen zuckend durch den Raum, so als ob sämtliche höheren Hirnfunktionen schon abgestorben sind – oder erst noch geboren werden müssen. Und selbst dieses Taumeln durch Raum und Zeit ist alles andere als selbstverständlich, ist das Produkt eines mühseligen Kampfes mit den Gliedmaßen, dessen einzelne Schritte eher impulsiv denn durchdacht wirken und der gerade dadurch eher ermüdend denn erregend ist.

Angesichts der Komplexität des Gehens (und erst recht der des Tanzens) ist der konsequente Dreh- und Angelpunkt von „Yet to be born“ der Boden. Mehr als die Hälfte der 45 Minuten krabbeln De Dominicis und Cissello auf ihm herum, anfangs ohne den Einsatz ihrer Gliedmaßen, später dann immerhin mit Hilfe von Knien und Ellenbogen. Jede Bewegung stirbt dabei bereits in dem Moment, in dem sie beginnt, ist ruckelnd, marionettenhaft, zombiesk, bar jeder Eleganz. Gleiches gilt auch für den Ambient-Noise-Klangteppich, der aus den Boxen wabert und ebenso undefiniert ist wie die Bewegungen der beiden Tänzer. Erst gegen Ende werden diese flüssiger, natürlicher, klarer. Auf einmal sind De Dominicis und Cissello dann doch im aufrechten Gang angekommen – und fangen sofort an, zu marschieren. Auf abstrakten Bahnen drehen sie sich umeinander, meist für sich allein, nur selten interagierend und immer ohne Perspektive. Der aufrechte Gang, er führt zu nichts, wenn er nicht auch mit Leben gefüllt wird, mit Leidenschaft, mit Sinnlichkeit, mit Dynamik. Doch das bedarf einer wie auch immer gearteten Intention, muss man mehr sein als bloße Materie. Dies ist aber Ausgangspunkt von „Yet to be born“, so dass Bewegung in dieser Performance immer nur mechanisch sein kann, nie ästhetisch. Die endgültige Transformation des Körpers zum Menschen steht also noch aus. Vielleicht in Form eines Folgeprojekts.

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