„Schlachtplatte“: Vier Engel und kein Halleluja

Trump, Klimawandel, Rechtsruck, eine Katastrophe nach der anderen: Da fragt man sich doch, ob die Erde überhaupt noch zu retten ist. Selbst der Himmel scheint inzwischen skeptisch zu sein, vor allem seit da oben die Bürokraten an der Macht sind und nicht länger die Visionäre. Gott ist nur noch ein Algorithmus und die Menschen kleine Zahlen. Insofern ist es kein Wunder, dass jetzt vier gefallene Engel untersuchen sollen, ob sich eine Aufrechterhaltung des irdischen Betriebs trotz aller Probleme lohnt oder ob man den ganzen Planeten lieber zu Gunsten einer kosmischen Schnellstraße sprengen sollte. Die Endabrechnung ist gekommen, die kabarettistische „Schlachtplatte“ des Jüngsten Gerichts. Doch deren Mitglieder Robert Griess, Dagmar Schönleber, Lisa Catena und Sarah Hakenberg scheinen zumindest im Pantheon vom Sturz noch benebelt zu sein – denn wirklich rund läuft die himmlische Mission nun wirklich nicht.

Die „Schlachtplatte“ ist schon seit Jahren ein etabliertes Format, ein Rückblick der besonderen Art mit einer von Initiator Griess immer wieder neu zusammengestellten Besetzung. Erstmals greift dieser dabei auf die geballte Weiblichkeit der deutschsprachigen Kleinkunstszene zurück – doch sonderlich glücklich wirkt diese Zusammenstellung nicht. Vor allem die Ensemble-Nummern kommen einfach nicht in Fahrt, lassen entweder Dynamik und Spannung vermissen wie bei den gezeigten Szenen im Leben einer Grünen-Familie oder verkommen zu peinlichen Wannabe-Musical-Collagen, in denen mühsam umgedichtete Abba-Titel mit albernem Gehopse einen Niveau-Limbo in Richtung Tiefgarage tanzen. Diese Vorlagen können auch die drei Damen nicht retten, so sehr sie sich auch bemühen. Schade, denn einzeln haben sie durchaus ihre Qualitäten. „Sisters of Comedy“-Mitbegründerin Dagmar Schönleber freut sich über weibliche Vorbilder wie Klimaaktivistin Greta Thunberg oder Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete und prangert zugleich den immer noch vorherrschenden Sexismus in der Diskussion über ihre Taten an; Sarah Hakenberg sucht nach Lösungen für desillusionierte Neonazis und erklärt den Cum-Ex-Betrugsfall, der derzeit in Bonn verhandelt wird; und die Schweizerin Lisa Catena fragt sich mit typisch schwarzem Humor unter anderem, ob der Papst wohl bei der Antwort auf ein irdisches Problem Gott fragt – oder doch lieber Google. Der Algorithmus antwortet immerhin. Und verlangt dafür weder Geld noch Glauben, sondern lediglich sämtliche Daten in Form einer digitalen Dauerbeichte.

Bleibt noch Robert Griess, der Obermetzger mit den Flügelstummeln, der alles anschneidet aber nichts verarbeitet. Irgendwann holt er sein Alter Ego Herr Stapper hervor, den Hartz-IV-Proleten mit erhöhtem Revolten-Bedarf. Der will sich gegen alles wehren, gegen die Wohnungsnot etwa oder gegen die Ungleichbehandlung von Kindern aus sozial schwachen Familien, bietet aber keine Lösungen an, sondern nur Drohungen. Klar, das gehört zur Rolle und zum Klischee, ist aber trotzdem nur bedingt unterhaltsam. Der „Schlachtplatte“, hilft das nicht, wie auch die Publikumsreaktionen belegen, insbesondere da das Ensemble im Pantheon mit so einigen Hängern und gesanglichen Schwächen zu kämpfen hatte. Das muss besser werden, nicht zuletzt weil das Format längst kein Selbstläufer mehr ist. Und man stelle sich nur mal vor, es wird abgerechnet, und keiner geht hin. Das wäre wirklich ganz schön bitter.

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