Der alte weiße Mann ist das größte Feindbild des Feminismus: Die Personifikation des Patriarchats, das Jahrtausende lang Frauen dominiert und unterdrückt hat, eine Figur mit Macht und Einfluss, die an gesellschaftlichen Strukturen von Vorgestern festhält, um die eigene Position nicht zu gefährden. Und ja, es gibt sie, diese alten weißen Männer, vor allem auf Vorstandsposten und in der Politik. Mit einigen von ihnen hat Autorin Sophie Passmann das Gespräch gesucht, hat sie über Gleichberechtigung und Geschlechterklischees reden lassen und über das Narrativ der Dominanz. 15 Interviews hat die 25-Jährige nun zu einem Buch zusammengefasst, aus dem sie im Pantheon mit viel Witz und Ironie vorgetragen hat, sehr zur Freude des vor allem weiblichen Publikums, das die bissigen Ausführungen Passmanns sichtlich genießt.
Dabei hat Passmann bei der Auswahl ihrer Gesprächspartner die von ihr selbst genannten Definitionsparameter wie Macht und Alter nicht allzu streng gesehen. Gut, sie hat sich mit „Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt, mit Grünenpolitiker Robert Habeck und auch mit ihrem Vater getroffen (all diese Texte liest sie im Pantheon vor), aber auch mit Gegenbeispielen wie Kevin Kühnert und Sascha Lobo (diese Passagen fallen leider unter den Tisch) – und leider nicht mit den wahrhaft Mächtigen wie dem Rüstungslobbyisten Georg Wilhelm Adamowitsch oder der ein oder anderen alten weißen Frau wie zum Beispiel Friede Springer. Wäre auch mal spannend gewesen. Immerhin, ein paar Treffen hat Passmann vereinbaren können. Bei denen gewährt sie ihren Gesprächspartnern relativ viel Freiraum, um sich selbst zu dekonstruieren, vermeidet weitgehend Konfrontationen und fügt erst im Nachhinein ihre eigenen bissigen Betrachtungen und Kommentare ein, nicht nur im Text, sondern auch während der Lesung. Immer wieder unterbricht sie sich, nimmt einen Zug aus ihrer Zigarette und plaudert mit spitzer Zunge aus dem Nähkästchen, bevor sie zurück in die pseudo-philosophischen Erklärungsversuche stürzt, die in den Interviews vorherrschen. Trotz ihres eleganten Schreibstils sind es schließlich auch jene Anekdoten und Abschweifungen, die am reizvollsten und zugleich am lehrreichsten sind, und sei es nur indem sie dem Publikum ihren Vater näherbringt, ihm Plastizität verleiht und so zu mehr macht als einer bloßen Schablone in einem mitunter etwas polemischen Buch. Vielleicht ist das auch der Grund, dass bei der Ankündigung einer weiteren Lesepassage ein „Och ne“ aus der Menge schallt – eine Kritik, die nicht unbeantwortet bleibt. Die entsprechende Dame wird von Sophie Passmann sogleich zu einem Gespräch am Büchertisch eingeladen. Man kann ja über alles reden. Und mit etwas Glück kommt sogar eine Erkenntnis dabei heraus. Wäre ja zumindest ein Anfang.
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