Guru Guru: Space-Baby trifft Elektrolurch

Es gibt Figuren, die das Potenzial haben, unsterblich zu werden. Die von Manni Neumeier zum Beispiel. In den vergangenen 55 Jahren hat das Mastermind der Krautrock-Band Guru Guru schon so einige Kopfgeburten mitgemacht und eigenwillige Kreaturen zur Welt gebracht. Das Space Baby zum Beispiel, das im gleichnamigen Song alle Waffen auf einmal zerschmettern kann. Oder der Elektrolurch, der in der Lüsterklemme wohnt, wenn er nicht gerade zusammen mit Guru Guru auf die Bühne kriecht und die Fans unter Strom setzt. Doch die liebste Schöpfung Neumeiers ist die besagte Band selbst, geboren 1968 aus der Union von Free Jazz und elektrisch verstärkter Musik a la Jimi Hendrix, zahlreichen Mutationen beziehungsweise Besetzungswechseln unterworfen und noch immer äußerst lebendig. So wie jetzt in der Harmonie, wo Guru Guru ihr Jubiläum feierte – und ein neues Album ankündigte.

Ganz voll ist die Harmonie an diesem Donnerstagabend nicht, aber zumindest gut besucht. Für die Band ist das keine Selbstverständlichkeit mehr, aber in Bonn sind Neumeier und Konsorten immer wohlwollend empfangen worden. Und das zu Recht, wie das Quartett beweist: Der rockig-groovende Puls, die schlichten aber zugleich eindringlichen Melodien und die exzellenten Soli kommen ganz ohne Patina daher, sondern glänzen vielmehr dank der Spielfreude und der Virtuosität der vier Musiker. Keyboarder Zeus B. Held, seit gerade einmal drei Jahren bei Guru Guru, verleiht dem Sound eine beträchtliche Bandbreite, Peter Kühmstedt hält mit seinem Bass alles zusammen, Gitarrist Roland Schaeffer – der ab und zu auch mal zur Schalmei greift und zusätzlich für den Lead-Gesang samt gelegentlicher Scat-Einlage verantwortlich ist – tanzt über die Saiten, und Neumeier jagt mit einer Souveränität und Kraft über sein Schlagzeug, die seinen immerhin 82 Lenzen Lügen straft. Herrlich, wenn er bei „Living in the Woods“ mit nur einer Tom vom Bühnenrand aus die Menge hypnotisiert oder später zum großen „Pow Wow“ aufruft, um dann in „Free Jazz“ an seine Grenzen zu gehen – und ebenso herrlich, dass die anderen ohne mit der Wimper zu zucken mitmachen. Lediglich bei der ein oder anderen chorischen Passage zeigen sich Schwächen in der Intonation, die den Fans aber egal sind. Dafür ist der Sog der Musik schlichtweg zu groß.

 

Bis nach 22 Uhr zeigen Guru Guru, dass Krautrock noch lange nicht tot ist, sondern ganz im Gegenteil durchaus noch etwas zu sagen hat. Man muss halt nur hingehen und zuhören. Und wer weiß, vielleicht kommt dann auch der Elektrolurch um die Ecke – das entsprechende Kostüm mitsamt des ausgefallenen Kopfschmucks hat Neumeier in der Regel im Gepäck.

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