Der Deutsche Musikrat kommt aus dem Feiern kaum noch heraus: Gleich sieben Jubiläen stehen und standen in diesem Jahr bei der in Bonn ansässigen Institution auf dem Programm, darunter der eigene 70. Geburtstag ebenso wie 60 Jahre Jugend musiziert, 40 Jahre Deutscher Chorwettbewerb – und 35 Jahre Bundesjazzorchester. Letzteres gilt als die Kaderschmiede des Jazz in Deutschland, die schon Künstlerinnen und Künstler wie Till Brönner, Roger Cicero, Michael Wollny, Nils Wülker und Rebekka Ziegler hervorgebracht hat. In seiner neuesten Inkarnation ist das BuJazzO nun unter der Leitung von Nikki Iles in der Bonner Oper aufgetreten und überzeugte nicht zuletzt mit erfreulich vielen starken Damen.
Während man in der Vergangenheit Frauen im BuJazzO abseits des exzellenten Vokal-Ensembles nur selten fand, ist das BuJazzO mit der Besetzung 2023/2024 weitaus besser aufgestellt. Eine von immerhin zwei Bassistinnen, eine Posaunistin, eine Trompeterin und zwei von drei Saxofonistinnen waren bei dem Bonner Heimspiel mit von der Partie, ebenso wie drei von sechs Sängerinnen; insgesamt sind ein Drittel des Klangkörpers weiblich, sehr zur Freude von Nikki Iles. Die Britin ist eine ausgezeichnete Pianistin, Arrangeurin, Komponistin und Dozentin, die dennoch oft unterschätzt wird. Ein schwerer Fehler, wie er Auftritt des BuJazzO am vergangenen Dienstag eindrucksvoll zeigte. Werke wie „Hush“, „Misfits“ oder das dem Konzert seinen Namen leihende „Awakening“ erwiesen sich als ebenso kraft- wie gefühlvolle Werke mit einem von Bill Evans inspirierten lyrischen Ton, die dank einiger spektakulärer Soli und eines knackigen Gesamtklangs regelrecht aufblühten. Bei „Face to Face“ gestaltete Luzie Micha die Melodielinie mit viel Emotion, kurz darauf setzte Jazz-Shooting-Star Daniel Migliosi (Trompete) seinen eigenen Akzent, ebenso wie Bassistin Tabea Kind, um nur einige zu nennen. Das kam im leider nur halbvollen Opernhaus gut an, zumal Nikki Iles den einzelnen Stücken mit einigen launigen Moderationen Konturen verlieh und sie einordnete, etwa indem sie auf den – ebenfalls unterschätzten – Saxofonisten Stan Sulzmann verwies, dem sie mit „Hush“ ein Denkmal setzte.
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Natürlich durfte auch das Vokal-Ensemble glänzen, das mit „Celeste“ (geschrieben von Ralph Towner und Norma Winstone, der Grande Dame des europäischen Jazz) schon im ersten Teil des Abends eine erste Herausforderung meisterte, bevor es mit Nat Adderleys „Sermonette“ dem Scat-Gesang frönte. Aus dem Rahmen fiel hingegen James Taylors „Lonesome Road“, das allerdings mit einem so wunderschönen Arrangement daherkam, dass es eine Schande gewesen wäre, diese Folk-Ballade außen vor zu lassen. Das Publikum war denn auch zu Recht begeistert und bedachte das BuJazzO nach einem gut zweieinhalbstündigen Konzert (inklusive Pause) mit tosendem Applaus. Ein nächstes Wiedersehen ist übrigens bereits in Planung: Wahrscheinlich wird das BuJazzO beim Jazzfest Bonn 2024 erneut auftreten, vielleicht sogar wieder in der Oper, die dann hoffentlich ausverkauft sein wird. Die Musikerinnen und Musiker hätten es verdient.
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