Das Publikum tobt. Noch hat Andrew Hozier-Byrne keinen einzigen Ton gesungen, doch allein seine Anwesenheit versetzt viele Fans im Carlswerk Viktoria in Verzückung. Die Verehrung, die dem irischen Sänger in Köln entgegenschlägt, scheint nahezu grenzenlos zu sein – eine Frau vor der Bühne hebt sogar ein Ikonenbild mit dem Antlitz des 33-Jährigen in die Höhe. Hozier, der Jesus des Folkrock. Angesichts dieser überbordenden Euphorie, die durchaus an die Boyband-Manie der 90er Jahre erinnert, mag man den charmanten Künstler vorschnell für eine Art Posterboy halten, der mit seinen teils tanzbaren, teils dunklen Songs mehr Schein als Sein ist. Doch das wäre ein Fehlurteil. Denn Hozier besticht im Verlauf von gut 90 Minuten sowohl durch musikalischen als auch durch lyrischen Tiefgang. Und durch ganz viel Gefühl.
Tatsächlich erweist sich Hozier als durchaus politischer Künstler, nicht nur durch das „Take Me To Church“, in dem er die katholische Kirche für ihre Haltung gegenüber Frauen und Homosexuellen kritisiert und mit dem ihm 2012 sein Durchbruch gelang. Auch die neue Single „Eat Your Young“, mit der Hozier auf das kommende Album „Unreal Unearth“ verweist und die das Konzert eröffnet, beschäftigt sich mit gesellschaftlichen Verwerfungen, um genauer zu sein mit dem Missverhältnis zwischen Arm und Reich. Auf der Bühne entsteht dazu ein Sound-Konvolut aus Synthi-Klängen, Gitarrenriffs und Cello-Passagen, während der Sänger seine Stimme in unglaubliche Höhen katapultiert. Manchmal wirkt dies künstlich, was aber auch an den übersteuerten Boxen liegen mag, die die Musik viel zu laut in den Raum pressen – und an der ungewöhnlichen Mischung aus Folk und Disco, Rock und Pop, Blues und Gospel, die Hozier zusammengestellt hat, die aber auch für so manch unerwarteten Moment sorgt. Herrlich etwa das intensive, von Dantes „Göttlicher Komödie“ inspirierte „Francesca“, das aus dem Rock heraus in eine Art Errettungsgesang mündet; stark auch „Like Real People Do“, bei dem Hozier Support-Sängerin Victoria Canal auf die Bühne bittet, sowie das hypnotische „Movement“. Die Menge feiert jedes einzelne Stück, übertreibt es aber mitunter: Bei dem leicht bluesigen „Angel of Small Death“ bricht Hozier irgendwann ab und ruft die Sanitäter, weil jemand im Publikum kollabiert ist. Es ist nicht das einzige Opfer der stickigen Luft. Aber für Hozier nimmt man das Risiko eben auf sich.
Kommentar schreiben