Die Zukunft ist immer ungewiss. Wer weiß schon, was morgen sein wird. Und doch, alleine die Tatsache, dass Menschen sich Gedanken über die Zukunft machen und für sie planen, unterscheidet sie von den Tieren. „Es ist unsere größte Gabe und die größte Schwäche“, sagt Kabarettist Jürgen Becker, der sich in seinem aktuellen Programm „Die Ursache liegt in der Zukunft“ intensiv mit dem beschäftigt hat, was da kommen mag. Und das ist nicht gerade schön, wie er im Pantheon auflistet. Auf der einen Seite sind zahlreiche vermeintliche Sicherheiten ins Wanken geraten, auf die wir uns bislang verlassen haben, und auf der anderen Seite fehlt es an neuen Visionen und Utopien. Jetzt versucht Becker, die Probleme zu analysieren. Und ein neues Narrativ zu finden.
Leicht wird letzteres nicht, denn die Bürgerinnen und Bürger suchen (verständlicherweise) eher nach dem bequemsten als dem langfristig klügeren Weg. Während sie also Daten wie Konfetti
verstreuen, sich von Großkonzernen abhängig machen und weiterhin einer Vergangenheit hinterherhecheln, als der heimische Hof oder das väterliche Geschäft noch eine Perspektive boten, wird
bezahlbarer Wohnraum immer knapper, die Schere zwischen Arm und Reich immer breiter und die Defizite in der Digitalisierung immer größer. Außer in China. „Die Chinesen waren uns schon immer um
Jahrhunderte voraus“, sagt Becker und verweist unter anderem auf Schießpulver, Buchdruck und Nudeln. „Jetzt sind sie der Motor der Weltwirtschaft. Die Zukunft wird in China geschrieben.“
Mit einem Rundumschlag geht Becker auf die zahlreichen großen Themen der Gegenwart ein: Künstliche Intelligenz auf dem Vormarsch (außer in der Politik), Krieg im Osten (und im globalen Süden,
aber davon will ja keiner etwas wissen), Pflegenotstand und das Versagen des Kapitalismus mit seiner Maxime des ewigen Wachstums, was in einer beschränkten Welt noch nie hat funktionieren können,
aber erst jetzt angesichts von acht Milliarden Menschen auf diesem Planeten auffällt. Ups. „Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie euch untertan“, dieses biblische Mantra
ist nicht länger tragfähig, erst recht nicht da die Menschheit daraus zwar einen Herrschafts- und Ausbeutungsanspruch abgeleitet hat, aber leider keine Fürsorgepflicht. Doch bevor derartige
Ausführungen das Publikum im Pantheon endgültig in die Depression abgleiten lässt, fängt Becker es mit ein paar Kalauern wieder auf. Ist schließlich immer noch ein Kabarettabend, da müssen ein
paar Pointen schon sein, auch wenn die mitunter etwas platt wirken.
Egal, schließlich will Jürgen Becker nicht nur klagen, sondern helfen. Diesen Mut hat er noch, selbst wenn ihn dafür manche Chaoten in den sozialen Medien als Weltverbesserer und Gutmensch
titulieren. Seit wann sind derartige Worte eigentlich zu Schimpfwörtern geworden? „Können wir uns keine bessere Welt mehr vorstellen?“, fragt Becker kopfschüttelnd? Oder wollen wir es einfach
nicht? Beides wäre traurig. Und immerhin hat Jürgen Becker zumindest ein paar Fragmente, die zu einer neuen, hoffnungsvollen Geschichte werden können: So träumt er von einer Bürgerversicherung
für alle, von Krankenhäusern, die das Wohl der Patienten über den Wohlstand der Vorstände stellen, und von einer Kirche, die den Kölner Dom zu Sozialwohnungen umbaut. Als vollständige Utopie ist
das zu wenig. Aber es ist ein Anfang.
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