20.000 Arme in der Luft sind wirklich ein beeindruckendes Bild. Eines von vielen, für das die Broilers bei ihrem Konzert auf dem Bonner KunstRasen sorgen, und mit jedem einzelnen setzen die Düsseldorfer Maßstäbe. Noch nie haben so viele Besucher im Kreis getanzt wie an diesem Samstagabend, und noch nie saßen so viele Menschen auf den Schultern anderer, einfach weil Frontmann Sammy Amara bei „Held in unserer Mitte“ beziehungsweise bei „Wie weit wir gehen“ dazu auffordert. Angesichts von inzwischen elf Open-Air-Saisons mit Weltstars wie Tom Jones oder Santana sagt das schon eine Menge über die Broilers aus. Und über die 10.000 Fans der Punkrock-Band, die enthusiastisch und zugleich friedlich eines der besten Konzerte feiern, das jemals in der Gronau stattgefunden hat.
Die Atmosphäre auf dem Konzertgelände ist tatsächlich einmalig. „Es ist die Beste aller Zeiten, und wir sind mittendrin“ – ganz diesem Broilers-Motto folgend geben sowohl Band als auch Fans von der ersten Sekunde an alles. Erstere lassen es mit „Zurück zum Beton“ und „Schwer verliebter Hooligan“ ordentlich krachen (mehr als auf dem dazugehörigen Album), letztere schicken einen Crowdsurfer nach dem anderen in Richtung Bühne, wo die Sicherheitsleute die Menschenmengenreiter in Empfang nehmen. Das gehört nun einmal zu einem Punk-Konzert dazu – sofern man die Broilers überhaupt unter diesem Label einordnen kann. Denn eigentlich ist die Band schon längst viel weiter. Die Zeiten, in denen ein paar 13-Jährige nur ein paar rudimentäre Akkorde beherrschten und sich aufmachten, mit ihrer eigenen Oi-Punkband den Sex Pistols und den Toten Hosen nachzueifern, liegen immerhin schon drei Dekaden zurück, und seitdem sind Ausflüge in Ska und Rockabilly fester Teil der Band-Identität geworden. Nicht ohne Grund bringen die Broilers inzwischen einen Saxofonisten, einen Trompeter und einen Posaunisten mit auf Tour. Punk mit Bläsern. Klingt super. Bei „Vom Scheitern“ erklingt sogar ein Akkordeon, und selbst das scheint nicht fehl am Platz, sondern fügt sich harmonisch in den leicht rotzigen Impetus der Band ein. Ihre Musik ist durchdacht, aber nicht poliert, ist vielseitig, aber nicht beliebig. Und vor allem ist sie ehrlich, aber nicht ohne Eloquenz. So berührt etwa die Ballade „Ihr da oben“, die an jene gerichtet ist, die nicht mehr unter uns sein können, und auch „Singe, seufze und saufe“ hat mehr Tiefgang, als der Titel vermuten lässt. Geschickt ist auch der Text von „Alice und Sarah“, in dem Sammy Amara die Lebensgefährtin von AfD-Politikerin Alice Weidel bittet, letztere zum Schweigen zu bringen – was auf der einen Seite, so erzählt Amara, zu Telefonterror geführt hat, andererseits der Band aber einen enormen Popularitätsschub beschert hat.
Immer wieder werden die Broilers politisch, wenn auch mitunter etwas pathetisch. Das Publikum singt dennoch begeistert mit, etwa bei „Meine Sache“ und der in Verse gegossenen rhetorischen Frage „Ist da Jemand?“, auf die es nur eine Antwort gibt. Ja! Und wenn es nach diesen Jemanden ginge, würden die Broilers nicht nur bis 22 Uhr spielen. Das lassen die Bestimmungen der Stadt leider nicht zu – an der Band würde es wahrscheinlich nicht scheitern. Die hat dafür viel zu viel Spaß an dem Auftritt in den Rheinauen. „Wir sind überaus dankbar, dass wir diese Musik machen dürfen“, sagt Amara, „und zwar für euch.“ Eine Aussage, die das Publikum nur zurückgeben kann. So ein Konzert, da sind sich alle einig, hat man auf dem KunstRasen auf jeden Fall noch nie erlebt. Das schreit geradezu nach einer Wiederholung. Hoffentlich bald.
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