Carl Carlton: Ein Yee-Haw für Woodstock

An diese Bühne hat Carl Carlton ganz besondere Erinnerungen: Hier in der Harmonie kollabierte der Gitarrist 18 Minuten nach Beginn seines Auftritts beim ersten Bonner WDR-Crossroads-Festival im Jahr 2003 vor laufender Kamera. Nur wenige Minuten später hätte sein Freund Robert Palmer („Addicted to love“) zu ihm stoßen sollen. Es wäre das letzte Deutschland-Konzert des Briten gewesen, der zwei Wochen später in einem Pariser Hotel starb. Ein harter Schlag für Carlton, damals, vor fast elf Jahren. Nun spielt er erstmals wieder in der Harmonie – und blickt zurück auf das Leben eines anderen kürzlich verstorbenen Freund und Mentors. Levon Helm, Sänger und Drummer von „The Band“, steht im Mittelpunkt von Carltons ausgiebigem Storytelling. Dabei soll es laut Programmtitel doch um den „Spirit of Woodstock“ gehen. „Aber Levon ist doch Woodstock“, ruft Carlton aus. Und holt weit aus.

Ja, Carlton hat viel zu erzählen. Gerade einmal sechs Stücke spielt er in der ersten Stunde, der Rest ist Reden. Ist aber nicht schlimm: Auch wenn der gebürtige Friese das Woodstock-Festival selbst nicht miterlebt hat, hat er sich doch tief in die Geschichten und Anekdoten der heutigen Künstler-Kolonie gegraben; zudem hat er schon mit Ikonen wie Joe Cocker, Eric Burdon und eben Levon Helm gearbeitet. Die Songs, die er nun in der Harmonie spielt, sollen daher alle irgendwie mit dem Geist Woodstocks in Verbindung stehen: Bei Cover-Versionen von „The Band“- und „Grateful Dead“-Hits ist das noch offensichtlich, in anderen Fällen konstruiert Carlton den Zusammenhang eben so, dass es passt. Das Publikum stört sich nicht daran, erfreut sich eher an den Geschichten Carltons und denkt selbst mit einer gewissen Wehmut an jene Zeiten zurück.

Stilistisch bleibt Carlton, der in Deutschland vor allem als Komponist und Produzent von Peter Maffay und Udo Lindenberg bekannt geworden ist, eng an Country und Folk, etwa mit Robbie Robertsons „The Night they drove old Dixie down“, „Tennessee Jed“ oder Steve Earles „The Galway Girl“. Dazu kommen Up-Tempo-Bluesnummern wie „The Red Rooster“ oder „I can't be satisfied“, die unweigerlich ein „Yee-Haw“ aus manchen Kehlen locken. Auch aus Carltons, der sich gesanglich gerne mal von seinem Pianisten Pascal Kravetz und Drummer Wayne P. Sheehy unterstützen lässt. Für ein paar Stücke kommt sogar sein Sohn Max Buskohl (bekannt durch seinen freiwilligen Austritt aus dem Finale der vierten Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“) auf die Bühne – dieser hatte schon im Vorprogramm seine rauen Singer-Songwriter-Kompositionen präsentiert, spielte im Konzert seines Vaters aber letztlich nur die zweite Geige.

Der musikalische Höhepunkt des Abends ist dann aber ein ganz schlichter, stiller Welthit. Kein Yee-Haw, keinen einordnende Geschichte, keine große Einleitung. Nur ein Klavier, eine Gitarre und zwei Stimmen. Und Bob Dylans „The Times they are a-changin'“. Ein Lied, das für sich selber spricht und dem Carlton und Kravetz den dafür nötigen Raum öffnen. Besser geht’s nicht.

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