Lacher lassen sich mit Mythen und hinlänglich bekannten Klischees leichter erreichen als mit fundierten Fakten: Unter dieser Prämisse hat Sebastian Schnoy im Rahmen der Reihe „Neunmalklug“ im Haus der Springmaus zu einem wilden Ritt durch die europäische Geschichte eingeladen, zu einer Reise zu genialen Griechen, eitlen Römern, strohdummen Briten und nackten Germanen. Vor allem letztere zieht er als Vorgänger der Deutschen immer wieder heran, um bestimmte völkische Wesenszüge zu erklären, die Treue zu Führungspersönlichkeiten etwa oder die Angst vor der Burka, die einem anstürmenden Nudisten jeden Schrecken nehmen würde – was zur Landesverteidigung gegen angreifende Legionen früher jedoch unabdingbar gewesen sei.
Doch Vorsicht: „Mit der Neuzeit beginnt das Zweifeln“, sagt Schnoy. Und genau dies sollte sein Publikum mit Blick auf seine Aussagen auch tun. Denn der Guido Knopp der Wissenschafts-Comedy liebt
es, zu simplifizieren, amüsante Geschichten zu erzählen statt echte Geschichte zu vermitteln und Halbwahrheiten unter dem Deckmantel des Humors zu kolportieren. So lässt er Caligulas
Lieblingsrennpferd kurzerhand zum erfolgreichen Konsul werden (ein Plan, den der römische Kaiser zwar angeblich gehabt haben soll, jedoch laut Quellenlage nie in die Tat umsetzte) oder macht
Napoleon (von dem man im Gegensatz zum Programmtitel nicht lernt, wie man sich vor dem Abwasch drückt) deutlich kleiner als er in Wirklichkeit war. Auch seine Behauptung, dass das Mittelalter (in
das er fälschlicherweise auch die Hexenverfolgung verlegt) eine kulturell und wissenschaftlich dunkle Zeit war, wird durch die Gründung der ersten Universitäten in Italien und Frankreich ebenso
ad absurdum geführt wie durch Thomas von Aquin, Albertus Magnus und Meister Eckhart. Einem echten Historiker sollten derartige Ungenauigkeiten eigentlich nicht passieren. Aber Hauptsache, die
Vorurteile stimmen...
Dabei kann Schnoy auch anders, vor allem wenn er in der Gegenwart bleibt. Immer wieder schießt er respektlos scharfe Spitzen gegen Politiker und Prominente, offenbart die Dekadenz in
heruntergekühlten Indoor-Ski-Hallen mit geheizter Alpenhütte (in der wiederum ein Kühlschrank steht) und setzt sich für mehr Europa ein. Wenn selbst die Minibar zum Historiker-Paradies wird, weil
sich darin noch das ein oder andere Raider befinden kann, sollte Schnoy sich vielleicht auf die Erkundung ihrer Historie konzentrieren, auch wenn dabei möglicherweise einige unsäglich peinliche
Aussagen („nur noch die Assis vermehren sich“) herauskommen. Immer noch besser als dieser aufgesetzte Historizismus. Denn während seine teils bitterbösen Anspielungen auf Tagespolitik und
Gesellschaftsdramen immer wieder einen Nerv treffen, sorgen Schnoys Streifzüge in die weitere Vergangenheit für keinerlei Erkenntnisgewinn, wirken wahllos, beliebig und letztlich als aggressive
Werbemaßnahme für seine Bücher, die er mit etwas zu viel Vehemenz anpreist. Das hat die Geschichte nicht verdient.
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