Simple Minds: Vergessen verboten

„Don't you forget about me“ singt Jim Kerr. Es soll wohl eine Mahnung sein, seine „Simple Minds“ nicht einfach zum alten Eisen zu zählen. Hallo, wir sind auch noch da – diese unterschwellige Botschaft senden die Schotten schon seit einigen Jahren aus, zuerst mit ihrer 5x5- und jetzt eben mit ihrer Celebrate-Tour. Best-of-Programme, die es aber immer noch in sich haben, wie die Minds am vergangenen Freitag im Palladium in Köln unter Beweis stellen konnten. Die Mischung aus New Wave und Rock, mit fetten Synthi-Klängen über E-Gitarren-Riffs, kommt in der übervollen Halle hervorragend zur Geltung. Das Publikum ist gut drauf, Frontmann Kerr auch. „Ihr seid wunderbar, fantastisch, superkrass“, sagt er. Und verspricht: „We play everything – everything possible“.

Mit Ausnahme von „Belfast Child“ scheint tatsächlich alles möglich zu sein, auch wenn von den ursprünglichen Simple Minds nur noch Kerr und Gitarrist Charlie Burchill übrig sind. Egal: „Glittering Prize“ und „Waterfront“ sind ebenso im Programm wie „Someone somewhere in Summertime“, „The American“ und eben „Don't you (forget about me)“. Dazu kommen zwei neue Songs, „Blood Diamonds“ und „Broken Glass Park“, beide mit den typischen Glitzer-Keyboards, diesem 80er-Jahre-Sound der Simple Minds, der dennoch irgendwie modern wirkt. Oben drauf, als hätten diese selbst nicht genug Hits geschrieben, legt die Band noch zwei Cover-Versionen: „Let the day begin“ stammt ursprünglich von der US-Gruppe „The Call“, während das von Background-Sängerin Sarah Brown fantastisch dargebotene „Dancing Barefoot“ (die Dame macht übrigens auch bei anderen Songs wie etwa „Love Song“ einen exzellenten Job) eine elektronisch aufgepeppte Fassung des gleichnamigen Patti-Smith-Klassikers ist.

Im Mittelpunkt der Show steht aber trotz mancher Akzente von Brown oder einem der Instrumentalisten unbestreitbar Jim Kerr, der sein Mikro leidenschaftlich gerne umherfliegen lässt, es dann einholt, hineingurrt, ein paar Zeilen singt und es bei der nächsten Gelegenheit erneut auf Reisen schickt. Wenn er selbst nicht mehr ganz so energetisch über die Bühne jagen kann wie früher, muss eben ein Ersatz ran. Auch wenn es nur ein Mikro ist. Dabei bemüht sich Kerr ja, selbst überall einmal aufzutauchen, mäandert in alle Ecken der Bühne, animiert das Publikum, hockt sich an den Rand oder ragt neben dem Keyboard empor, den Arm in die Höhe gereckt. Kein Wunder, dass er nach den ersten 50 Minuten eine kleine Pause braucht, zumal der Innenraum des Palladiums einer Sauna gleicht. Andererseits hat Kerr die Menge so gut im Griff, lässt es bei „Someone somewhere in summertime“ im Refrain mitsingen („Brrravo“, ruft er anschließend aus) und gibt bei „Don't you“ zum Teil sogar komplett seinen Job ab. „Hey Hey Hey Hey“ aus mehreren tausend Kehlen, dagegen kommt auch der 54-Jährige nicht an. Will er wahrscheinlich auch gar nicht.

Mehr als zwei Stunden spielen die Simple Minds – das reicht, wie schon durch Kerr angekündigt, nicht für alles, aber für alles mögliche. Rock-Hymnen und eher unbekannte Songs, beide haben ihren Platz in der Band-Geschichte, aber auch in einem aktuellen Konzert. Angerostet oder angestaubt wirkt davon kaum etwas. Die Simple Minds sind vielmehr, ihrem finalen Mega-Hit folgend, „Alive and kicking“. Tritte gegen das Vergessen. Dafür ist eine Best-of-Tour hervorragend geeignet. Und wer sich nach neuem Material sehnt, muss sich eben noch bis September gedulden. Dann soll das 17. Simple-Minds-Album erscheinen. 

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