Urban Priol: „Die ganze Welt ist gaga“

Veränderung ist schädlich. Weiß doch jeder. Der Mensch ist nun einmal ein Gewohnheitstier und verlässt sich im Leben lieber auf Bewährtes als auf Unbekanntes. Für Urban Priol ist das ein paradoxer Vorteil, immerhin kann er sich gerade deswegen seit nunmehr 35 Jahren auf der Bühne darüber aufregen, dass sich nichts ändert und immer noch die selbe Bräsigkeit die Politik regiert wie 1982. Damals hat er angefangen, zusammen mit Helmut Kohl, dessen Bequemlichkeit und dessen Sitzfleisch ein Eigenleben in Form von Angela Merkel entwickelt hat. Auf beide hat Priol sich eingeschossen, sie sind seine Feindbilder, der Dicke und die Mutti. Anlässlich seines Bühnenjubiläums rechnet er kurzerhand mit beiden ab – unter anderem auch im Haus der Springmaus.

„Demokratie lebt von Veränderung“: Diesen klugen Satz hat sich einst Barack Obama ausgerechnet von Angela Merkel anhören müssen. Bei so etwas stehen Priol im wahrsten Sinne des Wortes die Haare zu Berge. Solche Worte von Lady Pattex, die mit Stabilität wirbt und dabei Stillstand meint. Absurd ist das, sagt Priol. Und doch nur ein Symptom einer Welt, die aus den Fugen geraten ist. Einer Welt, in der Rentnerinnen zur Tafel gehen müssen, weil sie mit ihrer Rente nicht über die Runden kommen, während Konzerne wie Siemens Milliardengewinne einfahren und zur Feier des Tages kurzerhand 7000 Mitarbeiter entlassen. Einer Welt, in der Pferde mit sieben Prozent Mehrwertsteuer veranschlagt werden, Esel aber mit 19 Prozent. Einer Welt, in der jeder nur noch auf das eigene Wohl schaut und dabei ignoriert, dass alles auseinanderzubrechen droht, inklusive Europa. Aber wer soll es auch richten? Sebastian Kurz? Christian Lindner? Jens Spahn? Wohl kaum. Die Generation Luftpumpe will laut Priol doch nur allen zeigen, dass es sich rächt, sie einst beim Fußballspiel auf dem Schulhof in die Ecke gestellt zu haben. Perspektiven sieht der Kabarettist mit dem wilden Kopfschmuck bei ihnen nicht.

Wie üblich springt Priol auch im aktuellen Programm „gesternheutemorgen“ zwischen den Themen hin und her, scheinbar spontan ein argumentatorisches Chaos erschaffend. Mitunter wird erst Minuten später klar, welchen Gedankensträngen er folgt – und manchmal verheddert er sich auch in diesen. So ärgert er sich über europäische Staaten, die machen was sie wollen, nur um im Anschluss Deutschland dafür zu kritisieren, dass es den internationalen Haftbefehl gegen Carles Puigdemont gemäß geltender Gesetze prüft. Und das Erstarken der Privatsender um Sat1 und RTL führt er gar auf eine politisch gewollte „Unterschichten-Ruhigstellung“ zurück, was trotz diverser Trash-Formate einfach zu polemisch ist. Andererseits kann Priol auch sehr genau hinschauen, erinnert an den immer noch andauernden Yemen-Krieg, für den Saudi-Arabien von der Bundesrepublik kurzerhand ein paar Patrouillenboote zur Verfügung gestellt bekommt oder verweist darauf, dass die letzte „konservative Revolution“, wie sie zuletzt Alexander Dobrindt forderte, von Historikern als Wegbereiter für den Nationalsozialismus angesehen wird. Typisch CSU halt, sagt Priol, der gegen diese „Alpen-Taliban“ mindestens genau so gerne wettert wie gegen Merkel. Drei Stunden lang schießt er gegen alle, die Begriffe wie „christlich“ oder „sozial“ nur noch als Feigenblätter vor sich hertragen, ärgert sich über die Macht der Unternehmen und über das Volk, das sich wie eine Schafherde fröhlich zur Schlachtbank führen lässt. Insofern bleibt letztlich eben alles beim Alten. Was keiner mehr bedauern dürfte als Urban Priol.

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