Die Mobilés: Schlagwortsammlung aus getanzten Schatten

Schatten sind faszinierend. Sie sind da, ohne zu sein, Illusion und Projektion, dabei aber nicht statisch, sondern immer formbar. Aus dem Abbild eines Menschen können so Palmen, Frösche, Autos oder andere Figuren werden – zumindest wenn die Körperkünstler des Schattentheaters „Die Mobilés“ sich ihrer annehmen. Auf Einladung des Hauses der Springmaus zeigten sie in der Bonner Oper Wandelbarkeit in Perfektion. Ihr Programm: Ein Flickenteppich aus szenischen Fragmenten, eine Schlagwortsammlung voller Fantasie und Witz, kreativ und meisterhaft umgesetzt. Nur leider ohne einen durchgehenden roten Faden. Und ohne Magie.

Am Anfang steht eine Weltreise. Indien, China, England, Deutschland, noch ein paar weitere Länder in willkürlicher Reihenfolge. Schnell ein paar Assoziationen abgearbeitet, dann geht es weiter. Irgendwie planlos, wenn auch oft humorvoll. So taucht in Australien ein Känguru auf, das dank entsprechender musikalischer Untermalung schnell als Skippy erkannt wird, ein springender Held der Jugend. In London dominieren klischeehaft Schirm, Charme und Melone – und in Berlin wird ein Flugzeug per wilder Handzeichen zur Umkehr gezwungen, da eine Landung eben derzeit nicht möglich ist. Die Mobilés schöpfen dabei aus dem Vollen, kreieren mit brillanten Schattenwürfen ganze Metropolen, setzen aber zugleich auf den schnellen Applaus. Im Gegensatz zu „Shadowland“ der Tanzkompagnie Philobolus, das im vergangenen Jahr in der Beethovenhalle zu sehen war, erzählt das Ensemble in der Oper keine märchenhafte Geschichte, die von der ersten Sekunde an das Publikum derart in seinen Bann zieht, dass es fast vergisst zu atmen geschweige denn zu klatschen. Stattdessen gibt es kurze Versatzstücke, schneller Genuss für zwischendurch. So ist es kein Wunder, dass bei den ersten Sirtaki-Klängen in der Griechenland-Darstellung der gesamte Saal anfängt, wie auf einer Schlagerparade die Hände rhythmisch zusammenzuschlagen. Passiert eben bei einer Nummern-Revue.

Überhaupt entsteht der Eindruck, dass das abendfüllende Programm, obwohl es offenbar in dieser Form mit dem Publikums- und dem Kreativitätspreis des weltgrößten Comedy-Festivals „Juste pour rire“ in Montréal ausgezeichnet wurde, ein Zusammenschnitt von mindestens vier eigentlich unabhängigen Shows ist. Irgendwann endet die Weltreise abrupt, stattdessen beginnt unerwartet eine Liebes- und Familiengeschichte, in deren Mittelpunkt ein heranwachsendes Kind steht. Vom putzigen Baby wird es zum Schuljungen und Party-Typen, immerhin erstmals mit einem nachvollziehbaren Handlungsstrang, der allerdings regelmäßig durch Traumsequenzen aufgebrochen wird. Froschkönig, Gullivers Reisen, Rapunzel – Märchen, die kurzerhand eingewoben werden.

Die exquisite Technik der Schattentänzer und die vielen kleinen Gags verstehen es weiterhin zu faszinieren, lediglich das Konzept geht nicht so ganz auf. Immerhin setzen die Mobilés auf Vielfalt, schicken gar einen der Ihren vor die Projektionsfläche, um sich mit einem Schatten zu streiten. Und mit einem großartigen Kino-Medley, in dem Schlüsselszenen aus Filmen wie Casablanca, Titanic, Jurassic Park oder Life of Brian umgesetzt werden, sorgen sie für riesige Begeisterung. Zu recht. Doch ein Schattenwitz nach dem anderen, so gut er auch erzählt wird, macht noch kein Theater. Dafür bedarf es einer Geschichte. Aber das wäre ja vielleicht ein Projekt für die nächste Produktion. 

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