Scholly & Böhm: Lyrisch-abstrakte Klangwelten

Zugfahrten, Warp-Träume und Katzen bestimmen den Abend. Und klingende Saiten. Die des Flügels, der im Kammermusiksaal des Beethovenhauses schon von vielen Musikern gespielt wurde und jetzt unter Rainer Böhms Fingern zum Leben erwacht, und die von Norbert Schollys Gitarre. Das Jazz-Duo, das im Rahmen der Reihe „Aspekte“ in dem Halbrund zu Gast ist, wartet tatsächlich mit einer eher ungewöhnlichen Besetzung auf, besteht doch oft die Gefahr, dass eines der beiden Instrumente nicht zu seinem Recht kommt. Doch bei diesen beiden Virtuosen ist das kein Problem: Kraftvoll greift Scholly in die Saiten, geschickt setzt Böhm dem sein eigenes Spiel entgegen, und schon entsteht ein Dialog der besonderen Art, einer, der mehr ist als die Summe der einzelnen Teile.

Dabei bieten Scholly und Böhm keine leichte Kost, auch wenn das einleitende „Warp Dream“ mit seiner hypnotisierenden Eleganz (und ohne die angesichts des Titels erwartbaren elektronischen Einflüsse) zunächst einen anderen Eindruck vermittelt. Die meisten Kompositionen erweisen sich jedoch als ziemlich abstrakt, insbesondere in den Solo-Passagen, in denen jeder für sich loszieht und sich mitunter weit von der Linienführung des Partners entfernt, nur um dann unvermittelt wieder zu diesem zurückzukommen und in die feinen Verästelungen einzusteigen, die gerade entstehen. Auffällig ist dies etwa bei einem Stück, das während einer Reise mit der Deutschen Bahn entstand und das rhythmisch überaus vertrackt ist; aber auch Schollys „El movimento de la gata negra“ erfordert sowohl von den Musikern als auch vom Publikum höchste Konzentration. Themen und Melodien sind nicht mehr als ein Startpunkt, aus denen sich alles mögliche entwickeln kann, wie auch bei dem Standard „Just One Of These Things“ offenbar wird, dem Scholly und Böhm zunächst eine Art Laiserkasten-Charme verleihen, um dann in ein wildes Meer aus Arabesken und unerwarteten Wendungen einzutauchen. Das Publikum folgt dieser atemberaubenden Darbietung mit glänzenden Augen, zeigt sich restlos begeistert und bedankt sich mit tosendem Applaus.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0