„La Luna“: Der nicht ganz normale Zirkus-Wahnsinn

Hinterm Zirkuszelt ist Schluss mit lustig. Zumindest wenn es nach Direktor Hamilton Gomez (Michele Chen) geht, einem lauten, cholerischen Sklaventreiber, der direkt aus einem Fellini-Film entsprungen sein könnte. Dumm nur, dass Artisten im Allgemeinen und das Ensemble der GOP-Show „La Luna“ im Besonderen neben harter Arbeit auch ein bisschen Spaß haben wollen. Zumal die Truppe ohnehin aus ziemlich seltsamen Vögeln besteht, die mit normalen Regeln ohnehin nicht viel anfangen können. Chaos ist somit vorprogrammiert – und verspricht jetzt auch in der Bonner Dependance des großen Varieté-Theaters einige unterhaltsame Abende.

In der schrägen, mit zahlreichen Klischees spielenden Bühnenwelt von „La Luna“ wimmelt es nur so vor skurrilen Gestalten. Da wäre zum Beispiel die feurige, völlig überdrehte Paloma (Marianna de Sanctis), eine Italienerin mit unglaublich schneller Zunge, Selfie-Sucht und einer ausgeprägten Leidenschaft für eine Mischung aus Kung Fu, Slapstick und Hula Hoop; dann der verträumte Jongleur Baptiste (Florent Lestage), der Keulen nicht nur mit seinen Händen, sondern auch mit einem Gehstock auffängt und leider am Premierenabend nicht ganz auf der Höhe ist; der Balance-Künstler Miguel (Lucas Bergandi), der auch mal auf Küchentüchern über das Drahtseil rutscht; und die völlig durchgeknallte Marzipani (Amélie Demay), Assistentin des großen Zampanos Gomez und als moderne Entsprechung des dummen Augusts eine der großartigsten Figuren des gesamten Programms. Diese und andere Figuren wuseln durch die Gegend, greifen dabei auch gerne mal zu diversen Musikinstrumenten und begleiten damit ihre Kollegen, während diese ihre Nummern präsentieren – oder träumen im Mondenschein von der Liebe.

Zugegeben, zumindest bei der Premiere zündet noch nicht jede Pointe, und auch einzelne akrobatische Darbietungen könnten noch überzeugender sein. So ist die Hula-Hoop-Nummer von Vivian Hancock zwar durchaus sehenswert, als angekündigtes großes Finale aber ein wenig zu beliebig – das mag allerdings auch damit zusammenhängen, dass in der Vorgänger-Show „Toys“  Kateryna Kurichenko viele der jetzt gezeigten Kunststücke bereits auf höchstem Niveau dargeboten hat und damit die Messlatte besonders hoch hängt. Und die Handstand-Comedy des Duo Manducas ist zwar technisch exzellent, mit brachialem Klamauk samt typisch expressiver Geräuscheffekte aber fast schon ein wenig zu viel des Guten. Andererseits bringt „La Luna“ immerhin Jonglage und Reifenkunst zusammen, lässt zwei Artisten aus unterschiedlichen Disziplinen eine gemeinsame Nummer präsentieren und schafft damit etwas, was man im klassischen Varieté nur selten zu Gesicht bekommt. Ist vielleicht noch nicht ganz perfekt, aber bereits jetzt ein Augenschmaus. Gleiches gilt übrigens für die kraftvolle Tango-Akrobatik von Chen und Demay (beide immerhin um die 50), die damit eine ganz andere Seite ihrer sonst clownesken Rollen offenbaren und letztlich für den Höhepunkt der Show sorgen. Alleine dafür lohnt es sich, dem GOP mal einen Besuch abzustatten. Denn auch wenn „La Luna“ nicht ganz mit „Plüfoli“ oder „Toys“ mithalten kann, sorgen die abgedrehten Charaktere, die handgemachte Musik und eine letztlich immer noch äußerst beeindruckende Artistik doch für einen abwechslungsreichen und natürlich wahnwitzigen Abend.

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