Chris Tall: Sieben auf einen Streich

Wer sich ernst nimmt, hat verloren – und wer ihn ernst nimmt erst recht. So scheint zumindest die Einstellung von Chris Tall zu lauten, und angesichts der üblicherweise ausverkauften großen Hallen und Arenen, die der 26-jährige Komiker seit einigen Jahren zu füllen versteht, kommt dieser Wunsch nach ein bisschen mehr Lässigkeit beim Publikum sehr gut an. Bei Chris Tall kriegt einfach jeder sein Fett weg, ist jeder ein potentielles Ziel. Aber nie ein Opfer. Nur wenige Tage vor der offiziellen Premiere seines dritten Programms „Und jetzt ist Papa dran“ hat Chris Tall nun im Pantheon noch einmal auf offener Bühne Hand angelegt und den Pointen den letzten Feinschliff gegeben, sehr zur Begeisterung der johlenden Menge, die sich angesichts der sexuellen Ausführungen des „kleinen Dicken“ herrlich amüsiert.

Im Vergleich zu seinem Mutti-Programm ist Chris Tall tatsächlich noch zotiger geworden, noch begieriger auf Geschichten von Wurzelgnomen und standhaften Zyklopen (mit diesen Metaphern habe sein Vater ihn einst aufzuklären versucht, gesteht er). Dabei ist ihm nichts heilig, sogar einen Zwölfjährigen fragt er zu diesem Thema gnadenlos aus. Sonderlich witzig ist das nicht, schon gar nicht in Dauerschleife. Doch über etwas anderes zu reden, fällt Chris Tall nur selten ein. Schade, diese Einseitigkeit ist wirklich unnötig. Denn dadurch verlieren einige wirklich gute Nummern letztlich einen Teil ihres Reizes. Nicht nur das bereits erwähnte Aufklärungsgespräch, bei dem der damals 15-jährige Chris seinen Erzeuger gnadenlos auflaufen lässt, sondern auch das vom Herrn Papa eingebrockte Tinder-Massen-Dating sind trotz ihrer prominenten Positionierung schnell wieder vergessen, überflutet von anderen Anspielungen und Offenbarungen. Dabei hatte Chris Tall sich doch so sehr ins Zeug gelegt. Sieben Frauen auf einen Streich, das muss man erst einmal schaffen. Vor allem wenn sich darunter eine Fesselspiel-Quasseltante, eine Fitness-Trainerin und eine Minderjährige befinden. Eigentlich könnte man mit diesem Material einen kompletten Abend bestreiten, und zwar ohne bei jeder sich bietenden Gelegenheit wie ein spätpubertierender Troglodyt nur mit dem Unterleib zu denken. Doch Chris Tall setzt lieber auf Masse statt auf Originalität und Tiefgang.

Allerdings kann man ihm nicht wirklich böse sein. Denn eigentlich geht es Chris Tall gar nicht um die Gags, sondern um sein Publikum. Er will mit Menschen in Kontakt kommen, will mit ihnen erst über sich und dann über sie lachen. Ja, das sagen viele Comedians – aber diesem nimmt man das ab. Diese Authentizität ist seine größte Stärke. Und vielleicht wählt er gerade deswegen den flachen, ausgetretenen Weg, ärgert sich über das von Hunden dominierte „Supertalent“ und das von Anti-Promis belegte Dschungelcamp, sucht Zoten für und Lacher von jedermann. „Das ist so asozial – aber lustig“, sagt er einmal über eine seiner Pointen. Findet das Publikum auch. „Ihr seid echt geil, weil ihr euch nicht so ernst nehmt“, lobt Chris Tall und betont, dass bei ihm jeder willkommen ist, der über sich selbst am lautesten lachen oder ihm ordentlich Kontra geben kann. Was nicht zuletzt für viele Behinderte sowie Angehörige von Minderheiten gilt. „Wichtig ist nur, dass alles auf Augenhöhe stattfindet“, betont Chris Tall. „Denn sonst ist es Mobbing. Und Mobbing ist Scheiße.“

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