Sia Korthaus: Nostalgie mit Bambi

Ein bisschen Reh geht immer. Ein kleines Geweih, ein paar Wortspiel-Verse mit besagtem Paarhufer, schon ist der nächste Übergang geschafft. Ist schließlich nicht immer einfach, wenn das Programm „Wilder Wechsel“ heißt und dazu der Bogen von nostalgisch verklärten Schlager-Prägungen über auf alte Werbeslogans bis hin zu Geschäftsideen auf einer Hallig, den Herausforderungen der Wechseljahre und dem Familiengeflecht des „Bergdoktors“ geschlagen werden soll. Doch Sia Korthaus kriegt das hin. Irgendwie. Jetzt war die Kabarettistin (mit und ohne Reh) im Rahmenprogramm des Kleinen Theaters zu Gast – und brachte mit charmanten, teils bissigen Komentaren und dem ein oder anderen geschickten Rollenwechsel tatsächlich alles zusammen.

Natürlich kann Sia Korthaus mit den üblichen „früher war alles besser“-Phrasen nicht viel verkehrt machen. Das Schwelgen in der Vergangenheit ist ohnehin eine Art Volkssport, und die Prägungen der Jugend beweisen einmal mehr ihre Macht. Zwischen Herrn Kaiser und Frau Antje fühlt man sich nun einmal sicher, und dank prägnanter Klippenspringer ist selbst die Deo-Wahl vorangelegt. Selbst wenn dann ein anderes damit wirbt, neuerdings auf Mikroplastik zu verzichten, was eigentlich schon immer hätte selbstverständlich sein sollen. Womit der Schlenker in die Gegenwart geschafft wäre, den Sia Korthaus zu ein paar gesellschaftspolitischen Spitzen nutzt, die jedem politischen Kabarettisten gut zu Gesicht stehen würden.

 

Ohnehin bemüht sie sich, nicht nur in den Niederungen der Comedy zu fischen, sondern vielmehr regelmäßig Haltung zu zeigen. Als Seniorin kommentiert sie den Mangel an geschlechtsspezifischer Medizin, als norddeutsche Schäferin mit Friesennerz den Bedarf nach etwas Ruhe und „digital detox“, also digitaler Entgiftung. Dann wieder blickt sie auf Donald Trump, die AfD und die Anforderungen eines Komposthaufens (nicht, dass es da einen Zusammenhang geben würde) oder löst mit ein paar Umschulungsprogrammen die Personalsorgen der Deutschen Bahn. Schaffner, die früher als Marktschreier, Karussellbetreiber und Telefonsex-Mitarbeiterinnen gearbeitet haben, wären wirklich eine schöne Idee.

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