
Er kann’s einfach nicht lassen: Einmal mehr hat Florian Schroeder in seinem Jahresrückblick „Schluss jetzt“ auf Politiker aller Parteien geschimpft, hat sie vorgeführt, verurteilt und bei seinem ersten Auftritt in der in der Bonner Oper kurzerhand an den Pranger gestellt. Der 45-Jährige inszeniert sich als Ankläger, Richter und Henker in einer Person. Seine Beweise sind Videoschnipsel, die der Kabarettist sich so zusammenschneidet, wie er sie gerade braucht (und die er mitunter auch mal aus dem Zusammenhang zerrt), seine Waffe das gesamte Potenzial der satirischen Übertreibung und sein Urteil vernichtend. Schroeder ist wütend, das merkt man, und gleichzeitig bitter enttäuscht von den Parteien – und vom Volk. Denn auch wenn die Regierung in den vergangenen Monaten kein gutes Bild abgegeben hat, haben ihre Mitglieder die AfD und das BSW nicht selbst gewählt. So viel Differenzierung muss dann doch sein.
Tatsächlich bemüht sich Florian Schroeder, nicht allzu sehr zu Pauschalisieren. Der Ampel etwa stellt er bei einzelnen Gesetzesvorhaben durchaus ein gutes Zeugnis aus, das aber nicht ausreicht,
um die restliche desaströse Leistung auch nur annähernd wiedergutzumachen. Natürlich richtet sich sein Zorn vor allem gegen die FDP, der er „Verrat an der Freiheit“ vorwirft, doch auch die Grünen
in Form von Robert Habeck (zu Annalena Baerbock hält er sich dezent zurück) und die SPD bekommen ihr Fett weg. Letztere kritisiert er vor allem für den Umgang mit der Kanzlerfrage: Während Olaf
Scholz im Ausland weilt und sich nicht selbst äußern kann, bringt sich Boris Pistorius als potenzieller Kandidat ins Spiel, nur um dann wieder zurückziehen zu müssen. Im Umgang mit den eigenen
Leuten, so konstatiert Schroeder, sei die SPD „die asozialste Dreckspartei“. Dann geht er erwartbar die AfD sowie das BSW an, führt Maximilian Krah samt seiner Vorliebe für „echte Männer“ und für
die Taliban ins Feld, verlacht die trotzige Sarah Wagenknecht mit ihrer ebenso sozialistischen wie fremdenfeindlichen Sekte (ja, das geht durchaus zusammen) und und erinnert an die unwürdige
Blockade des Thüringer Landtags durch den AfD-Politiker und Alterspräsidenten Jürgen Treutler. In allen Fällen hat er in der Sache recht, doch seine Fixierung auf einzelne Personen, die er nach
allen Regeln der Kunst verhöhnt und vorführt, ist nur selten zielführend.
Dabei weiß Schroeder natürlich, dass die Aussagen einzelner Personen ein Symptom sind, aber nicht die Ursache der Probleme in Deutschland. Trotzdem kann er nicht aus seiner Haut und muss geradezu
reflexartig Greta Thunberg einen Hass auf Israel vorwerfen, bevor er zu einer etwas differenzierteren Sichtweise der Situation im Nahen Osten gelangt. „Das Recht Israels auf Selbstverteidigung
ist nicht grenzenlos“, sagt er und bezeichnet die Angriffe auf die Zivilbevölkerung in Gaza als ebenso barbarisch wie den Anschlag der Hamas vom Oktober 2023. Reine schwarz-weiß-Malerei ist eben
nicht zielführend. Diese Prämisse scheint Schroeder mitunter allerdings selbst zu ignorieren. Kontextualisierung fordern und gleichzeitig von Politikern aller Couleur nur Halbsätze einzuspielen,
ist immerhin im besten Fall grenzwertig, im schlimmsten bigott. Da hilft es auch nicht, sich vom Publikum die eigenen Positionen bestätigen zu lassen – dieses darf nämlich auf bereitgelegten
Karten aufschreiben, womit es selbst gerne Schluss machen möchte, was mitunter zu ein paar absurden Kommentaren führt („Ich möchte mit dem Kulliklau aufhören“), genauso oft Schroeder aber ein
bisschen Selbstbeweihräucherung ermöglicht. Eigentlich schade, sollte er doch derartige Mätzchen gar nicht nötig haben. Klar, das ist einfacher als ein Blick auf die wahren Probleme Deutschlands
(die Schroeder immerhin skizziert), aber vor allem in dieser Fülle kein guter Stil. Das kann er besser. Beim Publikum verfängt sein Ansatz aber: Es bejubelt Florian Schroeders Pointen ausgiebig
und bedankt sich mit tosendem Applaus.
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