Die Brüder Löwenherz: Zwischen Klamauk und Trauer

Eigentlich gibt es in „Die Brüder Löwenherz“ nicht viel zu lachen. Der Roman von Astrid Lindgren ist dafür viel zu ernst, immerhin geht es um den Tod, um Trauer, um Angst. Und um Hoffnung. Und um Trost. Von allen Kinderbüchern, die die schwedische Schriftstellerin in ihrem Leben geschrieben hat, ist dieses sicherlich das am meisten erwachsene, mit einigen sehr traurigen und nachdenklichen Kernbotschaften, die weitaus mehr Reife der Rezipienten fordern als die Abenteuer von Pippi Langstrumpf oder Karlsson vom Dach. Nun hat Regisseur Simon Solberg den Stoff für das traditionelle Familienstück des Theaters Bonn zur Weihnachtszeit inszeniert und eine ganz einfache Lösung gefunden: Klamauk. Was ebenso viele Probleme schafft wie löst.

Das Stück behandelt die Geschichte des sterbenskranken Karl „Krümel“ Löwe (Jacob Z. Eckstein), dessen älterer Bruder Jonathan (Christian Czeremnych) ihm Trost spenden will und deshalb von dem magischen Land Nangijala erzählt, in das man nach dem Tod komme, einem Reich der Abenteuer, in dem alles möglich sei. Tatsächlich finden beide kurz nacheinander den Weg dorthin – Jonathan sogar als erster, nachdem er mit Krümel bei einem Wohnungsbrand aus dem Fenster sprang und seinen Verletzungen erlag. Doch das vermeintliche Paradies droht unter die Herrschaft des Tyrannen Tengil zu fallen, der mit Hilfe des Drachenweibchens Katla und einer willigen Armee von Gefolgsleuten die ganze Welt versklaven will. Natürlich schließen sich die beiden Brüder dem Widerstand an. Doch diese mutige Entscheidung steht im Kontrast zu der Inszenierungsidee Solbergs, der Krümel und Jonathan gerne mal gurrend, pfeifend und muhend durch den Theaterraum springen lässt, um ihren kindlichen Charakter zu betonen. Erzähltechnisch ergibt das durchaus Sinn, in der Häufung dieser und ähnlicher Szenen wirkt das Konzept aber oft nur albern. Zugegeben, dieser Ansatz erreicht das gewünschte Ziel lauten Kinderlachens, geht aber leider zu Lasten der Dramatik des Originals. Hier wäre ein differenzierteres Spiel wünschenswert und auch machbar gewesen. Zwar hätte dies wahrscheinlich das anderthalbstündige Stück etwas in die Länge gezogen, doch da das Theater Bonn „Die Brüder Löwenherz“ ohnehin erst ab zehn Jahren empfiehlt, wären auch 120 Minuten vertretbar. Der Inszenierung hätte es auf jeden Fall gut getan.

Man muss es dem Ensemble allerdings lassen, dass es die komischen Passagen mit mindestens ebenso viel Leidenschaft und Spielfreude zu füllen versucht wie die dunkleren Momente. Was aufgrund von Zeitmangel nicht jedem gleichermaßen gelingt. Insbesondere Jacob Z. Eckstein überzeugt als ängstlicher und zugleich mutiger Krümel, während Christian Czeremnych den überzeichnenden, aber stets liebevollen großen Bruder mimt. Etwas schablonenhafter wirkt dagegen Julia Kathinka Philippi, die als die alte Elfrida (die Solberg mit der Großvater-Figur Matthias verschmolzen hat) allerdings gefühlvoller agiert als in der Rolle der Widerstands-Anführerin Sofia. Wilhelm Eilers wirkt derweil sowohl als verräterischer Jossi und auch als Oberwächter etwas flach, während Max Wagner als Orwar eine passable Figur macht, als grimmiger Jäger Hubert dagegen nicht sonderlich glänzen kann – in beiden Fällen liegt dies aber vor allem daran, dass die entsprechenden Charakterisierungsszenen dem Rotstift zum Opfer gefallen sind.

Aus Kindersicht ist das aber offenbar nicht weiter tragisch, ebenso wie der clowneske Anstrich mancher Szenen: Bei der Premiere war auf jeden Fall immer wieder ein herzhaftes Lachen zu vernehmen, und kurzweilig ist die Inszenierung ohnehin. Hervorzuheben sind zudem das das wandelbare Bühnenbild sowie der beeindruckende Kopf der Drachin Katla, die am Ende in einem titanenhaften Kampf gegen einen giftgrünen Lindwurm stirbt. Ebenso übrigens wie Jonathan, der vom lähmenden Feuer des Ungetüms getroffen wurde. Diesmal ist es Karl, der ihm von der nächsten Welt erzählt und mit ihm zusammen in den Abgrund springt. Ob das Sterbehilfe sei oder ein Suizid, darüber haben sich viele Kritiker und Literaturwissenschaftler in den vergangenen Jahrzehnten seit der Erstveröffentlichung im Jahr 1973 die Köpfe zerbrochen. Astrid Lindgren selbst hat dagegen immer betont, dass sie den Kindern die Angst vor dem Tod nehmen wolle – und es existieren zahlreiche Briefe ihrer Leserinnen und Leser, die genau dies unterstreichen. Ob die Bonner Inszenierung mit all ihrem Klamauk dies auch schafft oder einfach nur eine Abenteuer-Geschichte erzählt, können die Zuschauerinnen und Zuschauer nur selbst beantworten. Das Premieren-Publikum war auf jeden Fall begeistert und spendete dem Ensemble nach 90 Minuten herzlichen Applaus.

25.12., 16 Uhr / 28.12., 18 Uhr / 18.1., 18 Uhr. Alle Veranstaltungen finden im Schauspiel Bad Godesberg statt. Weitere Informationen und Karten unter www.theater-bonn.de.

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