„La Vida Loco“: Krönungsmesse für die „Queen of Beuel“

Derbe Witze, freche Songs, kokette Choreographien und ein leidenschaftliches Spiel mit Geschlechterklischees: „La Vida Loco“, das neueste Programm der Familie Malente (Knut und Dirk Vanmarcke), ist eine Dragshow in allen Schattierungen des Regenbogens, bissig, zotig, schrill und kunterbunt. Zugleich zeigen sich die Vanmarckes, die am Premierenabend ihren 25. Jahrestag gefeiert haben, allerdings so persönlich wie nie zuvor. Natürlich steht der Spaß an erster Stelle, soll das Leben geliebt und die Liebe in all ihren Facetten gelebt werden – doch hinter der Maske der Kunstfigur Loco Flanel (Knut Vanmarcke) und ihres Göttergatten stecken auch zwei Menschen, die es nicht immer leicht hatten und die jetzt ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern, nicht um sich zu beklagen, sondern um zu sensibilisieren. Ja, es gab auch graue Tage, ohne Glanz und Glitter. Aber auch viele in Farbe.

„La Vida Loco“ erweist sich somit als eine Show voller Kontraste und würdige Fortsetzung des „Divas“-Programms aus der Spielzeit 2018/2019. Auf der einen Seite singen und tanzen sich vor allem die im Titel verewigte „Royal Queen of Beuel“ sowie die vier Tänzerinnen Johannes, Emile, Luca und Aniello quietschfidel und in teils sehr gewagten Kostümen durch ein Repertoire von Judy Garland bis Christina Aguilera, auf der anderen Seite erzählen die Malentes von selbst erfahrener Diskriminierung, von Vorurteilen und von der Flucht aus einer Gesellschaft, in der man nur schwer sie selbst sein konnte. Eine schöne Idee, die in der Umsetzung nur noch eine bessere Balance gebrauchen könnte. So lebt vor allem die erste Hälfte fast ausschließlich von derben Kalauern und absurden Choreographien und die zweite zunächst von den Playback-Gesängen des Drag-Queen-Balletts (was schon allein dadurch fehl am Platze wirkt, dass die Vanmarckes selbst über starke Stimmen verfügen). Erst gegen Ende gewinnen die ernsteren Töne zunehmend an Bedeutung. Bis dahin fehlt der rote Faden; erlaubt ist daher aber auch alles, was gefällt, inklusive eines Witzes über eine schwerhörige Fee und einen 30 Zentimeter langen Schimmel. Zum Glück verstehen die Malentes es, selbst diese Gags so charmant zu verpacken, dass sie nicht peinlich wirken. Ganz im Gegenteil müssen sie sogar so anzüglich wie möglich sein – auch das gehört schließlich zum Klischee.

Trotz der scheinbar fehlenden Kohärenz wird die Show am Premierenabend ein Erfolg, wie sich ohnehin schon früh erwarten lässt – die pflichtschuldigst notierten stehenden Ovationen beim dritten Lied sind immerhin alles andere als normal. Aber was bedeutet dieses Wort schon. Normal. Ein Mann, der gerne Frauenkleider trägt, hat auf dieses Attribut doch genau so ein Anrecht wie eine Schiedsrichterin beim Männerfußball. Oder wird der Begriff vielleicht einfach überbewertet? In einem bezaubernden Videoeinspieler, in dem Knut Vanmarcke zwei junge Mädchen im Loco-Flanel-Kostüm aber ohne Perücke interviewt,  geben diese auf jeden Fall eine Antwort, die zum Nachdenken anregt. „Findet ihr, dass ich normal bin?“, fragt ersterer. „Das weiß man nie.“ Stimmt.


Termine: „La Vida Loco“ läuft noch bis zum 25. Juni in Malentes Theaterpalast, Holzlaer Weg 42. Shows laufen Donnerstags bis Samstags um 19 Uhr und Sonntags um 17 Uhr. Tickets erhalten Sie bei Bonnticket. 

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