Crossroads: Hypnotische Klänge und ein Rock-Debakel

Der Auftakt der aktuellen Staffel des Crossroads-Festivals in der Harmonie hätte kaum besser gelingen können, dafür haben schon allein die Auftritte von Leap und Todd Sharpville gesorgt. Umso größer waren die Hoffnungen und Erwartungen hinsichtlich der letzten beiden Tage. Sie sollten sich bestätigen. Und zugleich enttäuscht werden. Denn während zwei Bands das extrem hohe Niveau zu halten verstanden, erwies sich eine andere leider als Totalausfall.

Doch der Reihe nach. Der dritte Abend stand ganz im Zeichen des Psychedelic Rock der 70er Jahre, wenn auch mit ganz unterschiedlichen Vorzeichen. Während The Tazers eher einen schrammelnden, geräuschschwangeren Sound pflegten, setzten Siena Root lieber auf eine Vielfalt an melodischen Elementen und auf epische Kompositionen mit ausgedehnten Soli. Beide Ansätze fanden im Publikum Anklang, auch wenn The Tazers stärker polarisierten und die Frage aufkommen ließen, ob man ohne Melodik und Harmonik noch von Musik reden kann. Ganze Passagen der Südafrikaner bestanden nur aus Effekten und Rhythmen, aus verzerrten Gitarren ohne Klang und pulsierendem, in Form gepresstem Lärm. Klare Strukturen und Leitlinien kamen – wenn überhaupt – von Bassist Werner Jordaan, während Jethro Lock (Gitarre) und Francis Broek (Drums) die Grenzen des Hörbaren austesteten und der Menge im Saal einiges abverlangten. Technisch war das Spiel der Drei allerdings exzellent, und so gab es auch genug Menschen, die diese wilden Experimente feierten. Dennoch: An die Komplexität und Fülle der Stücke von Siena Root kamen The Tazers noch nicht einmal ansatzweise heran. Die Schweden gehören zu den wenigen Bands, die zum zweiten Mal vom Rockpalast eingeladen wurden, und das angesichts der enormen Palette an musikalischen Elementen zu Recht. Immer wieder vollzog die Band unerwartete Wendungen, schlug Salti, spielte mit der Dynamik. Meistens mit Erfolg – nur manchmal wollte Sängerin Solid Zubaida zu viel, verschluckte ich an ihren Blues-Verzierungen und ließ ihre Alt-Stimme zu sehr absacken. Schön dagegen der Einsatz von Stian Grimstad mit seiner elektrischen Sitar, die allerdings ruhig öfters zum Einsatz hätte kommen dürfen.

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Bis zu diesem Zeitpunkt war diese Ausgabe des Rockpalasts auf Erfolgskurs, mit viel Lob und ohne Tadel. Doch dann kam der letzte Festival-Tag. Und Wolfskull. Der Auftritt der Essener Hardrock-Band, deren Album „Ave Godness“ von der Fachpresse durchaus gelobt wurde, dürfte zu den schlechtesten der vergangenen zehn Jahre gehören, und zwar vor allem wegen Frontmann Peter Merschhemke. Nahezu jeder Ton war zu tief, die Intonation im Eimer, das Stimmspektrum ohnehin überschaubar. Dafür versuchte Merschhemke sich immer wieder in exaltierten Posen, die sowohl aus aus „Saturday Night Fever“ als auch aus gnadenlos überzeichneten Superhelden-Comics entlehnt worden waren und die letztlich nur grotesk wirkten. Oder eben peinlich. Das Geständnis, dass die Band mindestens einen Song im Vorfeld der Aufzeichnung nicht ein einziges Mal geprobt hatte (was man deutlich hörte), war schließlich das finale Armutszeugnis. Und so drohte diese Ausgabe von Crossroads mit einem Debakel zu enden. Bis Dub War kamen. Und jeden im Saal von der ersten Sekunde an mit ihrer skurrilen Mischung aus Ragagamuffin, Dub, Metal und Punk elektrisierten. 25 Jahre lang war die Band um Sänger Benjii Webbe nicht existent, doch davon war auf der Bühne nichts zu spüren. Die Musik ging sofort in die Beine, jeder im Saal wippte unweigerlich mit, und das obwohl statt entspannter Reggae-Vibes zornige gesellschaftskritische Parolen über krachende E-Gitarren aus den Boxen schallten. Webbe selbst ließ dazu seine Rastas fliegen, flirtete mit den Kameras, setzte sich in Szene und war dabei doch so authentisch und so charismatisch, dass man ihn in jeder Sekunde ernst nahm. Ein fantastischer Schlusspunkt einer insgesamt extrem starken Crossroads-Staffel. Im Oktober folgt schon die nächste Ausgabe – dann anlässlich des 20. Geburtstags der Reihe mit fünf Konzerttagen.


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