Estrela Gomes: Zaz die Zweite

Vor einem Jahr war ein Abend wie dieser für Estrela Gomes noch undenkbar: Ein eigenes Konzert mit ihr im Mittelpunkt, mit ihrem Namen auf dem Plakat und auf den Tickets, mit Menschen, die nur wegen ihr und ihrer mal kindlichen, mal souligen Stimme in die Harmonie gekommen sind. Als Straßenmusikerin ist sie all das nicht gewohnt, doch seitdem Manuel Banha sie 2022 zu seinem Weltmusik-Festival „Over the Border“ eingeladen hat und sie dort das Publikum mit ihrer entspannten Art begeisterte, scheint ein neues Kapitel im Leben der jungen Portugiesin aufgeschlagen worden zu sein. Im Herbst durfte sie sogar im Vorprogramm von Zaz auftreten, deren Vokal-Trompete und deren Gute-Laune-Nouveau-Chanson-Stil sie adaptiert hat und in deren Fußstapfen sie durchaus treten könnte. Denn das Talent dafür, das hat sie.

Obwohl die Situation für Gomes noch immer ein wenig surreal zu sein scheint, genügen die ersten Töne, um sie alles außer der Musik vergessen zu lassen. Ganz unverkrampft spielt sie ihre Lieder, begleitet von einer kleinen Band (auch das ist neu), die sich noch ein wenig finden muss, aber zumindest das rhythmische Fundament solide gestaltet. Verständlich: Sowohl ihr Bassist Xinas Late als auch ihr Schlagzeuger Felipe Raffaeli Muller sind Straßenmusiker wie Gomes, auch für sie ist diese Art von Auftritt neu. Kein Wunder also, dass das ein oder andere Arrangement noch ein wenig generisch wirkt und das Trio immer dann am stärksten ist, wenn es ein wenig Gas geben und grooven kann. Dann kann Gomes auch das Publikum animieren, lässt es mitsingen oder ihre eigenen Phrasen wiederholen – das funktioniert immer, vor allem aber bei einer derart charismatischen Sängerin, die einfach nur spielen möchte.

Rund 90 Minuten wechseln Gomes und ihre Mitstreiter genüsslich zwischen Pop, Rock und Singer-Songwriting, zuerst vor allem das neue, erste Album vorstellend und dann mit einem Cover-Block das Konzert abschließend. Ihre Version von Gnarls Barkleys „Crazy“ kommt dabei relativ unspannend rüber, Nancy Sinatras „These Boots Are Made For Walking“, Edith Piafs „La Vie en Rose“ und vor allem der 4 Non Blondes-Hit „What's Up“ können aber durch kreative Interpretationsansätze überzeugen. Die Menge im Saal ist begeistert, will mehr hören – und hofft, dass Estrela Gomes wiederkommt. Vielleicht 2024, bei der übernächsten Ausgabe von „Over the Border“. Für dieses Jahr steht das Line-Up schließlich schon fest: Unter anderem kommen Jazz-Saxofonistin Lakecia Benjamin, Quadro Nuevo, die Afrobeats-Formation Santrofi und das Fado- und Flamenco-Duo Cuca Roseta und Daniel Casares zwischen dem 19. März und dem 2. April nach Bonn. Schon am kommenden Donnerstag tritt zudem Fado-Sängerin Maria Emilia in der Harmonie auf. Alle Informationen finden Sie unter www.overtheborder-festival.de.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0