„Maria Stuart“: Königsdrama im Anarcho-Modus

Als Königin hat man es nicht leicht. Die eigene Person muss zurückstehen, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse zählen nichts im Vergleich zum Amt, das alles andere diktiert. Immer diese Erwartungen, immer diese Fremdbestimmung; wo bleibt der Punk, wenn man ihn mal braucht? Im Euro Theater wabert dieses Aufbegehren gegen die Norm derzeit auf jeden Fall immer wieder über die Bühne, während Daniel Breitfelder, Johannes Brüssau und Sebastian Kreyer als Produktionsbüro Petra P sich mit allen Mitteln der Kunst an „Maria Stuart“ abarbeiten und das Schiller-Drama mit anarchischem Humor als Ausgangspunkt für eine überaus schräge Genderdebatte nutzen.

Wie schon bei Sibylle Bergs „Viel gut essen“ erlaubt sich das Trio, keine Rücksicht auf irgendwelche Befindlichkeiten zu nehmen. Sie jonglieren mit Zoten, Klischees und Schlüpfrigkeiten, mit dem Grotesken und dem Verrückten, mit Wortwitzen und Albernheiten und allem, was in einer normalen Theaterproduktion kaum möglich scheint. Das ist Trash vom Feinsten. Es wird geflucht, geblödelt, gekeift und gefurzt – und doch schwingt hinter den grellen Bildern und den schrillen Figuren stets mehr mit, wie sich bei der Generalprobe am vergangenen Donnerstag zeigte. Das Anarchische dient als Werkzeug, um festgefahrene Rollenbilder zu zerschlagen, und gleichzeitig als Kontrastmittel zu jenen Passagen, die dann doch etwas nachdenklicher werden.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht Daniel Breitfelder in einer Art Multifunktionsrolle: Er ist Elisabeth die Erste und die Zweite in einer Person, zwischendurch noch Diana, Anne Boleyn und Rumpelstilzchen, eine exzentrische Gestalt in Grasgrün mit einem Hang zu Übertreibung und Überzeichnung. Seine Figur sieht sich als Getriebene, eine einsame Galionsfigur ihres Landes mit absolutistischer Macht und dennoch machtlos, wenn es um ihr Privatleben geht. Als „jungfräuliche Königin“ wird sie vom Volk zur Heirat getrieben, während im Hintergrund die schottische Ex-Königin Maria Stuart lauert, um den eigenen Anspruch auf den Thron geltend zu machen, sobald sie aus der Gefangenschaft entkommen kann. Diese, eingekerkert im Technikraum, spielt Johannes Brüssau mit geifernder Wut und herrlicher Weiblichkeit, strahlend und glitzernd und überaus intensiv. Diese Rollenaufteilung haben Breitfelder und Brüssau schon in anderen Produktionen genutzt, etwa beim Diven-Abend „Der Wind hat mir kein Lied erzählt“ im Schauspielhaus Bonn, und auch im Euro Theater passt sie wieder perfekt; schade nur, dass Brüssau nicht mehr singen darf. Dritter im Bunde ist schließlich Sebastian Kreyer als leicht trotteliger Adjutant Schlungengrabe, der sich heimlich nach Maria verzehrt (was er denn auch in bester Bernstein-Manier kund tut) und ihre Befreiung plant.

Die Inszenierung legt allerdings nur bedingt Wert auf eine nachvollziehbare Handlung. Der rote Faden verliert sich vielmehr immer wieder in dem Gewirr aus Zitaten, Anspielungen und Liedern von den Sex Pistols über Jace Everett bis hin zu Peter Sloterdijk. Zwischendrin haben auch mal ein paar Mäuse das Sagen, und sogar Theaterdirektorin Ulrike Fischer hat in einer Video-Sequenz einen kurzen Cameo-Auftritt. Warum? Weil es Spaß macht. Zugegeben, an der ein oder anderen Stelle übertreiben es Breitfelder, Brüssau und Kreyer dann doch ein bisschen (zumindest in der Generalprobe), und man muss sich als Zuschauer auf diese wilde Reise durch die Monarchie einlassen. Dann aber kann man ebenso oft lachen wie grübeln. Und ab und zu erklingt sogar mal Schiller.

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