„Stürmen“: Eine Naturgewalt namens Mensch

Der Sturm kommt, und er bringt Veränderung. Er wühlt auf, wälzt um, deckt ab und deckt auf, unaufhaltsam, unwiderstehlich, unkontrollierbar. Diesem bildgewaltigen Element widmet das Fringe Ensemble aus Bonn nun seine neue Produktion „Stürmen“, die nach der Uraufführung in Münster jetzt auch im Theater im Ballsaal zu sehen ist. Fünf Schauspieler und vier Blechbläser nähern sich in einer Art szenischer und musikalischer Collage dem Phänomen des Sturmes an, erzählen von Rausch und Ekstase, von Hektik und Ruhe, von Liebe und Sex, aber auch vom Sturm auf das Kapitol, vom Klimawandel und von der Querdenker-Bewegung.

Auf einer zunächst nackten Bühne, die erst nach und nach begrünt wird, setzt das Ensemble unter der Regie von Frank Heuel Szenenfragmente um, die stark von den persönlichen Lebenserfahrungen der Beteiligten geprägt sind. Und nicht immer kommen Stürme in all ihren Formen dabei gut weg. „Ich hasse sie“, sagt eine der Performerinnen bei der Bonn-Premiere, „ich weiß nicht, wozu die gut sein sollen.“ Als Triebkraft einer Revolution vielleicht? „Aber nur, wenn die friedlich bleibt.“ Später wird die selbe Frau ausgelassen zu entfesselter Musik tanzen, um in diesem enthemmten Sturm der Emotionen endlich einmal andere Personen spüren zu können. Ein Widerspruch? Vielleicht. Aber so sind Menschen nun einmal. Und letztlich ist das der Kern des Stücks: Dass wir Angst vor einer Naturgewalt haben und doch schon selbst zu einer geworden sind, und dass wir mit unserem Handeln die Zunahme von Stürmen überhaupt erst befeuern, im realen und im übertragenen Sinne. Wer Wind säht, wird nun einmal Sturm ernten.

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