„Bookshop“: Begegnungen zwischen Büchern

In einem gemütlichen und gut sortierten Buchladen kann man sich schon mal verlieren. Umgeben von Geschichten taucht der Geist ein ins Reich der Phantasie, in dem nichts unmöglich scheint, so lange man die richtigen Worte findet. Hier treffen Leser auf Helden, manchmal auch auf Schrecken und mitunter sogar auf andere Menschen, die sich der Magie der Sprache ergeben. Im Bonner GOP hat nun ein ganz besonderer „Bookshop“ eröffnet, einer, in dem alle ein bisschen verrückt sind, ein bisschen eigen und gerade deswegen auch so wunderbar. Vor wenigen Tagen hat die neueste Show des Varieté-Theaters nun am Rhein ihre Weltpremiere gefeiert.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Einen wilden Ritt durch die Weltliteratur will „Bookshop“ ganz bewusst nicht bieten. Dafür aber spannende Begegnungen auf verschiedenen Ebenen. Zwischen den Regalen trifft die schräge Buchhändlerin Fräulein Sonntag auf den kauzigen Zauberbedarfsvertreter Robinson, Romeo auf der Spitze einer Pole-Stange auf seine Julia und der liebenswert irre Assistent Joel auf eine Hula-Hoop-süchtige Beatrix Kiddo aus „Kill Bill“ (ja, auch dieser Stoff existiert in Romanform). Den Büchern kommt hierbei in erster Linie eine Vermittlerrolle zu, nur selten sind sie mehr als bloße Portale. Immerhin hat Momo, die kindliche Heldin aus Michael Endes gleichnamigem Roman, einen eigenen Auftritt – die Jongleurin Bekka Rose hat dafür eine überaus poetische Choreographie entwickelt, bei der ihre Keulen zu tanzen beginnen und für einen Moment die Zeit anhalten. Herrlich, auch wenn bei der Premiere noch nicht alles glatt ging. Angesichts der vergangenen Corona-Monate, die viele Artisten schwer getroffen haben, ist das allerdings nur allzu verständlich.

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Die schönsten Geschichten brauchen allerdings keinen literarischen Überbau. Das berührende, fast schon schmerzhaft zärtliche Pas de Deux, das die bezaubernde Belgierin Helena Jans an den Strapaten zusammen mit einem Skelett präsentiert, gehört auch so zu den derzeit schönsten Darbietungen ihrer Art. Und auch Joel Baker, der trottelige Famulus des Buchladens, kommt ohne Romanvorlagen aus – was ihn antreibt, ist einfach nur eine Leidenschaft fürs Lesen, der er jederzeit und überall frönt. Sogar auf dem Schirm einer widerborstigen Stehlampe sitzend. Herrlich.

Ohnehin zieht der Buchladen von Fräulein Sonntag allerlei komische Gestalten an, darunter zwei schräge Postboten und exzellente Ikarier (Artisten, bei denen einer einen zweiten mit seinen Füßen durch die Luft wirbelt) sowie das TriOle, das für eine wunderbar eigenwillige Live-Musik sorgt. Normal geht anders, aber das ist ja auch kein Wunder bei einer Chefin, die zur Beruhigung ihrer Nerven auf dem Kopf stehend Gitarre spielt oder voller Leidenschaft mit Mister Robinson einen Tango durch den Laden tanzt. Hinter dieser eigenwilligen Figor verbirgt sich die Clownin Amélie Demay, die mit ihrem Ehemann Michélé Chen schon bei der Zirkus-Produktion „La Luna“ im Mittelpunkt des irren Treibens stand. Die beiden sind auch im „Bookshop“ eine Klasse für sich, ziemlich irre, aber nie peinlich und zudem hervorragend in Form. Ihre Partnerakrobatik, bei der Amélie einen Kopfstand auf dem Schädel ihres Gatten macht, ist auf jeden Fall ein weiterer Höhepunkt einer Show, die nicht nur für Leseratten geeignet ist – sondern vielmehr für alle, die fantastisches und phantasievolles Varieté lieben.

Termine
„Bookshop“ läuft noch bis zum 6. März 2022 im GOP Bonn. Vorstellungen finden jeweils Mittwochs und Donnerstags um 20 Uhr, Freitags und Samstags um 18 Uhr und um 21 Uhr sowie Sonntags um 14 und 18 Uhr statt. Karten sind ab 39 Euro an allen Vorverkaufsstellen erhältlich. Weitere Informationen unter www.variete.de/bonn.

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Kommentare: 1
  • #1

    Mito (Mittwoch, 02 Februar 2022 09:23)

    Wollte ich mir die ganze Zeit schon ansehen. Werd ich jetzt auf jeden Fall machen