Europäischer Kulturpreis: Musikalische Glanzpunkte

Für einen Abend besaß Bonn noch einmal Hauptstadt-Flair: Ein roter Teppich, jede Menge Prominenz und das unvermeidliche Blitzlichtgewitter erinnerten am vergangenen Samstag an jene Zeiten, in denen ein derartiges Schaulaufen am Rhein noch selbstverständlich war. Stars wie Trompeter Till Brönner und Sängerin Katie Melua, Schauspieler Tobias Moretti und die Scorpions, Künstler Gottfried Helnwein und Model Barbara Meier, Sopranistin Diana Damrau und Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg, sie alle waren zur Verleihung des Europäischen Kulturpreises in die Bonner Oper gekommen, die eigentlich schon 2020 anlässlich Ludwig van Beethovens 250. Geburtstag hätte stattfinden sollen, wegen Corona aber verschoben werden musste. In einer abwechslungsreichen, kurzweiligen, fast dreieinhalbstündigen Gala mit vielen Höhe- und nur wenigen Tiefpunkten feierten sie zusammen mit dem ebenfalls geehrten Beethoven Orchester Kunst und Kultur in all ihren Facetten.

Im Mittelpunkt des Geschehens stand das Beethoven Orchester, das sich unter Dirk Kaftan zu einem emsigen und vielseitigen Vermittler von klassischer Musik sowie als Brückenbauer zwischen den Genres etabliert hat und daher ebenfalls mit einem Europäischen Kulturpreis geehrt wurde. Im Laufe des Abends machte der Klangkörper deutlich, dass es diese Auszeichnung zu Recht erhalten hatte: Neben der Beethoven-Ouvertüre zu Ballettmusik „Die Geschöpfe des Prometheus“ und einem Auszug aus der 7. Sinfonie boten sie anderen Preisträgern ein fantastisches Fundament, spielten mit Till Brönner dessen Eigenkomposition „Elysium“, interpretierten mit Katie Melua „What A Wonderful World“, führten mit der phänomenalen Sopranistin Diana Damrau „Hör ich Cymbalklänge“ aus Franz Léhars Operette „Zigeunerliebe“ auf und unterstützten Scorpions-Sänger Klaus Meine und Moderatorin Annette Dasch bei der Wende-Hymne „Wind of Change“. Letzteres brachte den ganzen Saal auf die Füße – zu schade, dass ein unpassend gesetzter Video-Einspieler den stehenden Ovationen ein jähes Ende setzte. Immerhin konnten aber Star-Geiger David Garrett sowie der 14-Jjährige Nachwuchspianist Colin Pütz (der zumindest in diesem Jahr keinen Preis erhielt) bei ihren musikalischen Beiträgen den Applaus angemessen genießen.

Einen weiteren Glanzpunkt setzte Tobias Moretti, der vor allem für seine Hauptrolle in der ARD-Produktion „Louis van Beethoven“ ausgezeichnet wurde, bereits zu Beginn der Show. Er sei, so formulierte es Laudatorin Christine Strobel, „ein Grenzgänger zwischen den Welten des Kinos, des Fernsehens und des Theaters“ – ein Lob, das Moretti nur zu gerne annahm. „Ein Grenzgänger mag ich gern sein, auf der schwankenden Linie zwischen Wirklichkeit und Traum“, zitierte er Max Reinhardt in seiner Dankesrede, in der er die Vielfalt Europas und der Kultur betonte und ein rhetorisches Meisterstück ablieferte. Ohnehin zeichneten sich nahezu alle Reden durch Prägnanz, Witz und Gefühl aus, abgesehen von der völlig konfusen Lobhudelei, die Entwicklungsminister Gerd Müller auf Barbara Meier in ihrer Funktion als Botschafterin für nachhaltige Textilien hielt. Der CSU-Politiker streifte dieses Thema nur kurz, sprang dann wild zwischen Afghanistan, dem Ahrtal und den Slums in Kinshasa hin und her und brachte nicht einen einzigen grammatikalisch korrekten Satz hervor. Diesen Tiefpunkt konnte auch Preisträgerin Meier (übrigens Ehefrau des Gründers von Hauptsponsor und Präsentationspartner Hallmann Holding) nicht mehr retten, die zuvor schon als Schirmherrin und Jury-Mitglied des Europäischen Förderpreises in Erscheinung getreten war. Diese mit 5000 Euro dotierte Auszeichnung ging übrigens an den Sprachroboter Elias – der in seiner Rede weitaus souveräner und sicherer agierte als Minister Müller.

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Impressionen vom roten Teppich / alle Fotos © Thomas Kölsch

Eine Überraschung gab es derweil für Nico Rosberg, der für sein Engagement im Bereich Elektromobilität den Europäischen Kulturpreis erhielt: Vor der eigentlichen Laudatio durch den renommierten Klimaforscher Professor Johan Rockström konnte er sich über eine Videobotschaft von Fürst Albert von Monaco freuen; der ehemalige Rennfahrer ist in dem Stadtstaat aufgewachsen und wohnt auch dort. Rosberg nutzte seine kurze Dankesrede dafür, einmal mehr auf die Bedrohung durch den Klimawandel hinzuweisen, der in diesem Jahr „im Herzen Deutschlands zugeschlagen“ habe und längst nicht mehr als entfernte Gefahr gesehen werden dürfe, sondern als weltpolitische Herausforderung. Zugleich bedürfe es eines gesamtgesellschaftlichen Bewusstseins – und genau dabei können Kunst und Kultur helfen. An deren Wirkungsmöglichkeit kann es keinen Zweifel geben, das haben schon die Scorpions bewiesen. Oder Gottfried Helnwein. Der umstrittene Künstler, der vor allem durch seine Bilder von verwundeten und bandagierten Kindern bekannt geworden ist, vermag es wie kaum ein anderer, die Herzen der Menschen zu erregen, zum Guten wie zum Schlechten. „In all den Ausstellungen, die ich schon besucht habe, von Dürer bis Monet, habe ich Besucher nur einmal weinen sehen, und das war bei Helnwein“, erklärte der Direktor der Albertina in Wien, Klaus Albrecht Schröder, in seiner Laudatio. Warum? Helnwein weiß es. „Es ist nicht mein Bild, das elektrisiert, es sind vielmehr die Bilder, die Sie im Kopf haben, wenn Sie meines sehen“, sagte er. Genau das gelingt auch guter Musik, ob sie von Beethoven ist oder von den Scorpions. Deswegen braucht es Kultur und Kulturschaffende, die sich dafür einsetzen, so wie die in Bonn Geehrten. Im nächsten Jahr folgt dann schon die nächste Gala, diesmal aus der neuen Tonhalle in Zürich.

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