Crossroads: Von Wölfen und Krähen

Besser hätte die aktuelle Ausgabe des Crossroads-Festivals in der Harmonie nicht enden können: Mit tosendem Applaus, knallharten Klängen und zwei der besten Auftritte in der jüngeren Geschichte des Rockpalasts ist der Samstagabend der Höhepunkt des sechstägigen Veranstaltungsmarathons und ein weiterer Beweis dafür, dass es sich durchaus lohnt, ab und zu mal auf Entdeckungsreise zu gehen und Augen und Ohren aufzusperren.

Sowohl Those Damn Crows als auch DeWolff setzen mit atemberaubenden Live-Darbietungen neue Maßstäbe; vor allem die Krähen aus Wales ziehen mit ihrer unbändigen Spielfreude, ihren harten Riffs und dem Charisma von Frontmann Shane Greenhall jeden im Saal in ihren Bann, die Euphorie förmlich in Herzen und Köpfe hämmernd. Titel wie das brachiale „Kingdom of Dust“ lassen so manche versierte Metalband alt aussehen und fordern zum Headbanging auf, was im Sitzen zwar schwer, aber nicht unmöglich ist. Dazwischen zeigen feine Power-Balladen wie „Never Win“ (nur mit Keyboards und Gitarre) oder die Halb-Akustik-Nummer „Say It“, dass Those Damn Crows auch mit halber Kraft zu zaubern vermögen.

 

Angesichts dieser Wucht fällt es sogar DeWolff schwer, mitzuhalten. Dabei sind die Niederländer schon zum zweiten Mal bei Crossroads und gelten weiterhin als eine der großen Hoffnungen des psychedelischen Blues-Rocks. Zu Recht, wie das Trio beweist. Optisch erinnern die Brüder Pablo und Luka van de Poel sowie Keyboarder Robin Piso zwar eher an die BeeGees, musikalisch dagegen eher an eine Mischung aus Deep Purple, Cream und The Band. Und die macht extrem viel Spaß, zumal DeWolff nicht nur überaus reizvolle und abwechslungsreiche Stücke im Repertoire haben, sondern auch technisch auf allerhöchstem Niveau agieren. Vor allem Gitarrist Pablo überzeugt ein ums andere Mal mit virtuosen und energiegeladenen Soli, wenn er nicht gerade am Mikro zwischen kantigem Bariton und grellem Falsett wechselt. Klasse.

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Während der Samstag keine Wünsche offen lässt, konnte der Freitag zuvor nicht ganz so sehr überzeugen. Weniger wegen der Paceshifters, die mit ihrem treibenden Neo-Grunge, der Pearl Jam oft näher ist als Nirvana, durchaus einige intensive Nummern ablieferten und am Ende tief in die Dunkelheit eintauchten – nein, es waren die kurzfristig angefragten Forkupines aus Braunschweig, die massiv schwächelten. Insbesondere Sänger und Gitarrist Simon Skott konnte nicht überzeugen, weder an den Saiten noch mit seinen Stimmbändern. Selbst im Post-Emo-Hardcore-Rock muss die Intonation nun einmal sitzen, statt zu schwanken wie eine Nussschale auf stürmischer See, egal ob gerade Melodie-Passagen geträllert oder hemmungslos ins Mikrofon geschrien wird. Daumen hoch? Eher nicht.

Insgesamt war die aktuelle Crossroads-Ausgabe dennoch bemerkenswert: Sechs Tage, zwölf Bands aus fünf Ländern, viele positive Überraschungen, und all das trotz Corona. Es ist immerhin alles andere als selbstverständlich, ein derart buntes Line-Up zusammenstellen und einem neugierigen Publikum präsentieren zu können, und das live in einem Club, der derzeit jede Unterstützung brauchen kann. Insofern bleibt zu hoffen, dass im März 2021 die nächste Crossroads-Ausgabe des Rockpalasts in der Harmonie stattfinden kann. Hoffentlich dann mit niedrigeren Corona-Zahlen. Aber mindestens ebenso guter Musik.

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