Corvus Corax: Rabentänze mit Dudelsack

Es ist derzeit nicht leicht, dem Corona-Virus die Stirn zu bieten, schon gar nicht für Veranstalter und Künstler, die Konzerte nur mit Einschränkungen und immensem finanziellen Risiko durchführen können. In solchen Zeiten greifen manche eben zu allen Mitteln – die Mittelalterband Corvus Corax sogar zum Zweiten Merseburger Zauberspruch. Der soll immerhin der Heilung dienen; zwar eigentlich nur bei einem verletzten Pferdefuß, aber man kann ja nie wissen, ob er nicht auch gegen andere Erkrankungen hilft. In der Harmonie hat die bunte Schar um Frontmann Castus Rabensang nun auf jeden Fall versucht, die Pandemie mit altdeutschen Beschwörungsformeln, Segenssprüchen und ausgelassener Dudelsackmusik zumindest vorübergehend zurückzudrängen. Was letztlich erstaunlich gut funktionierte.

Der Auftritt von Corvus Corax war nicht der erste seit dem Lockdown in dem Endenicher Club, mit Sicherheit aber der ungewöhnlichste. Die mächtigen Sackpfeifen, die Bass-Citole sowie die große und die kleine Trommel sorgen für einen einzigartigen Sound, der durchaus an die ein oder anderen Ritter-Festspiele erinnert und der doch mit sehr viel mehr Hintergrundwissen entsteht. Nicht ohne Grund gelten die Mitglieder der Band als Könige der Spielleute mit internationalem Renommee – alleine in diesem Jahr hätten eigentlich Konzerte in Norditalien, Russland, Spanien, Brasilien, Russland, Schweden, Finnland und Texas auf dem Tourplan gestanden. Sämtliche Stücke des Abends waren mal mehr, mal weniger freie Neuinterpretationen von uralten Melodien und Motiven, gespielt auf einem selbst gebauten Instrumentarium, das in vielen Bereichen als Referenzpunkt gelten kann und das in seiner Vielfalt seinesgleichen sucht. Neben den Dudelsäcken drangen so auch die Klänge von Hümmelchen und Schalmeien, Lauten und Wikinger-Hörnern durch die Harmonie, egal ob nun der bereits erwähnte Zauberspruch angestimmt wurde, ein Lied aus der “Carmina Burana“ oder eines der ältesten altgriechischen Musikstücke. Auch eine rumänische Weise, die die Band einst zusammen mit einem adoptierten Nachfahren von Vlad Dracula aufgenommen hatte, durfte im Repertoire nicht fehlen. Hauptsache, man konnte prinzipiell dazu tanzen. Selbst wenn das Publikum dies coronabedingt nicht durfte.

Für die Harmonie sind Konzerte in der gegenwärtigen Situation stets eine Gratwanderung: Grundsätzlich müssen diese bestuhlt stattfinden, um den geforderten Abstand zwischen den verschiedenen Blöcken zu gewährleisten, auch Mitsingen ist streng genommen untersagt. Auf der anderen Seite fährt Musik wie die von Corvus Corax zwangsläufig in die Beine, so dass es für das Publikum nicht leicht ist, dem verlockenden Rausch zu widerstehen und sich der Tanzwut hinzugeben. Umso erfreulicher ist es, wenn das Konzept aufgeht, sich alle an die Regeln halten und es trotzdem ein fantastischer Abend wird. Dass dies ohne weiteres möglich ist, haben Corvus Corax mit ihrem Auftritt bewiesen: Das Publikum war restlos begeistert, feierte die Spielleute ausgelassen und konnte von dem energiegeladenen Spektakel gar nicht genug bekommen. Bleibt zu hoffen, dass sich dies herumspricht und Besucher auch zu anderen Konzerten kommen. Den Musikern und den Veranstaltern zuliebe, die jetzt mehr denn je auf jeden Gast angewiesen sind.

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