„Kollegen“: Gut geröhrt ist halb gewonnen

Die Platzhirsche sind auf dem Vormarsch. „Ich bin der Chef“, röhren sie durch das Büro-Biotop und sind mit ihrem Dominanzgebaren der natürliche Feind der Kollegialität. Andererseits hat die ohnehin ihre Tücken, ist sie doch Brutstätte von Lästerei und Nörgelei, von gestörten Verhältnissen und ebensolchen Gestalten. Kurzum die perfekte Grundlage für Andreas Etienne, Michael Müller und Cosima Seitz, die beim dritten „Kollegen“-Programm im Haus der Springmaus einmal mehr die Niederungen der Arbeitswelt aufzeigen, in allerlei gnadenlos überdrehten Sketchen dem Chaos huldigen und die Schonzeit für beendet erklären.

Wie schon im Vorgängerprogramm sucht das Trio nach skurrilen Charakteren und wird natürlich sowohl im Büro als auch in der Schule fündig. Kein Wunder angesichts zahlreicher Quereinsteiger, die dank des Personalmangels an die Lehranstalten drängen und ihr Wissen auf äußerst fragwürdige Weise weitergeben wollen: Bei einer Reihe von Bewerbungsgesprächen in einer äußerst knapp besetzten Grundschule suchen unter anderem ein Top-Manager mit einer Vorliebe für Optimierungsstrategien („go for the best, shit on the rest“), eine in ihrer Kindheit steckengebliebene Puppenspiel-Fanatikerin und ein Sicherheitsexperte mit einer Phobie vor marodierenden Schülerbanden eine Anstellung. Dagegen wirkt selbst die esoterisch verklärte Handarbeits-Lehrerin mit der Schamanen-Ausbildung normal. Für das spielfreudige Ensemble ist diese Figurenfülle natürlich ein Geschenk, auch wenn die unterhaltsame, aber überlange Nummer sogar noch nach der Pause andauert. Immerhin, das Publikum freut's.

Dabei sind die „Kollegen“ stets stärker, wenn sie auf den Punkt kommen müssen und sich dabei nicht allzu tief in Klischees und altbekannte Muster verstricken. Nichts gegen die Verballhornung von allerlei Evergreens, die Michael Müller und Cosima Seitz voller Leidenschaft (und der ein oder anderen Intonationsschwäche in der Frauenstimme) schmettern, aber weitaus überzeugender sind letztlich andere Nummern. Herrlich etwa das Intro mit den beiden konkurrierenden Büroleitern, die durch die Tierdokumentation aus dem Off eine zweite Bedeutungsebene erhält; grandios die Menschheitsgeschichte der Kollegialität, bei der Müller und Seitz mit allerlei Hilfsmitteln den von Andreas Etienne vorgetragenen Text untermalen und dabei mitunter ungewöhnliche Wege gehen; und gnadenlos böse das Gespräch zweier Bestatter, die bei einer Prinzenproklamation die närrischen Honoratioren unter sich aufteilen. Nach Angaben von Etienne hat er letzteres sogar tatsächlich einmal mit angehört, ausgerechnet im Gürzenich in Köln. Solche Geschichten kann man sich schlichtweg nicht ausdenken.

Insgesamt bietet „Kollegen – das Ende der Schonzeit“ auf jeden Fall wieder leichte, charmante und mitunter sogar herrlich bissige Unterhaltung samt der ein oder anderen Überraschung. Gleichzeitig könnte das Programm als Abschluss einer Trilogie gesehen werden. Andreas Etienne hat auf jeden Fall schon in Erwägung gezogen, danach unter die „Kollegen“ einen Schlussstrich zu ziehen. Ob es wirklich dazu kommt, sei dahingestellt. Zunächst wird das Programm auf jeden Fall regelmäßig im Haus der Springmaus zu sehen sein.

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