Joan Baez: Friede über den Wassern

Das Feuer der Liebe und die Fackel der Freiheit, sie brennen noch. Auch und gerade in Zeiten, in denen Populisten, Nactionalisten und Rechtsradikale wieder ihre Stimmen erheben, Abgrenzung fordern und Kriegsdrohungen ausstoßen. Auf der Insel Grafenwerth lodern die Flammen auf jeden Fall hoch, als Folk-Ikone Joan Baez im Rahmen ihrer Abschiedstour am Ufer des Rheins auftritt und die Massen noch einmal berührt, so wie nur sie es vermag. Viel braucht die 78-Jährige safür nicht, hat sie nie gebraucht. Zwar lässt sie sich unter anderem von ihrem Sohn Gabriel Harris am Schlagzeug, dem Multiinstrumentalisten Dirk Powell sowie einer Backgroundsängerin unterstützen, doch eigentlich hat sie die gar nicht nötig. Eine Gitarre und ihre Stimme reichen schließlich, letztere inzwischen vom eindringlichen Sopran zum nicht minder intensiven Alt gereift. Das und ihre Botschaften, die noch immer so wichtig sind wie eh und je.

Obwohl die Protestsongs und Friedenslieder, die Baez so unvergleichlich zu intonieren weiß, in ihrer Relevanz nicht nachlassen, zieht die New Yorkerin mit ihrer „Fare Thee Well“-Tour für sich einen Schlussstrich. 60 Jahre lang hat sie sich engagiert, hat mehr als 30 Alben veröffentlicht und sich nie den Mund verbieten lassen. Jetzt aber ist es Zeit, dass andere ihren Kampf fortführen. Das Konzert auf der Insel Grafenwerth wird das vorletzte in Deutschland sein, am 28. Juli wird sie in Madrid ihre Karriere beenden und den Fackelstab weiterreichen. „I Am The Last Leaf On The Tree“, singt sie einmal, das letzte Blatt einer Generation von Musikern, die in der Friedensbewegung mitmarschierte und den Kampf für Menschenrechte nie aufgegeben hat. Nicht ihre eigenen Verse, sondern die von Tom Waits, dessen Songs sie ebenso gerne interpretiert wie die von Bob Dylan („It Ain't Me, Babe“), Leonard Cohen („Suzanne“) oder John Lennon („Imagine“). Als einziges eigenes Stück erklingen an diesem Abend „Farewell Angelina“ sowie „Diamonds & Rust“. Ist aber nicht schlimm. Sollen andere doch die richtigen Worte finden. Hauptsache, jemand wie Joan Baez kann mit ihnen etwas bewirken.

Und das kann sie. Das Publikum ist verzaubert, euphorisiert, begeistert, ist nostalgisch verklärt und zugleich aufgewühlt, vor allem wenn Joan Baez sich politisch äußert, zu mehr Mitgefühl für die Armen dieser Welt aufruft und klar gegen Donald Trump Position bezieht. Das hat sie schon immer ausgezeichnet, ob Anfang der 70er in Vietnam, wo sie ein zwölftägiges Bombardement Hanois durch die US-Luftwaffe überlebte, Ende des selben Jahrzehnts in Spanien und Südamerika, wo sie gegen Diktaturen ansang, oder in den 90ern, als sie im kriegszerstörten Sarajevo mit Straßenmusikern spielte. Insofern ist es kein Wunder, dass die rund 3500 Besucher der Insel Grafenwerth, die für die Veranstaltung extra abgesperrt wurde, die Grande Dame des Folk mit stehenden Ovationen bedachten. Leider zeigte der musikalische Friedens- und Freiheitswunsch an anderer Stelle aber nur bedingt Wirkung: Als die Pressefotografen während des ersten Liedes auf Anweisung des zuständigen Sicherheitsdiensts hinter dem ersten Block Aufstellung nahmen, um für gerade einmal drei Minuten Bilder von Baez zu machen, beschwerten sich prompt einige Zuschauer ob der Sichtbehinderung auf jene Frau, die man in erster Linie wegen ihrer Stimme schätzt. Wo die eigene Wohlfühlzone betroffen ist, machen manche Menschen eben keine Kompromisse, Pressefreiheit hin oder her. Abgesehen von derartigen leichten Misstönen konnten Bad Honnef und Veranstalter Ernst-Ludwig Hartz allerdings überaus zufrieden sein. Selbst die Parkplatzsituation schien entspannter als zunächst erwartet. Ein gutes Zeichen, immerhin soll anlässlich des Beethoven-Jubiläums 2020 eine weitere Großveranstaltung am selben Ort stattfinden, weitere könnten folgen. Die Atmosphäre auf der Insel Grafenwerth erscheint dafür zweifelsohne ideal. Die Bürger dürfen also gespannt sein.

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