Theaternacht: Abgesänge, Bausünden und etwas Hoffnung

Einer der größten Schätze Bonns ist die Kulturlandschaft der Bundesstadt: Beethoven und Oper, Rock und Pop, Schauspiel und Tanz. Vor allem letztere sind am vergangenen Mittwoch bei der 13. Theaternacht wieder in all ihren Facetten ins Rampenlicht gerückt worden. Mehr als 80 Ensembles haben auf 45 Bühnen gezeigt, wie lebendig die lokale Theaterszene ist, wie reichhaltig und wie wichtig. Von Godesberg bis in die Nordstadt, von Endenich bis Beuel erstreckten sich die Angebote, die über 3000 Besucher nur zu gerne in Anspruch nahmen. Wer jedoch möglichst viel sehen wollte (alles wäre schlichtweg unmöglich), musste einigermaßen flink sein – und angesichts enormer Schlangen vor einigen Häusern am besten eine gewisse Flexibilität an den Tag legen.

Vor allem das Euro Theater Central war, wie schon in den vergangenen Jahren, hoffnungslos überfüllt. Offenbar wollte jeder noch einmal das Haus am Mauspfad besuchen, bevor es am Ende der Nacht den offiziellen Spielbetrieb einstellen und sich auf den geplanten Umzug in die Budapester Straße bereit machen würde. Zumindest hat das beliebte Zimmertheater mittlerweile eine Zukunft, so dass die zwar augenzwinkernden, aber auch durchaus morbiden Programmpunkte inklusive Woody Allens „Der Tod klopft“ noch einmal etwas mehr Leichtigkeit gewannen. Dennoch bildet der Abend auch eine Zäsur, war das Haus am Mauspfad doch immerhin 48 Jahre lang die Heimstatt einer kleinen, aber wichtigen Bühne. Dementsprechend groß war das Interesse der Bevölkerung, im Rahmen der Theaternacht noch einmal vorbeizuschauen – auch wenn das möglicherweise bedeutete, nach einer längeren Wartezeit im Treppenhaus vor geschlossener Tür zu stehen. Andererseits war bereits die Zeit in der Schlange ein Erlebnis für sich, erwies sich ein Großteil des Publikums doch als überaus kommunikativ, offen und verständnisvoll.

So wie dem Euro Theater ging es auch anderen Veranstaltern und Ensembles. Auf dem Marktplatz stand bereits die nächste Menschentraube, auf den Schwyzer Poschti wartend, einen alten Postbus, der die Gäste zu einer Tour zu Bonner Bausünden einlud, moderiert von niemand geringerem als Ludwig van Beethoven. Das Unternehmenstheater Faust Drei hatte dieses Konzept entwickelt, mit den Poschti-Betreibern umgesetzt und voll ins Schwarze getroffen – das Interesse überstieg bei weitem das Angebot. Ein positives Ergebnis, wie auch Organisatorin Magdalena Bahr betonte, die die Theaternacht seit nunmehr drei Jahren im Auftrag der Theatergemeinde Bonn koordiniert: „Wir haben die 3000er-Marke geknackt und hätten noch 400 bis 500 weitere Tickets verkaufen können, wenn nicht durch eine unglückliche technische Panne ausgerechnet an diesem Tag das Online-Bestellformular ausgefallen wäre“, sagt sie. „Bislang habe ich nur positive Rückmeldungen erhalten. Hier am Poschti drängeln sich die Leute, aber auch das Kult 41 oder das Theater im Keller, die ja doch ein bisschen abseits liegen, sind meines Wissens gut besucht.“

Dennoch gab es natürlich Schwankungen. Im Schauspielhaus Bad Godesberg waren bei den teils abstrakten Choreographien der Tanzkompanie bo komplex und befreundeter Ensembles durchaus noch Plätze frei, und je später der Abend wurde, um so mehr verlagerte sich das Geschehen aus der Peripherie ins Zentrum. Gleichzeitig schlossen immer mehr Bühnen ihre Türen, nur wenige wurden nach 23 Uhr noch bespielt. Ein Ungleichgewicht, dass sich nicht ohne weiteres lösen lässt, in der Zukunft aber zumindest ansatzweise korrigiert werden könnte. Auch an anderer Stelle hakt es, etwa bei etablierten Theatern, die stur ihr reguläres Programm fahren, selbst wenn das zwei Stunden dauert. Eine Entdeckungstour ist da kaum möglich. Doch genau die lohnt sich, wie sich jetzt wieder eindrucksvoll zeigte. Bonn hat schließlich mehr als genug zu bieten. Die Bürger müssen nur zugreifen. Und die Bühnen und Ensembles hegen und pflegen, statt an ihnen – bei allem Verständnis für klamme Kassen – Raubbau zu betreiben. Den kulturellen Reichtum, über den die Stadt ohne jeden Zweifel verfügt, kann man mit Geld schließlich nicht aufwiegen.

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