„Frankenstein“: Zwischen Schöpfer und Geschöpf

Jeder Schöpfer ist für seine Schöpfung verantwortlich. Eigentlich ein nachvollziehbares Credo. Doch ausgerechnet Victor Frankenstein hat es zu ignorieren versucht. Er, der in einem Anflug von Größenwahn Gott selbst vom Thron stieß und die Schöpferkraft nur mit Hilfe seines Intellekts an sich riss, hat das von ihm zum Leben erweckte Wesen zurückgelassen, als es gerade seinen ersten Atemzug tat, hat sich abgewandt von der schrecklichen Gestalt, die er selbst aus Leichenteilen zusammenflickte und die er einst als seinen Adam ansah. Das hat tödliche Konsequenzen. Nun adaptiert das Euro Theater Central diesen weltberühmten Stoff für die Bühne – und muss feststellen, dass auch bei diesem Vorgehen nicht immer alles so Gestalt annimmt wie zunächst gedacht.

Es erfordert ohne Zweifel großen Mut, ein Mammutwerk wie Mary Shelleys „Frankenstein“ auf kleinstem Raum zu inszenieren: Einen Roman mit nur wenigen Dialogen und dafür umso mehr Briefen und Erzählpassagen, mit ebenso majestätischer wie bedrückender Szenerie und mit einem Konflikt von biblischen Ausmaßen. Andererseits hat sich das Euro Theater schon zuvor vergleichbaren Herausforderungen gestellt (zuletzt mit „Wuthering Heights“), und da „Frankenstein“ angesichts einer ungewissen Zukunft des Hauses als letzte englischsprachige Produktion der Spielzeit sowohl als Ausrufezeichen als auch als Zäsur dient, konnte Regisseur Jens Heuwinkel aus dem Vollen schöpfen. Körper-Projektionen und maßgeschneiderte Kostüme, Kunstblut und Körperteile, Klang-Effekte und jede Menge Nebel schaffen beeindruckende Bilder und bilden die Basis für eine eher ungewöhnliche Lesart des Stoffs. Heuwinkel versucht, das Monster und seinen Schöpfer zu verschmelzen, spielt mit der Idee einer gespaltenen Persönlichkeit und verlangt damit Hauptdarsteller David Craig viel ab. Zu viel. Denn sowohl Frankenstein als auch dessen Antagonist in all ihrer Komplexität zu verkörpern und beiden Figuren gerecht zu werden, dürfte selbst den besten Schauspieler überfordern.

Keine Frage, Craig gibt sich Mühe. Doch Verbissenheit und Verzweiflung, Wut und Hoffnung, Ehrgeiz und die Sehnsucht nach einem Platz in der Welt lassen sich nun einmal nicht ohne weiteres unter einen Hut bringen, erst recht nicht, wenn man mitunter im Sekundentakt die Rolle wechseln muss. Es fehlt schlichtweg ein Gegenspieler, dem man in die Augen schauen und an dem man sich abarbeiten kann. Und gerade bei „Frankenstein“ ist ein derartiger Mangel eklatant, ist doch die Konfrontation zwischen dem „modernen Prometheus“ sowie seinem einstigen Adam und jetzigen Luzifer essentiell für die Handlung.

Nichtsdestotrotz bietet die Bonner Inszenierung einiges für Augen und Ohr, zumindest wenn man sich nicht an einem durchaus anspruchsvollen Englisch stört. Bühne, Kostüme und Effekte sind durchaus sehenswert, ebenso wie das rein muttersprachliche Ensemble, das der Fülle an Personen mit diversen Dialekten Herr zu werden versucht. Herrlich etwa, wenn Peter Saracen auf einmal mit breitem deutschen Akzent Professor Waldmann mimt, oder wenn Sam Thorne, der sonst vor allem als Frankensteins Freund Henry Clerval in Erscheinung tritt, auf einmal einen irischen Einschlag hat. Entzückend auch Lucy Menzies als Frankensteins große Liebe Elisabeth, die am Ende natürlich unsanft aus dem Leben gerissen wird, eines von vielen Opfern des namenlosen Geschöpfes, das sich selbst nach Zuneigung sehnt und doch nur Hass und Abscheu erntet, verstoßen und in die Schatten getrieben wird. Hätte man es nur stattdessen ins Licht geholt. Das Wesen hätte es verdient.

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