WDR Kabarettfest: Programm mit Ironiegefahr

Kabarettisten haben es heutzutage wirklich schwer. Die Realität ist oft absurder als die Fiktion und verweigert sich jeglicher Überzeichnung, während gleichzeitig das Publikum immer dünnhäutiger und skeptischer wird. Meint der das jetzt ernst? Diese Frage wird mittlerweile häufiger gestellt. Insofern geht Tobias Mann bei der 101. Ausgabe des WDR Kabarettfests im Pantheon lieber auf Nummer sicher. „Teile des heutigen Programms könnten Ironie enthalten“, warnt der Moderator. Und Witz, müsste man ergänzen. Nur schade, dass diese Aussage nicht für den gesamten Abend gilt.

Immerhin hat das WDR einmal mehr eine bunte Künstlerriege eingeladen, die sich irgendwo zwischen Dada und Erkenntnis verorten lässt. Was leider nicht immer ein Zeichen von Qualität ist. So versucht sich Marco Tschirpke mit seinen Lied-Miniaturen in Anlehnung an Rainald Grebe an der Humorverdichtung, lässt diese aber platzen, bevor sie irgendeine Art von Wirkung erzielen können. Mal singt er von Pferden, mal von Kalk, trällert an der Wirklichkeit völlig vorbeigehende Karikaturen von Bauer- und Arbeiterliedern und verliest Gedichte, die er angeblich einst für die Apotheken-Rundschau schrieb. Viele im Publikum sind denn auch irritiert, andere genießen aber auch diese Beiträge zur Nonsens-Kultur. Dabei geht es auch anders. Besser. Länger. Und vor allem musikalischer. So wie bei Anna Mateur, die endlich wieder in Bonn zu Gast ist. Die Dresdner Wuchtbrumme ist Tschirpke in Sachen Wahnsinn um mindestens drei Längen voraus, parodiert gnadenlos den Selbstdarstellungswahn in sinnentleerten Youtube-Tutorials, führt Pegida-Protestsongs ins Extrem und damit ad absurdum und changiert dabei mit ihrer fantastischen Stimme zwischen mädchenhaft feinem Gekicher, volltönendem Gesang und rauchigem Tom-Waits-Organ. Für die Hörer der Radio-Aufzeichnung ist lediglich ärgerlich, dass sie die Mischung aus Freestyle- und Linedance-Elementen, die keiner so beherrscht wie Frau Mateur, höchstens am Gelächter aus dem Saal mitbekommen.

Dazwischen dann eher klassisches Kabarett: Ingolf Lück, der sich zunächst über seinen 60. Geburtstag und seinen Sieg bei „Let's Dance“ auslässt, nimmt erst dann Fahrt auf, als er seinen Text im Prinzip ablesen kann, setzt dann aber einige exzellente Pointen und begeistert vor allem als Meta-Hypochonder, der schon bei abgeleckten Fingern in einer Chipstüte oder Schweißtropfen im Döner einen Anfall kriegt und in solchen – und auch in anderen – Fällen lauthals nach einer Falltür schreit. So leicht ließe sich manches Problem schließlich aus der Welt schaffen. Und dann wäre da noch Philipp Weber, der seine Leidenschaft für wissenschaftliche Erklärungen zum Glück zugunsten von ausufernden Diskursen über seine Pfannen- uund Milchschäumer-Sammlung, den Food-Dehydrierer und übertechnisierte Autos entfallen lässt. Da ist es auch nicht schlimm, dass der 44-Jährige völlig überdreht ist – das passt vielmehr genau ins Programm. Dem Publikum ist am Ende des gut zweieinhalbstündigen Abends denn auch zufrieden.

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