PPP 2019: Auf Identitäts- und Heimatsuche

Auf Bonn kann man sich verlassen. Zumindest in gewissen Bereichen. Kostenexplosionen bei Bauprojekten treten zum Beispiel mit erschreckender Zuverlässigkeit auf, während Oberbürgermeister Ashok Sridharan sich um die wirklich wichtigen Dinge in der Bundesstadt kümmert, so wie etwa Kaugummi auf rheinischen Straßen. Geht ja gar nicht, sagt das Ensemble des Pink Punk Pantheon – und setzt sich in der inzwischen 36. Session mit diesen und anderen Missständen auf gewohnt chaotische und närrische Weise auseinander.

Die alternative Karnevalsrevue des Bonner Kleinkunsttempels ist natürlich längst Kult. Die Truppe um die Präsidenten des FKK Rhenania, Fritz Litzmann (Rainer Pause) und Helmut Schwaderlappen (Norbert Alich), darf sich so ziemlich alles erlauben, darf alles kommentieren und alles karikieren. Einst das Äquivalent zur Kölner Stunksitzung, ist Pink Punk Pantheon inzwischen auch über die Grenzen der Region hinaus bekannt und für viele eine essentielle Veranstaltung der fünften Jahreszeit. Seit einigen Jahren nimmt allerdings der Lokalkolorit immer mehr ab, taucht höchstens noch in den Beiträgen von Fritz und Hermann auf oder in halbgaren, platten Sketchen wie jenem über Sridharan, der mit seinen indischen Wurzeln die Kaugummi im Tanz entfernen will. Mehr Klischee geht kaum. Andererseits ist es auch kein Wunder, wenn ein Großteil des Ensembles (samt des neuen Regisseurs Mark Sonnleithner) mittlerweile aus Köln kommt und sich mit den Bonner Befindlichkeiten einfach nicht auskennt. Also bleiben nur die nationalen Themen, mit denen es glänzen kann. Zumindest wenn es sich mit Plattitüden und Überzeichnungen ein wenig zurückhält. So überzeugt Hagen Range als Sportmoderator mit völkischen Tendenzen im Interview mit einem leider viel zu tumben Mesut Özil (Massimo Tuveri), während Beate Bohr als Expertin für Rechnungswesen in einer herrlichen Nummer die Kosten für ihre Verhütung aufaddiert und auf ihre Liebhaber aufteilt, was dermaßen grotesk ist, dass es einfach nur Spaß macht. Auch die Analyse eines Gangsta-Raps durch Massimo Tuveri und Tunc Denizer ist großartig und schräg zugleich, ebenso wie eine Datenschutz-Nummer des Duos. Andere Nummern schwächeln dagegen, seien es lustige Mathematiker, ein bemüht klamaukiger OP-Sketch oder eine sich im Kreis drehende Diskussion patriotischer Jecken, die einen Ausstieg aus der EU fordern. Na ja...

Derweil sind Pause und Alich als Fritz und Hermann einmal mehr in ihrem Element, schwafeln und sabbeln und greinen und plappern ohne Sinn und zumindest scheinbar auch ohne Verstand, haben aber gleichzeitig die Chuzpe, sich selbst gehörig auf den Arm zu nehmen. Was für einige der besten Momente des fast vierstündigen Abends sorgt. Herrlich etwa, dass die regelmäßigen Kölsch-Lieferungen nur noch durch Burka-Trägerinnen erfolgen, was den sonst enthusiastisch bützenden Fritz ein ums andere Mal irritiert – und ebenso herrlich, wenn er und sein Kompagnon nach der Pause auf einmal ihre weiblichen Seiten ausleben. Scharf formulieren können sie dann zwar immer noch, doch die ein oder andere Perspektive hat sich dann schon verschoben. Und das ist auch gut so.

Unabdingbar für eine jede Ausgabe des Pink Punk Pantheon ist zudem die Musik. Mitunter ist dies auch ganz gut, etwa wenn die Männer in Bischofskostümen Goethes „Erlkönig“ singen und mit nur wenigen, winzigen Änderungen auf den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche ummünzen oder wenn Norbert Alich „The Lady is a Tramp“ schmettert. Schade ist dagegen, dass Gerhard Vieluf bei seinem Solo zu den „Straßen von Beuel“ bei den Gitarren-Pickings noch Nachholbedarf zu haben scheint und dass Maryam Yazdtschi wie schon in den vergangenen Jahren derart von ihren Sangeskünsten überzeugt ist, dass sie sich einmal mehr übernimmt und mit schwülstigem Organ sowohl „Fix You“ als auch „Dein ist mein ganzes Herz“ letztlich nicht gerecht wird. Schade. Da könnte Pink Punk Pantheon noch mehr erreichen. Wenn das Ensemble nur wollte. Andererseits spricht der Applaus des Publikums für sich. Und das mag ja reichen.

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