Timo Wopp: Ein Opfer fürs Kabarett

Opfer müsste man sein. Oder Angehöriger einer Minderheit. Dann klappt's auch mit der Comedy-Karriere. Immerhin gilt die eiserner Regel, dass man sich nur über die Mitglieder der eigenen Leidensgemeinschaft lustig machen darf, wenn man keinen Shitstorm und Diskriminierungsklagen riskieren möchte. Für einen weißen, heterosexuellen Mann jenseits der 40 wird damit die Luft dünn. Was bleibt, ist Konsens-Kabarett, mehrheitsfähig, politisch korrekt – und sterbenslangweilig. Timo Wopp kann davon ein Liedchen singen, probiert er doch genau dies in seinem nagelneuen Programm „Auf der Suche nach dem verlorenen Witz“ aus, versucht sich an Obst- und Tatoo-Gags und scheitert mit Anlauf.

Was also tun? Was spricht noch ein Publikum an, das sich potenziell von allem angegriffen fühlt, aber trotzdem über mehr lachen will als über Verhüllungsverbote für Bananen? Wopp lotet die Grenzen des Möglichen aus, wagt in einer verbalen und thematischen Achterbahnfahrt den Balance-Akt zwischen Tabubruch und Banalitäten und tritt damit immer wieder gerne ins Fettnäpfchen. Was letztlich auch zum Konzept gehört.

 

Auf den ersten Blick wirkt das dritte Programm von Timo Wopp wie ein wahlloses Sammelsurium aus Pointen, die sich mit der Vergänglichkeit der Arschgeweih-Mode ebenso beschäftigen wie mit der Rückkehr von Friedrich Merz, was irgendwie gar nicht so weit auseinanderliegt. Zimperlich geht Wopp dabei nicht vor, dringt gar in den „Mariannengraben des Niveaus“ vor und sucht dort nach intellektuellen Perlen. „Man muss manchmal das Tal der Lächerlichkeit durchschreiten, um zu wahrer Größe zu gelangen“, sagt er. Doch warum eigentlich? Weil es dem 42-Jährigen wie schon in seinem Vorgänger „Moral“ gar nicht so sehr um die Pointen an sich geht. Sondern vielmehr darum, was sie mit dem Publikum machen. Letztlich ist die „Suche nach dem verlorenen Witz“ Meta-Kabarett unter dem Deckmantel der Witzlosigkeit, in dem Wopp zu eruieren versucht, worüber der Saal lacht. Und worüber nicht. Darf man hierzulande über post-natale Abtreibung nachdenken, wenn das dritte Kind in naher Zukunft angesichts der Überbevölkerung zu einem Stigma wird? Eher nicht, obwohl genau dies 25 Jahre lang in China zur Staatsräson gehörte. Auch Sexismus ist verpönt, doch über die Brüste seiner Gattin kann Wopp herziehen und erntet dafür Gelächter. Warum auch immer.

Mitunter sind die Ergebnisse des Humor-Stresstests, den Timo Wopp mit seinem ahnungslosen Publikum durchführt, durchaus überraschend. Manche stocken schon bei der kleinsten Grenzübertretung, andere applaudieren nur den härtesten Tabubrüchen. Und der Comedian muss es möglichst allen Recht machen, ohne irgendwelche Gefühle zu verletzen, was angesichts der Subjektivität dieses Kriteriums nahezu unmöglich ist. Wopp bemüht sich dennoch, ruft sogar zur Vergewaltigung seiner eigenen Person auf, um so ein Trauma entwickeln und Opfer sein zu können – ja, das geht dann doch ein bisschen zu weit, doch in der Debatte um soziale Blasen und die Legitimation von Pointen trifft Wopp durchaus ins Schwarze. Zwar würde es durchaus helfen, wenn er seinen inkohärenten Stil ein wenig zügeln und der Meta-Ebene ein wenig mehr Raum geben würde, doch wer „Auf der Suche nach dem verlorenen Witz“ nicht nur konsumiert, sondern auch hinterfragt, findet einige bemerkenswerte Ansätze. Abgerundet wird das Programm schließlich noch durch einige Jonglage-Einlagen des einstigen Circque-du-Soleil-Akrobaten, der bis heute nichts von seiner Kunst verlernt hat.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0