„Milk & Ashes“: Jonglage mit Bällen und Gesten

Alles ist weiß. Steril. Einsam. Zwei Menschen in einem Raum, mit verklebten Mündern und somit auf ihre Körpersprache angewiesen, in der Reduktion Glück und Zufriedenheit suchend, ihres und das der Zuschauer. Eine Stimme aus dem Off weist ihnen Szenen zu, die sie improvisieren sollen, fordert sie dazu auf, ihren Emotionen freien Lauf zu lassen und bewertet das Ergebnis eines Paares, das mit Mimik und Gestik so viel mehr auszudrücken vermag als mit Worten. Im Schweigen liegt die Kraft – und über die verfügt das Hippana Theater bei ihrer Inszenierung „Milk & Ashes“ im Übermaß. Im Rahmen des Festivals west off stürzen sich Annalaura Beckmann and Jonas Schiffauer in ein modernes Märchen und zugleich in ein bemerkenswertes Stück Meta-Theater, das im Theater im Ballsaal einen Jubelsturm auslöst und doch viele Fragen offen lässt.

Eine wirkliche Erklärung für das schlichte Setting gibt es bei „Milk & Ashes“ nicht, keine Rahmenhandlung, keine sofort nachvollziehbare Struktur. Es geht um ein „Neues Regime“, heißt es auf dem Programmzettel, um den Weltfrieden und um den Mut, ein sicheres Gefängnis zu verlassen. Doch davon sieht man auf der Bühne wenig. Ist aber eigentlich auch egal, denn die Mischung aus Physical Theatre, Jonglage und Tanz vermag das Publikum auch so in ihren Bann zu ziehen. Der beständige Wechsel zwischen Routine und (von außen auferlegten und damit ad absurdum geführten) Ausbruchsversuchen aus der Konformität ist überaus sehenswert. Während sich Annalaura Beckmann verbiegt und die Flexibilität ihres Körpers auslotet, greift Jonas Schiffauer auf die Beweglichkeit der Bälle zurück. Die Choreographie seiner Jonglage ist wahrhaft herausragend und würde jedem Zirkus zur Ehre gereichen, nur die technische Umsetzung bedarf noch einiger längerer Übungsphasen. Doch schon die Aktionen mit nur einem Ball sind spektakulär und harmonieren hervorragend mit den tänzerischen Elementen des Duos, dessen Harmonie nach und nach zerfällt. Das Spiel wird zum Konflikt, der die Eintönigkeit bestimmter Handlungen endlich umkehrt und der doch nicht glücklich macht. Ob das Pärchen im Stück dies überwinden und sein Ziel erreichen kann, lässt das Hippana Theater letztlich offen. Für das Ensemble gibt es auf jeden Fall ein Happy End: Das Publikum ist begeistert und feiert „Milk & Ashes“ mit tosendem Applaus.

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