Electronic ID: Der Klang der Leuchtstoffröhren

An – aus. An – aus. An. An. Aus. Immer wieder versuchen die Leuchtstoffröhren, Licht ins Dunkel und Klang in die Leere zu bringen, flackernd und knisternd, knackend und disruptiv. Eine Geräuschinstallation liegt den Erhellungsversuchen zugrunde – ein ebenso anstrengender wie kreativer Ansatz von Dawid Liftinger, mit dem das Konzert des Ensembles Elecotric ID mit dem Titel „Inside Exiles“ in der Bundeskunsthalle beginnt. Aber auch einer, der sich letztlich wie ein roter Faden durch das gesamte Programm zieht. Denn einfacher, klarer, strahlender werden die dargebotenen Stücke nicht. Sie bleiben verstörend, wehren sich getreu der Ansichten der Neuen Musik gegen die gewohnten Ton- und Melodiekonzepte und versuchen vielmehr, den Musikbegriff zu erweitern. Was immer dann gelingt, wenn jemand als Übersetzer fungiert. Zum Glück übernimmt an diesem Abend Klaus Kauker diese Aufgabe, der mit einer großartigen weil völlig untypischen Moderation Information, Humor und Intermedialität miteinander verbindet und beim Verständnis der abstrakten Werke hilft.

Tatsächlich schafft Kauker eine Art fiktiver Rahmenhandlung: Per Live-Stream will er so lange online bleiben, wie jemand zuschaut, und dabei gleichzeitig eine Einführung zu den Künstlern geben, deren Werke in der Bundeskunsthalle gespielt werden. So chattet er mit Sarah Nemtsov, die in lyrischen Passagen antwortet; erinnert an Isang Yun, der mit seiner Musik Korea wieder vereinen wollte; führt ein Video-Interview mit Wassim Ibrahim, der in Damaskus so wie alle anderen zum Himmel blickt und auf ein tödliches Geschenk in Form einer Bombe oder einer Rakete wartet, statt die Menschen um sich herum wahrzunehmen. Dabei verstreichen Tage, Wochen, Monate (die Zeitdilatation ist nicht logisch, wohl aber komisch). Als schließlich Hanns Eislers „Vierzehn Arten den Regen zu beschreiben“ erklingen sollen, sitzt Kauker seit 14 Jahren an seinem Rechner. Ein amüsantes Experiment, dass die Moderation einmal anders denkt und dem Publikum die dringend benötigen Ruhepausen zwischen den Stücken ermöglicht, die das Ensemble unter der Leitung von Cecilia Castagneto darbietet. Gleichzeitig werden diese Einführung sogar nachvollziehbar: Vor allem Ibrahims bedrohliche Komposition „Waiting For A Gift“ erhält so eine besondere Qualität, ebenso wie Eislers berühmte Filmmusik. Die anderthalb Stunden vergehen so wie im Flug – und das muss man mit Neuer Musik erst einmal schaffen.

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