„Toys“: Flötentöne aus dem Spielzeugwunderland

Nachts, wenn es still geworden ist im Spielzeugladen, wenn der Besitzer sich verabschiedet hat und keine Kinderfinger mehr mit liebevollem Verlangen über Teddybären, Puppen und Instrumente streichen, erwacht die Magie. Alles beginnt zu leben, die Stoffschäfchen, die Keulen und Springseile, das Einrad und selbst der mechanische Mann aus der Schaubude, eben all die schönen Spielsachen, die so wie schon beim Märchen vom Nussknacker im Reich der Phantasie beseelt sind. Und natürlich ihren eigenen Kopf haben.

Es ist ein herrliches, buntes, irrwitziges Chaos, das sich in der neuen GOP-Show „Toys“ entfaltet und das die Weihnachts- und Winterzeit des Varietétheaters bestimmen wird. Bis zum 14. Januar werden die wie immer erstklassigen Artisten des Ensembles mit viel Humor und noch mehr Akrobatik einen Einblick in ein Wunderland gewähren, das zum Schönsten gehört, was das Haus seit seiner Eröffnung vor einem Jahr geschaffen hat. Die offizielle Premiere am vergangenen Freitag war auf jeden Fall ein optischer Hochgenuss, mit tollen Ideen, starken Bildern – und jeder Menge Blockflöten.

 

Diese überaus vielseitigen Instrumente tauchen dank Gabor Vosteen tatsächlich immer wieder auf. Der allzeit strahlende Musikclown, der mit einigen Verrenkungen bis zu fünf Flöten gleichzeitig zu spielen vermag und somit nicht etwa aus dem letzten, sondern vielmehr als so ziemlich jedem Loch pfeift, agiert als eine Art Moderator und als Maskottchen in Personalunion. Seine Geschwindigkeit ist atemberaubend, seine Virtuosität beeindruckend. Dennoch nimmt er erfreulicherweise nicht zu viel Raum ein, spielt sich nicht mehr als nötig in den Vordergrund. Gut, den „Flohwalzer“ mit auf die Bühne gezwungenen Zuschauern hätte es nicht gebraucht – dafür verzahnt er aber eine seiner Darbietungen mit dem eleganten Auftritt des Duos Dinh Anh, setzt eine feine Melodie über die tänzerische Akrobatik der beiden Asiaten und bezeugt damit einen Teamgeist, der im Varieté nicht selbstverständlich ist und auf den das GOP doch immer großen Wert legt.

 

Ohnehin ist „Toys“ keine reine Nummern-Revue, sondern ein Gesamtkunstwerk mit einem poetischen Konzept, an dem jeder beteiligt ist. Sogar das Publikum, das auch mal beim Transport eines Weichbodens quer durch den Saal Hand anlegen muss, damit Salim Musa Yusuf und Roos Hermanides ihre phänomenale Trapez-Show zeigen können. Diese erweist sich als gnadenloser Slapstick, den selbst Charlie Chaplin nicht besser hätte in Szene setzen können, erhebt das Scheitern zum Geniestreich und zählt damit zweifelsfrei zu den Höhepunkten der Show. Dabei sind alle artistischen Darbietungen auf dem hohen Niveau, das man vom GOP erwarten kann, selbst wenn nicht jede dermaßen spektakulär wirkt. Vielmehr sind es die kleinen Dinge, die die Nummern zu etwas Besonderem machen, die scheinbar leichten Aktionen, die unglaubliches Können erfordern. So fährt Einrad-Künstler Thomas Vey auch mal ganz ohne Pedale, während sich Equilibristin Joe Martinho derart zärtlich und unschuldig auf der Bühne verbiegt, dass es eine Freude ist. Schade nur, dass gerade diese Nummer gerade aus den hinteren Rängen nicht allzu gut zu sehen ist. Da haben es die Artisten leichter, die hoch hinaus wollen. Schlappseil-Tänzer Vitaliy Ostroverkhov zum Beispiel, der gleichzeitig balanciert, jongliert und sich auf das Einrad schwingt; oder Igor Boytsov, der mit Hilfe eines von zwei Kollegen getragenen russischen Barrens kurzerhand einen dreifachen Salto springt. Auch die junge Hula-Hoop-Künstlerin Kateryna Kurichenko, die ihre Reifen scheinbar stillstehen lassen kann oder sie zumindest mit sinnlicher Langsamkeit um ihren Körper kreisen lässt, sorgt für Verzückungen, während Jongleur Joris de Jong dagegen fast schon ein wenig untergeht. Doch das sind Kleinigkeiten. Insgesamt holt das GOP mit „Toys“ ein zauberhaftes Programm nach Bonn, das verblüfft, begeistert und anregt und dem Publikum damit das beste Geschenk macht, das man sich wünschen kann. Ob vor oder nach Weihnachten.

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