Wasserfuhr-Brüder: Jazz als Traumahilfe

Es ist schon ein kleines Wunder, dass die beiden Wasserfuhr-Brüder Roman und Julian ihren Weg in den Jazz gefunden haben. Und dort auch geblieben sind. Wer wie ersterer schon in der sechsten Klasse für einen Solo-Ton zu viel vom Bigband-Leiter des heimischen Gymnasiums öffentlich bloßgestellt wird oder wer wie letzterer einfach kein Glück bei Frauen hat, weil Trompete als Hobby offenbar als eher unsexy empfunden wird, könnte schon in Selbstzweifeln versinken. Doch die Wasserfuhrs waren offenbar zäh. Und unzweifelhaft talentiert. Schon bei der Veröffentlichung ihres Debüt-Albums „Remember Chet“ im Jahr 2005 wurden die beiden als die Zukunft des deutschen Jazz bezeichnet – jetzt sind sie dessen Gegenwart. Und die strahlt, wie ein Matinee-Konzert in der Post-Tower-Lounge im Rahmen des Beethovenfests beweist, überaus hell.

Dabei nutzt das Brüderpaar die Gelegenheit für ein bisschen Traumabewältigung. In der von virtuosem Klavierspiel getragenen Komposition „Lost In Time“ (wie die meisten Stücke des Vormittags vom aktuellen Album „Landed In Brooklyn“ stammend) setzt sich Roman mit dem besagten Solo-Ton-Desaster auseinander, während Julian in einem anderen Stück mit der Dating-Plattform Tinder abrechnet. Dass dabei das luftige Flügelhorn-Spiel ab und zu eine elegante Linienführung vermissen lässt, ist wohl gewollt, immerhin hat der 30-Jährige weit mehr zu bieten. Seine stilistische Bandbreite ist enorm, der Dialog mit seinem Bruder, dessen Leichtigkeit und Spielfreude in jedem Ton zu spüren sind, ein musikalischer Austausch auf höchstem Niveau. Das Publikum ist dementsprechend begeistert und feiert die Wasserfuhrs trotz zweier überraschend kurzer Sets mit großem Applaus.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0