„Amadeus“: Der Fluch der Mittelmäßigkeit

In knalligem Rot wirbelt er über die Bühne, ein infantiler Clown mit einer Leidenschaft für Obszönitäten und unbekümmertem Revoluzzertum: Mozart (Hermann Bedke). Für sein Benehmen abgelehnt, für sein Genie geliebt. Oder gehasst, zumindest von Antonio Salieri (Matthias Schuppli), der sich kurz vor seinem Tod an das Aufeinandertreffen der beiden Künstler in Wien lebhaft erinnert. Der kaiserliche Kammerkomponist neidet dem jüngeren Kollegen in Peter Shaffers berühmtem und von der historischen Realität weit entfernten Drama „Amadeus“ sein Talent, sein Gespür für die vollkommene Musik und in gewisser Weise auch sein ausschweifendes Leben. Also beginnt er zu intrigieren – und Mozart systematisch zu zerstören. Nun haben Contra Kreis Theater und Junges Theater das Stück gemeinsam auf die Bühne gebracht.

Opulenz und Überzeichnung prägen die Inszenierung von Lajos Wenzel: Optisch durch die an den Rokoko angelehnten Kostüme des kaiserlichen Hofes, schauspielerisch durch das Spiel mit den Extremen. Blasierte Hofschranzen geben sich stocksteif und erzkonservativ und bilden so einen starken Kontrast zum unbändigen Wunderkind, das mit Fäkalhumor um sich wirft und abseits der Musik keinen klaren Gedanken schaffen kann. Dieses einseitige Zerrbild des tatsächlichen Mozarts ist eine der größten Schwächen des Shafferschen Texts, und so sehr Wenzel und Schauspieler Hermann Bedke sich auch um die nötige Balance bemühen, erhält die Figur erst gegen Ende des zweistündigen Stücks, in der emotionalen Leidens- und Sterbeszene, ein bisschen Kontur. Da hat es Matthias Schuppli leichter, dessen Salieri von vornherein vielschichtiger angelegt ist. Die (erfundene) Feindschaft mit dem gerade einmal sechs Jahre jüngeren Mozart sowie die heimliche Bewunderung seines kompositorischen Talents spielt Schuppli souverän heraus, wiegt sie geschickt ab und schafft so ein ebenso abstoßendes wie bewegendes Bild eines Mannes, der sich in der Mittelmäßigkeit gefangen sieht. „Mozart schafft aus der Alltäglichkeit Legenden, ich aus Legenden nur Alltägliches“, lässt er Salieri einmal sagen. Ein ungerechtfertigtes Urteil, das aber dennoch die Triebfeder der gesamten Bühnenhandlung darstellt.

Erweitert wird das Ensemble um die konkurrierenden Komponisten durch einige zentrale Figuren am Wiener Hofe, darunter der Direktor der Nationaloper (Bernard Niemeyer), der Präfekt der Nationalbibliothek und lange Zeit Gönner Mozarts (Axel Hinz) und der Kaiserliche Kammerherr (Nima Conradt), die allerdings alle überaus bemüht wirken und sich vielleicht einfach noch ein bisschen einspielen müssen. Amüsant immerhin Thomas Kahle als österreichischer Kaiser Joseph II. mit den immer selben Phrasen, gesanglich auffällig Sarah Bouwers als Sopranistin Katharina Cavalieri, die immer mal wieder ihre Stimme erheben darf und einen kleinen Einblick in die Mozartsche Opern-Tradition gibt. Und dann wäre da noch Olja Artes als Mozarts Frau Constanze, die nicht mit ihren Reizen geizt, zugleich aber auch schauspielerisch eine gute Figur macht. Ihr nimmt man den ständigen Wechsel zwischen ernstem Drama und leichtfüßiger Komödie, den die Inszenierung prägt, noch am ehesten ab. Ihr und Schuppli, dessen Salieri sich ganz bewusst aus dem wilden Treiben heraushält, lieber hinter den Kulissen intrigiert und letztlich mit seinem Geständnis das Publikum zutiefst bewegt. Dies dankt dem Ensemble am Ende mit stehenden Ovationen.

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