Jazztube: Klänge aus dem Untergrund

Der Weg zum Jazz führt über eine Rolltreppe. Abwärts geht es, zu den U-Bahnhöfen, in denen Pendler und Touristen, Einkaufsbummler und Museumsbesucher eilig ein- und aussteigen – und auch mal neugierig stehenbleiben, während junge Bands ihre prägnanten Sounds von den kunststoffüberzogenen Wänden abprallen lassen und die Haltestellen Hauptbahnhof/Thomas-Mann-Straße, Universität/Markt und Heussallee/Museumsmeile in kleine, ungewöhnliche Clubs verwandeln. Zum nunmehr sechsten Mal findet dort wieder die beliebte Jazztube-Reihe statt, die aufstrebenden Musikern eine Möglichkeit findet, in der Öffentlichkeit ihr Publikum zu finden. Bis zum 22. September können Bürger somit jeden Freitag von 17 Uhr bis 19.30 Uhr kostenlose musikalische Hörproben erhalten und dabei auch per Handy ihre Favoriten wählen. Die drei Bands mit den höchsten Zustimmungswerten werden am 3. November im Pantheon noch einmal auftreten.

Natürlich spielen die Bands auch für den Durchgangsverkehr, für all jene, die gerade von der Arbeit kommen oder aus anderen Gründen mit den Straßenbahnen unterwegs sind. Doch nicht wenige Besucher sind Stammgäste. „Ich komme schon seit Jahren regelmäßig aus Köln“, sagt etwa Dagmar Engelfried, die es sich auf einem mitgebrachten Klappstuhl gemütlich gemacht hat und am Aufgang zur Thomas-Mann-Straße dem Jerry Lu Sextett lauscht. „Ich finde diese Reihe einfach großartig, weil man so viele verschiedene Erfahrungen machen und neue junge Bands kennenlernen kann.“ In den Pausen geht es dann zu den nächsten Stationen, bei drei Sets bekommt die Kölnerin so alles mit. „Ich mache das eigentlich genauso“, sagt Initiator Thomas Kimmerle, der die Veranstaltung in Kooperation mit den Stadtwerken Bonn auf die Beine stellt. „Ich möchte mir ja alles anhören. Es gibt aber auch jene, die in der ersten halben Stunde alle drei Bands abklappern und sich dann für eine von ihnen entscheiden. Da bleiben sie dann länger. Und dann gibt es auch viele, die einfach spontan verweilen.“

Nicht nur für das Publikum ist diese Art von Konzert ein besonderes Erlebnis, auch die Bands wagen den Sprung ins kalte Wasser. „Ich habe so etwas noch nie zuvor gemacht, spiele auch sehr selten im Freien“, gesteht Klarinettist Dimitri Schenker, der mit The Klezmer Tunes die Haltestelle Universität/Markt belebt. „Aber ich finde es klasse. Es zieht zwar ein bisschen, aber die Akustik ist exzellent und das Publikum wirklich erstaunlich interessiert. Nur getanzt hat bisher noch keiner.“ Er lacht. „Aber vielleicht kommt das ja noch.“

Die Jazztube dient allerdings nicht nur dazu, neue Bands mit neuen Fans zu versorgen und Pendlern ein paar frische Klänge mit auf den Heimweg zu geben. Vielmehr hat sich das Format längst als erstklassige Talentschmiede erwiesen. So haben Jin Jim bei der Jazztube ebenso angefangen wie Sängerin Laura Totenhagen – beide haben längst den Sprung zu den Leverkusener Jazztagen oder dem Jazzfest Bonn geschafft und streben noch weiter aufwärts. Wer solche Künstler erleben will, muss eben in Bonn mal abtauchen. Und in die Tiefe fahren. So lange die Musik da unten spielt.

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